18.03.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 214 / Tagesordnungspunkt 1

Jessica RosenthalSPD - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich besuchte eine Studierenden-WG in meinem Bonner Wahlkreis, als der Satz fiel, den ich nicht vergessen werde: „Als Russland in die Ukraine einmarschierte, ist für mich eine ganze Welt zusammengebrochen.“ Viele, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, fühlten so – ich auch. Wenn man zurückschaut, stellt man fest: Dieser Satz kommt der Realität nahe. Die alte Weltordnung scheint aus den Fugen. Frieden und Freiheit sind eben keine Selbstverständlichkeit. Mit diesem Moment, mit der Zeitenwende, begann für mich und auch für meine Partei einer der härtesten und gleichzeitig stärksten Prozesse der Demokratie. Ich musste mich selbst scharf korrigieren; denn ich erkannte, wie viel stärker unsere eigene Verteidigungsfähigkeit priorisiert werden muss und wie wichtig die Unterstützung der Ukraine auch durch die Lieferung von Waffen ist.

Demokratie bedeutet, überzeugt werden zu können, zum Wohle der Gemeinschaft eigene Grundsätze überdenken zu können, wenn es geboten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich war fassungslos, dass Sie von der Union und Sie von der FDP genau diese Stärke nicht aufbringen konnten. Sie hielten an Ihrem Dogma der Schuldenbremse fest, verengten aus meiner Perspektive den Sicherheitsbegriff rein aufs Militärische und betrieben die fiskalische Selbstverzwergung der Demokratie, statt ihr Handlungsmacht zu verleihen. Jahrzehntelang wurde unser Land mit einem falsch verstandenen Begriff von Generationengerechtigkeit kaputtgespart. Brücken zerfallen, die Bahn kommt nicht, in vielen Schulen hängen die Fenster schief in den Angeln.

(Zuruf des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP])

Doch selbst als wir dieser veränderten Weltlage gegenüberstanden, waren Sie bis zuletzt nicht bereit, allen reinen Wein einzuschenken: Ohne massive Investitionen ist es eben auf keinen Fall zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Angesichts all der Herausforderungen, vor denen wir als Land stehen, muss aber jetzt endlich die richtige Ausfahrt genommen werden. Es kann uns heute wieder einmal gelingen, die Kraft der Demokratie erneut zu ihrem Vorteil zu wenden. Wir können diesen fatalen Kaputtsparkurs korrigieren, gerade auch weil die Grünen das Allgemeinwohl vor ihre Parteiinteressen stellen, und das verlangt mir Hochachtung ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir können jetzt das tun, was so lange schon nötig ist: massiv in unsere Infrastruktur investieren, in den Klimaschutz, in eine breit verstandene Sicherheit. Die Demokratie in dieser Zeit standfest aufzustellen, bedeutet, die offene Gesellschaft zu stärken. Wir müssen zeigen, dass unser Staat funktioniert. Schluss mit kaputten Brücken, mit nicht vorhandenen Wohnungen und geschlossenen Schwimmbädern!

Das heißt aus meiner Sicht vor allem Bildung. Ich bin es so leid, dass unsere Schulen in diesem Zustand sind.

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Dann gehen Sie in den Landtag!)

Es ist eine Frechheit allen jungen Menschen gegenüber; denn sie sind doch die Demokratinnen und Demokraten von morgen. Sorgen Sie – Sie alle! – jetzt dafür, dass unsere Kinder von der Kita an beste Bedingungen vorfinden. Garantieren Sie endlich, dass die Städte und Gemeinden in ihrem Sinne finanziell handlungsfähig sind.

(Sören Pellmann [Die Linke]: Aber nicht das Grundgesetz ändern!)

Und nein, anders als es hier eben auch geäußert worden ist, verabschieden wir heute keinen Blankoscheck. Ganz im Gegenteil: Wir vergrößern die Verantwortung des nächsten Deutschen Bundestages. Durch das Aufbrechen der Schuldenbremse heute und ihr Reformieren morgen geben wir der Demokratie ihren finanziellen Handlungsspielraum zurück.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ein Märchen, dass damit nun unendlich Geld zur Verfügung stünde. Das stimmt einfach nicht. Ganz im Gegenteil: Die Verantwortung, auch die Einnahmen zu steigern, war selten so hoch. Und erlauben Sie mir die Anmerkung: In einer Vermögensteuer ruhen ungeahnte Möglichkeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen uns als Land wieder neu erfinden. Ich glaube, das ist Konsens. Und ich möchte ein Deutschland sehen, das partnerschaftlich Verantwortung in dieser unübersichtlichen Weltlage übernimmt. Ich möchte in einem Deutschland leben, wo Familien wissen, dass sie einen Kitaplatz und eine Wohnung finden, und in dem Kinder in bestens ausgestatteten Schulen lernen. Und ja, ich möchte in einem Land leben, in dem die Bahn pünktlich kommt. Meine Bitte an den 21. Deutschen Bundestag: Schaffen Sie dieses Deutschland! Zeigen Sie, wie stark unsere Demokratie ist!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Thorsten Frei für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7630070
Wahlperiode 20
Sitzung 214
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a)
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