14.05.2025 | Deutscher Bundestag / 21. WP / Sitzung 3 / Tagesordnungspunkt 2

Matthias MierschSPD - Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler

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Frau Bundestagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Weidel, ich glaube, Ihre Rede heute hat gezeigt,

(Stephan Brandner [AfD]: …, dass sie Bundeskanzlerin wird! – Zuruf des Abg. Tino Chrupalla [AfD])

dass wir alle, die hier in diesem Parlament sitzen und die Demokratie verteidigen wollen,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

zu Recht motiviert alles daransetzen werden, dass Sie mit Ihrer Hass- und Hetzideologie

(Markus Frohnmaier [AfD]: Genau! Hass und Hetze!)

niemals die Mehrheit in diesem Hause bekommen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken)

Lieber Herr Bundeskanzler, das ist Ihre erste Regierungserklärung gewesen, und ich kann Ihnen sagen: Sie treffen auf eine SPD-Bundestagsfraktion in diesem Parlament,

(Martin Reichardt [AfD]: ..., die so schwach ist wie noch nie!)

die Ihre Regierungspolitik selbstbewusst, konstruktiv und auch zielführend begleiten wird.

(Christian Görke [Die Linke]: Donnerwetter!)

Ich bin mir sehr sicher – Sie haben davon erzählt –, dass wir auch streiten müssen. Streit per se ist nichts Schlechtes und gehört zur Demokratie dazu. Aber er muss immer zielgerichtet sein. Und das versichere ich Ihnen im Namen der SPD-Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will Ihnen auch sagen: Ich finde es sehr gut, dass Sie Bundeskanzler Olaf Scholz hier gewürdigt haben. Ich glaube, neben der Zeitenwende gibt es noch eine ganze Menge, was man auch betonen kann. An dieser Stelle möchte ich mich jedenfalls im Namen der Fraktion ganz, ganz herzlich bei ihm bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die SPD-Bundestagsfraktion ist traditionell das Wir in dieser Gesellschaft der entscheidende Faktor. Das sage ich ganz bewusst in einer Zeit, in der die Menschen teilweise mit Egozentrik, mit Kettensägen an den Staat, mit dem Infragestellen von Solidarität konfrontiert sind. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Solidarität in diesen Zeiten, das Betonen des Zusammenhalts und der Zukunft das Leitbild, das wir auch in diesen vier Jahren hier in diesem Parlament vertreten wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund unseres Mitgliedervotums die Rückendeckung unserer Partei erhalten, diesen Koalitionsvertrag hier mit zu realisieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass in diesem Vertrag Elemente sind, die den Zusammenhalt und die Zukunft in diesem Land stärken. Das wollen wir hier durchsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich hier exemplarisch – leider profitiere ich von Ihrem Überziehen ja jetzt nicht – ein paar Dinge nennen:

Das erste zentrale Moment ist, dass wir die Handlungsfähigkeit dieses Staates gewährleisten, weil wir ein Sondervermögen geschaffen haben, weil wir die Verfassung verändert und dabei auch die Bereichsausnahme für die Verteidigungsfähigkeit verankert haben. Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei den Grünen bedanken, die das mit uns zusammen ermöglicht haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen das Ganze ja nicht aus Verantwortungslosigkeit, Herr Bundeskanzler, sondern weil wir wissen, dass die Folgekosten für diese Gesellschaft weitaus höher wären, wenn wir jetzt nicht investieren würden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen sage ich auch: Das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nämlich die weitergehende Reform der Schuldenbremse in diesem Jahr, gehört schnell auf die Tagesordnung; da müssen wir jetzt schnell in Gang kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und wir sagen auch: „Das Wir zählt“, weil es nicht um das freie Spiel der Kräfte geht. Der Markt regelt nicht alles. Deswegen ist es wichtig, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass wir die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft verbessern wollen, indem wir beispielsweise die Energiepreise in den Griff bekommen und wettbewerbsfähig gestalten, aber auch die Unternehmen fördern, die hier in diesem Land investieren wollen. Auch das müssen wir jetzt so schnell wie möglich umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, auch soziale Sicherheit fällt nicht vom Himmel, sondern muss organisiert werden. Deswegen bin ich froh, dass wir ein Bundestariftreuegesetz bekommen werden. Und ich bin mir sicher, dass wir auch einen Mindestlohn von 15 Euro in diesem Land einführen werden, der Würde gibt und der vor allen Dingen viele Millionen Menschen besserstellt. Auch das wird diese Koalition leisten.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Ince [Die Linke])

Ja, auch Solidarität muss organisiert werden. Es gibt einige in diesem Land, die sich die Gesundheits- oder die Altersversorgung selbst organisieren können. Aber Gewerkschaften und Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben Jahrzehnte dafür gekämpft, dass wir ein System in diesen Bereichen haben, das Sicherheit schafft. Deswegen bin ich froh – und das ist keine triviale Sache –, dass diese Bundesregierung, Herr Merz, sich vorgenommen hat, an die Reform dieser sozialen Sicherungssysteme zu gehen, damit wir Sicherheit schaffen.

