06.06.2025 | Deutscher Bundestag / 21. WP / Sitzung 11 / Zusatzpunkt 10

Jonas GeisslerCDU/CSU - Krieg in Gaza

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Leid ist unendlich groß. Und dennoch kann man in diesen Tagen auch den Eindruck gewinnen, dass der Hass viel größer ist. Man erlebt diesen Hass auf propalästinensischen Demonstrationen. Man muss die Hamas als das bezeichnen, was sie ist: eine Terrororganisation.

(Beatrix von Storch [AfD]: Da schüttelt Herr Koçak den Kopf! Das war klar!)

Man erlebt diesen Hass, wenn man differenziert den 7. Oktober als Ursache für alles Folgende beschreibt. Man begreift diesen Hass, wenn man die Sicherheitsmaßnahmen bei jüdischen Einrichtungen hierzulande sieht oder sich Menschen die Frage stellen, ob man in Berlin mit einer Kippa unterwegs sein kann.

(Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das stimmt!)

Ich habe mir gerade in den letzten beiden Monaten oft die Frage gestellt, ob die Menschen in Gaza wohl selbst noch hassen und wie sie das tun, ob sie noch die Kraft haben, wo es doch bei vielen ums Überleben geht. Bei mir hat sich der Satz eines palästinensischen Vaters von drei Kindern ganz tief eingebrannt: Die Welt diskutiert über unsere Existenz, während wir hungern. Aber wir brauchen keine Ansprache. Wir brauchen Brot.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Leid der Menschen in Gaza ist unendlich groß. Es ist das Leid der Verhungernden. Es ist das Leid derer, die krank sind und keine medizinische Versorgung erhalten.

(Ferat Koçak [Die Linke]: Deshalb die Proteste!)

Es ist das Leid von mehr als 50 000 Menschen, die seit Beginn dieses Krieges in Gaza ihr Leben verloren haben. Es ist das Leid der Hoffnungslosen und derer, die mittlerweile überhaupt nicht mehr versorgt werden, weil die vier – vier! – Ausgabestellen der GHF wegen Reparaturen geschlossen sind.

Es ist aber auch das Leid der Geiseln, falls sie denn noch am Leben sind, der Überlebenden des Hamasterrors jenseits der Grenzen Gazas und der Angehörigen jener 1 200 bestialisch ermordeten Menschen, nur weil sie Juden waren. Und es ist das Leid der Menschen in Gaza, die selbst Opfer der Hamas werden, weil sie als menschliche Schutzschilde missbraucht werden, obwohl sie mit dem Hass auf Israel aufgewachsen sind. Es ist das Leid derer, die in Gaza gegen die Hamas demonstrieren, die sich der Terrororganisation widersetzen und deswegen hingerichtet werden.

Ich glaube, dass es wahrscheinlich keinen Konflikt gibt, der so facettenreich ist wie der Nahostkonflikt. Das kriegen wir in der Debatte, wie wir sie heute führen, in der vollen Breite – in der vollen Breite! – mit.

In Israel wird seit 1948 immer wieder eine Geschichte erzählt. Und diese Geschichte hört sich ganz anders an, je nachdem, wer sie erzählt. Wer schon mal in Israel und Palästina war, hört diese Geschichte, diese Lehre von Hass und Vergeltung, von Verlust und Leid, von Terror und Tyrannei, von Schuld und Sühne, von Rache und Verantwortung. Aber das alles spielt heute keine Rolle. Denn die Menschen in Gaza brauchen Brot.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich persönlich lehne den Antrag der Linken ab, weil ich – teilweise mit Erschrecken – festgestellt habe, wie Sie die Debatte führen, wie Sie auf Ihrem Parteitag vor nicht einmal vier Wochen die gängige Antisemitismusdefinition aufgegeben haben und damit auch ein Stück weit die Staatsräson, die uns in der Mitte dieses Hauses immer geeint hat, verlassen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Solidarität gilt natürlich immer Israel; denn wir haben eine Verantwortung, die unteilbar ist, die größer ist als alles andere, die sich auch aus unserer eigenen Geschichte speist. Aber diese Solidarität bedeutet nicht, dass wir am Ende die Augen vor dem verschließen, was in Gaza passiert. Sie verpflichtet uns auch dazu, dass wir unsere Freunde und Partner darauf hinweisen, was passiert und was nicht sein darf; denn das Leid ist unendlich groß. Die Menschen brauchen Brot, und dieses Brot muss durch die Vereinten Nationen verteilt werden – gerecht, neutral, geschützt und am Ende sicher.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin der Bundesregierung über alle Maßen dankbar, dass sie in diesen Tagen genau das immer wieder anspricht – immer wieder! –, ohne dass sie dabei die Solidarität gegenüber einem unserer engsten Freunde – die Solidarität gegenüber Israel – aufgibt, sondern dies im Zeichen der Menschlichkeit tut.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Ich erteile dem Abgeordneten Torben Braga für die AfD-Fraktion das Wort. Es ist seine erste Rede.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7632521
Wahlperiode 21
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Krieg in Gaza
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