18.03.2025 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 214 / Tagesordnungspunkt 1

Thorsten FreiCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Zeitgenossen haben wir es wahrscheinlich damals nicht so empfunden, als der damalige Bundesverteidigungsminister Peter Struck geäußert hat, dass die Sicherheit unseres Landes an einem weit entfernten zentralasiatischen Gebirge verteidigt wird, aber rückblickend hat sich diese Zeit als eine glückliche Zeit herausgestellt.

(Stephan Brandner [AfD]: Nicht für die toten Bundeswehrsoldaten!)

Denn heute verteidigen wir die Freiheit und die Sicherheit unseres Landes nicht am Hindukusch,

(Beatrix von Storch [AfD]: Das haben wir dort auch nicht getan, und das wissen Sie doch!)

sondern im Baltikum und am Bug und damit sehr viel näher an unserem Land.

Das unterstreicht einmal mehr, wie groß die Herausforderungen für uns sind, wie dringlich das Handeln ist und wie wir darauf antworten müssen, dass einerseits die russische Bedrohung immer tiefer nach Europa eingreift und auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten von Amerika sich in ihre Hemisphäre zurückzuziehen drohen.

In einer solchen Situation müssen wir mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen. Wir Deutsche müssen mehr Verantwortung für die Sicherheit unseres Landes und unseres Kontinents gemeinsam mit unseren Partnern in Europa übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Verantwortung, die kluge Außenpolitiker vielleicht schon über Jahre gesehen haben, müssen wir jetzt sehr viel schneller wahrnehmen. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen. Die Chance haben wir mit dem Gesetzentwurf, den wir heute hier zur Abstimmung stellen und für den ich um Ihre Zustimmung bitte.

Ich weiß, dass wir viele Diskussionen nicht nur hier im Parlament, sondern auch in der Gesellschaft darüber geführt haben, wie sinnvoll, wie notwendig, wie dringend all diese Maßnahmen sind. Ich glaube, sie sind eine kluge Antwort auf die Herausforderungen der Zeit, ohne dass ich so tun möchte, als ob damit alles sein Bewenden hätte. Es wäre eine große Illusion, zu glauben, dass wir, wenn wir in den nächsten zwölf Jahren so viele Schulden aufnehmen wie nie zuvor in Deutschland, dann alle Probleme gelöst hätten. Es wäre eine große Illusion, zu glauben, dass wir jetzt nichts weiter tun müssen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland, unser Land insgesamt wieder in die Vorhand zu bringen. Das ist natürlich mitnichten so. Tatsächlich sind wir jetzt erst auf einem sehr beschwerlichen Weg, der viele Meilensteine enthalten wird. Und die lauten: Konsolidierung, Strukturreformen und umfassende Staatsmodernisierung. Jeder Stein muss umgedreht werden, um diesen Staat zukunftsfähig aufzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollege Frei, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Abgeordneten von Storch?

Gerne.

Vielen herzlichen Dank für die Gelegenheit zur Zwischenfrage. Die Frage ist auch sehr kurz. – Sie haben gerade gesagt, wir machten perspektivisch Schulden für zwölf Jahre. Ich würde gerne von Ihnen wissen, warum das Aufnehmen von Schulden für die nächsten zwölf Jahre so wahnsinnig eilig ist, dass wir jetzt beschließen müssen und nicht noch drei Tage hinwarten können. Woher kommt die Eilbedürftigkeit dieser Entscheidung, die heute unbedingt getroffen wird, obwohl sie so viele Jahre nach vorne reicht?

Frau Kollegin von Storch, wir haben heute Morgen in der Geschäftsordnungsdebatte über alle rechtlichen Voraussetzungen dieser Entscheidung gesprochen. Wenn ich auf den inhaltlichen Punkt eingehen darf, dann möchte ich Folgendes sagen: Es ist tatsächlich nicht so, dass der nächste Deutsche Bundestag, der 21. Deutsche Bundestag, in drei Tagen bereits voll handlungsfähig wäre; das ist mitnichten so.

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Das ist er in sieben Tagen!)

