Andreas AudretschDIE GRÜNEN - Wirtschaft und Energie
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Reiche, ich möchte mit Anerkennung beginnen, Anerkennung dafür, dass Sie bei der Amtsübergabe so freundliche, lobende Worte für Robert Habeck gefunden haben. Auch die fast übermenschlichen Taten, die in dieser Zeit von diesem gesamten Haus erbracht wurden, haben Sie gewürdigt.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Dafür: Danke schön.
Es wird kritisch werden in den nächsten Jahren – das wissen Sie auch heute schon –, und trotzdem möchte ich Ihnen einmal sagen: Ich wünsche auch Ihnen alles Gute für diese Zeit und unsere konstruktive Zusammenarbeit; die gehört auch dazu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jan Metzler [CDU/CSU])
Für Ihren ersten Auftritt als Ministerin haben Sie den Ludwig-Erhard-Gipfel gewählt, und dort haben Sie eine Analyse ins Zentrum gestellt. Ich würde sie mit Ihren Worten so zusammenfassen: Deutschland hat in den vergangenen Jahren Klimaschutz überbetont.
(Zuruf von der AfD: Richtig!)
Mit Verlaub, Sie ignorieren die Realität. Wir erleben gerade die heftigste Dürre seit 1931. Der Expertenrat für Klimafragen hat Ihnen gerade attestiert, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, bei Weitem nicht ausreicht, um die Ziele zu erreichen.
Aus Perspektive der Wirtschaft: Die Automobilindustrie hat doch nicht deswegen jetzt Probleme, weil man zu schnell war, weil man zu viel Klimaschutz gemacht hat, sondern im Gegenteil:
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)
weil sie viel zu langsam war, weil sie die Technologien nicht übernommen hat. Darum dominieren jetzt chinesische Modelle zunehmend auf den Straßen.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Ich bin mal gespannt, wie Sie das managen wollen!)
Das Gleiche sieht man bei der Stahlindustrie, bei der Chemieindustrie. Die wollen in die neuen Technologien rein, die sind dabei, umzubauen, die wollen Wasserstoffwirtschaft. Das ist die Zukunft.
Das ist die Realität, und ich würde Sie bitten, in dieser Wirklichkeit anzukommen und entsprechend Politik zu machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch Ihr Gegensatz – auf der einen Seite Klimaschutz, auf der anderen Seite hohe Preise – geht komplett fehl. Was haben wir denn erlebt in den letzten Jahren? Es war die fossile Abhängigkeit von Wladimir Putin, die hier in Deutschland steigende Preise, eine Inflationskrise, eine Wirtschaftskrise ausgelöst hat.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Weltweit! Weltweit, nicht nur in Deutschland!)
Und als wäre nichts gewesen, fangen Sie jetzt an, einen regelrechten Gasboom auf den Weg zu bringen. Das wird die Preise für Menschen und Unternehmen erneut durch die Decke schießen lassen, und Sie haben die Verantwortung dafür.
Kaum ist Robert Habeck nicht mehr im Amt, geht die Debatte über Nord Stream 2 wieder voll los. Sie wollen für 20 Gigawatt Gaskraftwerke bauen, langfristige Gaslieferverträge eingehen. Sie wollen die Gasinfrastruktur aufrechterhalten. Sie wollen die Produktionsbedingungen für Gas in Deutschland verbessern.
Ich übersetze das mal: Das heißt Gasbohrungen in der Nähe des Wattenmeers vor Borkum, das heißt Fracking in Niedersachsen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Haben Sie einmal mit den Leuten geredet, die dort sind? Die wollen das nicht, weil das ihre Heimat zerstört,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)
weil es kaputt macht, was ihnen wichtig ist.
Sie sagen „Technologieoffenheit“, stellen das ins Schaufenster,
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Sie haben doch LNG aus den USA gekauft! Hören Sie doch auf mit diesem Gerede!)
und gleichzeitig setzen Sie faktisch auf fossiles Gas. Sie werden mit dieser Strategie scheitern. Das werden Sie!
