Sebastian MaackAfD - Vertrag des Nationalen Once-Only-Technical-Systems
Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Als wir in der AfD-Fraktion erfahren haben, dass NOOTS im Plenum besprochen wird, war die ganze Fraktion elektrisiert. Wir haben aus fachfremden Arbeitskreisen Anfragen bekommen, ob wir Redeanteile abgeben können. Zwischenzeitlich mussten wir überlegen, ob wir siebenmal eine Minute oder doch lieber 14-mal 30 Sekunden dazu reden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)
Genau so hat es sich zugetragen oder so ähnlich, vielleicht war es auch ganz anders. Im Ergebnis habe ich jetzt sieben Minuten Redezeit zum Thema NOOTS. Und ich finde das toll!
(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)
Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für einen Nerd, wenn ich sage, dass das Thema NOOTS aus meiner Sicht ausgesprochen sexy ist.
Bevor ich das an einem Beispiel erkläre, möchte ich eine kurze Übersetzung geben: Das heißt so viel wie „Nationales Nur-einmal-erfassen-System“.
Ich will das am Beispiel des Kindergeldes erläutern; das ist hier ja schon angesprochen worden. Wenn man in Deutschland Kindergeld haben möchte, muss man als Allererstes eine Geburtsurkunde haben; ohne die gibt es kein Kindergeld. Eine Geburtsurkunde kriegt man idealerweise in der Außenstelle des Standesamtes in der Geburtsklinik, vorausgesetzt, das Kind kommt in einer Geburtsklinik zur Welt, und vorausgesetzt, diese Geburtsklinik hat eine Außenstelle des Standesamtes, und vorausgesetzt, diese Außenstelle hat zu der Zeit auch offen. Anderenfalls muss man zum Standesamt gehen. Das ist alles bewältigbar, ist unter Umständen aber relativ viel Arbeit. Wenn man die Geburtsurkunde hat, muss man als Nächstes zur Kindergeldstelle gehen. Die muss man ausfindig machen; das können unterschiedliche Stellen sein. Und da muss man noch mal einen ganz langen Antrag einreichen.
Wie wäre es denn, wenn man stattdessen im Krankenhaus einfach den Namen des Kindes und die Kontonummer fürs Kindergeld angeben würde und wenn man nach Hause kommt idealerweise schon die erste Kindergeldzahlung auf dem Konto wäre? Das klingt wie eine Utopie, ist es aber glücklicherweise nicht. Und um genau so was umzusetzen, brauchen wir NOOTS.
Die Idee ist also: Wir erfassen ein Mal die Daten, und die werden intern weitergegeben; das ist ja gerade schon sehr gut erläutert worden. Die Idee ist nicht ganz neu. Als ich vor circa 30 Jahren meine ersten IT-Projekte geleitet habe, habe ich integrierte ERP-Systeme in Unternehmen des Mittelstandes eingeführt. Der große Vorteil dieser Systeme war, dass man den Auftrag nicht ausgedruckt und die Produktion ihn dann in ein anderes System eingetippt hat, sondern dass die Daten intern weitergereicht wurden. Vor 30 Jahren war das der Hit in der Privatwirtschaft. 30 Jahre später kommt es jetzt auch in der öffentlichen Verwaltung an. Das ist zwar spät, aber besser spät als nie an dieser Stelle.
Das wird trotzdem kein Spaziergang, auch wenn dieses System in der Wirtschaft schon etabliert ist. Das sieht man allein schon daran, dass der NOOTS-Staatsvertrag nicht die einzige Grundlage ist, die wir brauchen, sondern es gibt noch so wohlklingende Gesetze wie das Identifikationsnummerngesetz, das Registermodernisierungsgesetz und das Onlinezugangsgesetz, die als Grundlage dafür dienen.
Das zeigt schon, dass in der öffentlichen Verwaltung alles ein bisschen komplexer ist. Das kann man sicherlich noch deutlich vereinfachen. Aber man muss natürlich auch sagen: Da ist Sorgfalt absolut notwendig. – Wir reden hier über nicht weniger als über die digitale Identität der Bürger, um die es geht.
Schon heute hat ein Identitätsdiebstahl dramatische Folgen, und man muss sich klarmachen: Er wird natürlich noch viel dramatischer, wenn wir ein System haben, wo alles untereinander ausgetauscht wird. Dann ist nämlich die komplette Identität weg, wenn sie geklaut wird. Dementsprechend sind zwei Dinge absolut notwendig: Es muss absolute Datensicherheit sichergestellt sein, und es muss auch ein Missbrauch des Staates verhindert werden.
(Beifall bei der AfD)
Der Weg dahin wird nicht einfach sein. Ich hatte schon mal die Ehre, an einem IT-Projekt teilzunehmen. Von 2016 bis 2021 war ich für den Berliner Bezirk Reinickendorf im Steuerungskreis des damaligen Digitalisierungsprojektes des rot-rot-grünen Senates vertreten. Der hatte sich vorgenommen, in sechs Jahren alle Verwaltungsvorgänge in Berlin zu digitalisieren – sehr ambitioniert. Von den 30 Mitgliedern hatte außer mir nur noch eine weitere Person Erfahrung in dem Bereich. Für alle anderen war es das erste Digitalisierungsprojekt. Entsprechend ist es auch gelaufen.
Ich habe dann – nur mal ein Beispiel – nach kurzer Zeit angemerkt, dass es mit dem Mitbestimmungs- und Datenschutzrecht in Berlin schwer werden wird, dieses Projekt überhaupt jemals umzusetzen. Das wurde dann weggewischt; ich hatte ja das falsche Parteibuch. Ein Jahr später hat dann die Projektleitung dem Steuerungskreis den Auftrag erteilt, zu prüfen, welche Änderungen im Mitbestimmungs- und Datenschutzrecht vorgenommen werden müssen, um den Projektvorgang zu beschleunigen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)
Man hatte es also ein Jahr lang liegen lassen. Umgesetzt wurde diese Maßnahme tatsächlich nie, wahrscheinlich weil irgendwann alle frustriert waren, da sie gemerkt haben, dass es nicht vorangeht.
Nun kann man aber aus gescheiterten Projekten sehr gut lernen, vor allem dann, wenn man nicht selber die Projekte in den Sand gesetzt hat, sondern andere; dann fällt es einem immer besonders leicht. Sieben Minuten reichen jetzt nicht aus, um über alle Fehler zu reden; aber das war einer.
Ich glaube, eine wichtige Sache kann man daraus mitnehmen: So ein Projekt läuft nicht in einer Legislaturperiode. Man sollte sich zwar ehrgeizige Ziele setzen, aber man muss sich klarmachen: Wir müssen schon mit fünf Legislaturperioden rechnen. Das heißt, es wird mehrere Regierungswechsel geben in dieser Zeit. Es macht also durchaus Sinn, das Projekt von Anfang an fraktionsübergreifend aufzusetzen, damit nicht mit jedem Regierungswechsel neu angefangen wird, sondern an diesem Projekt nahtlos weitergearbeitet werden kann.
(Beifall bei der AfD)
Es sei mir noch ein zweiter Hinweis erlaubt, den ich eingangs schon mal erwähnt habe: Ganz wesentlich ist die Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese Akzeptanz werden wir nur kriegen, wenn wir einmal absolute Datensicherheit garantieren können. Es darf keinen Identitätsdiebstahl geben.
Wichtig ist außerdem: Dieses umfassende Mittel einer digitalen Identität darf nicht vom Staat missbraucht werden, indem sie zum Beispiel einfach gelöscht werden kann. Ich kann mir vorstellen, dass man dazu sogar das Grundgesetz ändern müsste, um hier einen Pflock einzuschlagen.
Das Grundgesetz ist ja von den ursprünglichen Intentionen her ein Gesetz, das die Bürger vor einem übergriffigen Staat schützt. Damals, als noch der Horror des Nationalsozialismus ganz präsent war, hat man gesagt: Wir müssen die Bürger davor schützen. Dafür brauchen wir das Grundgesetz. – Heute wird es ja ganz anders benutzt.
An dieser Stelle: Ich drücke auf jeden Fall die Daumen, dass dieses Digitalisierungsprojekt erfolgreich ist. Ich denke, dass wir dafür einen fraktions- und legislaturperiodenübergreifenden Konsens benötigen. Die AfD ist gerne bereit, zu diesem beizutragen.
(Beifall bei der AfD)
Vielen Dank. – Ich erteile das Wort zur nächsten Rede Parsa Marvi für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7633471 |
Wahlperiode | 21 |
Sitzung | 15 |
Tagesordnungspunkt | Vertrag des Nationalen Once-Only-Technical-Systems |