Deshalb ist es notwendig, dass wir jetzt auch Maßnahmen, die auf Sicht ausgerichtet sind, sofort und unmittelbar in Angriff nehmen. Wir haben eine ganze Reihe von Ereignissen erlebt. Wenn Sie beispielsweise die Münchner Sicherheitskonferenz und die dortige Debatte verfolgt haben, wenn Sie beispielsweise an die Situation von Präsident Selenskyj im Oval Office in Washington und an vieles andere mehr denken, dann macht das deutlich, dass die Fähigkeit, uns selbst verteidigen zu können, sehr viel schneller notwendig sein wird, als das in der Vergangenheit von uns gesehen worden ist. Es ist notwendig, alles dafür Notwendige zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb war es die richtige Entscheidung der Bundestagspräsidentin, den 20. Deutschen Bundestag hierzu einzuladen – zu einem Zeitpunkt, wo die Feststellung des Wahlergebnisses amtlich noch gar nicht erfolgt war. Es ist konsequent, richtig, legal und legitim.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marcus Faber [FDP]: Legitim ist es nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, große Herausforderungen warten jetzt auf uns. Deswegen müssen wir von hier aus dem 21. Deutschen Bundestag auch zurufen – und auch all denjenigen, die jetzt an einem Koalitionsvertrag für die nächste Legislaturperiode arbeiten –, dass wir Mut haben müssen, die schwierigen und kritischen Fragen anzusprechen. Ich glaube, es war die erste Rede in dieser Debatte, von Ihnen, verehrter Herr Klingbeil, wo Sie darauf hingewiesen haben, dass wir dem, was wir jetzt ankündigen, wirklich auch Taten folgen lassen müssen, dass wir tatsächlich Strukturen überprüfen müssen. Da geht es um die ganz einfache Frage, ob das Geld, das jetzt zur Verfügung gestellt wird, denn auch tatsächlich ankommt, ob es bei den Ländern ankommt, ob es bei den Kommunen ankommt, ob es bei den Menschen bei uns im Land ankommt. Zu diesem Zweck müssen wir für weniger Bürokratie und für schnellere Wege sorgen, um dieses Geld auch tatsächlich einzusetzen. Prozesse müssen verbessert und verschlankt werden. Wir brauchen Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, so wie etwa nach der Wiedervereinigung. Das wird alles notwendig sein, damit dieses Geld nicht verpufft.

Und dann bin ich sehr dafür, dass wir den Ländern und den Kommunen viel Freiheit lassen für Investitionen und die Möglichkeit, dieses Geld den Menschen auch zur Verfügung zu stellen. Weil es das Wesen des Föderalismus ist und weil organisiertes Misstrauen die Grundlage von Bürokratie ist, ist falscher Zentralismus hier nicht die richtige Antwort, sondern Freiheit auf der Ebene, wo tatsächlich das Geld für die Menschen in unserem Land ausgegeben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine herausfordernde Zeit, in der wir leben, und ich bin davon überzeugt, dass wir viele schmerzhafte Entscheidungen treffen müssen in den nächsten Wochen, Monaten und in der nächsten Legislaturperiode. Das werden auch unangenehme Entscheidungen sein müssen. Und wir müssen uns davor hüten, Spaltlinien in unserer Gesellschaft ausschließlich mit Geld zudecken zu wollen;

(Zuruf von der FDP)

das wird nicht funktionieren. Das hat in der Vergangenheit schon nicht funktioniert, und das wird in Zukunft erst recht nicht funktionieren. Vielmehr müssen wir die Konflikte dort lösen, wo die Konfliktlinien sind. Wir müssen die Schwerpunkte richtig setzen. Und das bedeutet eben auch, von Nachrangigkeiten zu sprechen. Und dafür schaffen wir jetzt die Voraussetzungen.

Die alten Griechen kennen für die Zeit zwei Begriffe: Chronos und Kairos – Chronos für das quantitative Messen der Zeit und Kairos für den richtigen Augenblick, kluge Entscheidungen zu treffen. Heute müssen wir eine kluge Entscheidung für diesen Moment, aber mit weitreichenden Auswirkungen treffen. Es ist nicht der letzte Schritt. Aber es ist der erste Schritt, den wir heute zu gehen haben, und er ist die notwendige Voraussetzung, dass wir alle weiteren richtigen Schritte für unser Land gehen können. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lars Klingbeil [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7630071
Wahlperiode 20
Sitzung 214
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h, 87a)
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