Ich bin außerordentlich dankbar und halte es überhaupt nicht für schlimm, dass wir zwischen CDU/CSU und SPD auch unterschiedliche Haltungen dazu haben.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: „Haltungen“!)

Das gehört zur Demokratie dazu. Aber ich finde es eben auch wichtig, dass wir am Ende eine Entscheidung treffen; denn die Bürgerinnen und Bürger haben verdient, dass wir nicht nur streiten und diskutieren, sondern am Ende tatsächlich Sicherheit schaffen. Und ein wichtiger Weg dahin ist, dass die zuständige Bundesarbeitsministerin auch ihre Vorschläge macht, wie man diese sozialen Sicherungssysteme verbessern kann. Insofern: Alles Gute dafür!

(Beifall bei der SPD)

Ja, wenn ich von dem Wir spreche, dann ist damit auch die große Frage verbunden: Reformieren wir dieses Land auch bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren? Da geht es nämlich häufig darum, dass Einzelinteressen in der Lage sind, große Projekte jahrelang zu verhindern. Nicht umsonst haben wir in der Ampel im Bereich der erneuerbaren Energien das überragende öffentliche Interesse in den Mittelpunkt gestellt. Ich finde, wenn wir an die Planungs- und Genehmigungsverfahren gehen und auch an andere Rechtsbereiche denken, muss dieser Grundsatz, dass öffentliches Interesse die Leitlinie ist, Einzug halten. Es ist für mich ein ganz zentraler Punkt, das Ego zurückzunehmen und das öffentliche Interesse tatsächlich in den Mittelpunkt zu stellen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir an das Morgen und an das Wir denken, dann zählen dazu auch die nachfolgenden Generationen. Die Klimapolitik haben Sie angesprochen. Die Einhaltung der Klimaziele ist im Übrigen, Frau Weidel, keine Erfindung der Verfassung, sondern die Klimaneutralität steht in der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu eine eindeutige Rechtsprechung, und daran müssen Sie sich im Übrigen vielleicht auch orientieren, wenn Sie nicht als Verfassungsfeinde gelten wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Tino Chrupalla [AfD])

Ich glaube aber, das Entscheidende ist, Herr Bundeskanzler, dass wir in diesem Zusammenhang auch immer wieder betonen, dass Klimaschutz die notwendige Grundbedingung dafür ist, dass die deutsche Industrie und die deutsche Wirtschaft weiter stark sein können, dass er eine Chance und eine notwendige Voraussetzung ist, wirtschaftliche Stabilität in diesem Land zu schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörn König [AfD]: Das stimmt nicht! Klimaschutz ist keine Voraussetzung!)

Ja, an einer Stelle will ich noch mal nachdenken. Sie haben betont, Deutschland könne vieles aus eigener Kraft, aber nicht alles. Deswegen ist, glaube ich, die Betonung der Außenpolitik – und ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie in Europa die Reisen unternommen haben, die Sie gemacht haben – sehr wichtig. Ich glaube, dass wir auch jenseits von Europa eine riesige Verantwortung für diese Welt haben und dass wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf diesem Globus gerade als reiche Nation in unserem eigenen Interesse vorantreiben müssen und nicht zurückfahren dürfen, weil sonst der Globus viel zu klein wäre und alle Probleme auch bei uns wären. Das muss Leitplanke unserer Außenpolitik sein. Das ist mir in dieser zentralen Frage wichtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, am Ende geht es dann auch um das Wir. Die Grundbedingung dafür, das Wir zu realisieren, ist, dass wir unsere Demokratie verteidigen und nicht den Egoisten, den Diktatoren oder denen das Feld überlassen, die im Nationalismus das Allheilmittel sehen. Deswegen gilt es, dass man all die Projekte, die man sehen kann, zum Beispiel auf dem Kirchentag von den Pfadfindern bis hin zu den unterschiedlichen Kräften, die Gedenkstättenarbeit leisten, und die Demokratieförderung sowie die Medienkompetenz auch durch diese Regierung unterstützt. Das ist elementare Voraussetzung für das Überleben unserer Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Großen Strich darunter! Ich glaube, das werden vier spannende Jahre. Das werden aber auch vier Jahre, die dieses Land im Sinne der Bürgerinnen und Bürger voranbringen werden. Im Namen der SPD-Bundestagsfraktion freuen wir uns auf die Zusammenarbeit und wünschen Ihnen und Ihrer Regierungsmannschaft alles Gute.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Katharina Dröge das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7630955
Wahlperiode 21
Sitzung 3
Tagesordnungspunkt Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler
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