Friedrich Merz hat am Mittwoch über Klimapolitik gesprochen und ein einziges Instrument genannt; das war der Emissionshandel.
Herr Audretsch, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Kuban?
Ja, gerne.
Herr Präsident! Herr Kollege Audretsch, nur eine kurze Frage. Sie haben ja gerade die Kraftwerksstrategie hier so durch den Kakao gezogen. Ich wollte es nur mal hören: Soweit ich mich erinnern kann, war es ein Minister Habeck, der auch schon mal diese Kraftwerksstrategie auf den Weg gebracht hat
(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dieses böse Gas, was Sie gerade so verteufelt haben, nach Deutschland bringen wollte, um diese Kraftwerksstrategie voranzubringen. Haben Sie das schon vergessen?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wasserstoff!)
Das ist ein hervorragender Punkt, weil es substanzielle Unterschiede gibt. Die Zeit, die ich jetzt habe, ermöglicht es mir, das einmal auszuführen.
(Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])
Zum Ersten ist es die Größenordnung. Das eine waren rund 12 Gigawatt, das andere sind 20.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Zweite, das Wichtige ist die Frage: Wofür nutzt man das? Nutzt man das, um erstens bestimmte Situationen in der Energieversorgung auszugleichen und zweitens es in Richtung Wasserstoff zu überführen,
(Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Exakt!)
oder sagt man, dass man dadurch die Gaspreise nutzen will, um die Strompreise zu senken? Das Letzte hat Frau Reiche gesagt, und das ist falsch; das ist schlicht und ergreifend falsch. Wenn man mit Gas versucht, Energiepolitik zu machen, wird das am Ende zu steigenden Preisen führen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken und der Abg. Dr. Nina Scheer [SPD])
Die Frage ist: „Kommt diese Energie überhaupt ins Netz?“, weil die Merit-Order dafür sorgen wird, dass die günstige erneuerbare immer davor ist. Dann werden die laufen, und ich sage Ihnen eines: Wenn Sie am Ende eine Reiche-Umlage brauchen,
(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])
um diese Gaskraftwerke laufen zu lassen, dann werden die Menschen Ihre teuren Gaspreise, Ihre Reiche-Umlage bezahlen müssen. Und dann werden wir sehen, dass am Ende diese Gaspolitik dazu führt, dass das Klima zerstört wird, dass die Natur vor Ort in Borkum und in Niedersachsen zerstört wird und dass wir mit teuren Preisen den Menschen etwas überstülpen, was sie günstig mit Erneuerbaren hätten haben können. Das ist Ihre Verantwortung an dieser Stelle.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich hatte es beschrieben: Friedrich Merz hat vorgestern über Klimapolitik gesprochen und ein einziges Instrument genannt, nämlich den Emissionshandel. Das bedeutet – und Sie wissen das – steigende Preise für fossile Energieträger.
Ich fasse das mal zusammen: Sie arbeiten an einem Hochlauf fossiler Energie, und Herr Merz kündigt an, diese Energie dann teuer zu machen. Das ist absurd, das ist komplett widersprüchlich; aber das ist CDU-Energie- und Wirtschaftspolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn am Ende die Preise fürs Heizen, fürs Tanken steigen, dann wird das Ihre Verantwortung sein – und das wird nur und ausschließlich Ihre Verantwortung sein.
Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege.
Wir haben eine Alternative für all das.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Abgeordnete der AfD heben jubelnd die Arme – Zuruf von der AfD: Ja, genau!)
Die Alternative heißt Unabhängigkeit, die heißt erneuerbare Energien, die heißt Klimaschutz und wirtschaftlicher Fortschritt. Und ich sage Ihnen eins: Sie sollten diese Chance nicht verspielen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)
Herzlichen Dank. – Die nächste Rednerin ist die Abgeordnete Janine Wissler für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der Linken)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7631537 |
Wahlperiode | 21 |
Sitzung | 5 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |