Andreas MattfeldtCDU/CSU - Verteidigung
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Pistorius! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sage aber auch ganz deutlich: Sehr geehrte Soldatinnen und Soldaten vor den Bildschirmen! Denn ich weiß, dass diese Debatte auch bei der Bundeswehr verfolgt wird. Mit dem zweiten Regierungsentwurf für den Verteidigungshaushalt 2025 legen Sie, Herr Minister, nun einen Entwurf vor, der endlich, möchte ich sagen, den Begriff „Zeitenwende“ mit Leben füllt. Als zuständiger, vielleicht sogar neuer Haushälter – auch wenn ich diesen Haushalt schon mal kurze Zeit hatte – verspreche ich Ihnen eine effektive und pragmatische Begleitung dieser Aufgabe in den kommenden Haushaltsberatungen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Aber selbstverständlich. Gerne.
(Stephan Brandner [AfD]: Was? Jetzt schon? Er hat doch noch gar nichts gesagt!)
Ich habe heute gelernt, dass es viele zugewandte Männer bei der Union gibt. Deswegen auch noch mal an Sie, Herr Kollege, die Frage von vorhin: Auf welcher Grundlage kam die CDU/CSU-Fraktion im letzten Jahr zu der Auffassung, dass man keine Reform der Schuldenbremse braucht, weil die Verteidigungsausgaben ungefähr bei 2 Prozent bleiben würden? Können Sie das einmal erläutern?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich freue mich sehr über diese Frage, weil Sie sie ja, glaube ich, jetzt das dritte Mal stellen. Das ist auch Ihr gutes Recht; das ist legitim. Ich kann Ihnen aber ganz deutlich sagen: Es fehlte das Vertrauen Ihnen gegenüber. Es fehlte Vertrauen in Ihre Politik, gerade in die Politik der Grünen,
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der Verteidigungsminister war der gleiche! Er war schon vorher da!)
wie Sie die Aussetzung der Schuldenbremse ausformulieren würden. Es war nämlich ganz eindeutig, wie Sie sie ausformuliert hätten, so wie Sie mit Mitteln des Bundeshaushalts umgegangen sind. Ich erinnere an Northvolt, ich erinnere an andere Dinge im Zusammenhang mit THE.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Masken!)
Ihnen zu Zeiten der Opposition dafür eine Aussetzung der Schuldenbremse zu gewähren, wäre unmöglich gewesen. Das haben wir nicht gemacht, und dafür hatten wir seinerzeit sehr, sehr gute Gründe.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jan Ralf Nolte [AfD] – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Partei vor Land!)
Meine Damen und Herren, wir haben die Zahlen gehört: 62,4 Milliarden Euro im aktuellen Etat, weitere 24 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Und wie die Eckwerte zeigen, wird der Etat bis zum Jahr 2029 auf 153 Milliarden Euro erhöht. Das ist eine enorme Herausforderung, Herr Minister. Aber wir geben dieses Geld für die Verteidigungsfähigkeit und vor allen Dingen für die Freiheit unseres Landes aus. 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, war auch für mich anfangs schwer nachzuvollziehen – das darf ich als Haushälter sagen –; es ist aber zwingend erforderlich. Wir wissen auch: Auf internationaler Ebene sind die Weichen für höhere Verteidigungsausgaben gestellt worden. Der NATO-Gipfel in Den Haag hat hier ein bemerkenswertes Ziel – so möchte ich es mal sagen – gesetzt, nämlich ab 2035 jährlich 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben zur Verfügung zu stellen. Das ist eine Investition in unsere Sicherheit.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, ich fand interessant, dass auf dem NATO-Gipfel differenziert wurde: 3,5 Prozent des BIPs
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Robert gesagt hat!)
für klassische Verteidigungsausgaben wie Truppen, Ausrüstung und Waffen vorzusehen und weitere 1,5 Prozent – und das ist klug – für sicherheitsrelevante Maßnahmen wie die Anpassung der Infrastruktur an militärische Anforderungen, der Schutz kritischer Infrastruktur, die uns große Sorgen macht, aber auch die Stärkung der Cybersicherheit.
Aber, meine Damen und Herren, auch das darf ich sagen – und das habe ich in 16 Jahren Haushaltspolitik immer wieder gesehen –, Geld alleine sichert eben noch keine Verteidigungsfähigkeit.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es braucht Vertrauen!)
Ich sage ganz deutlich: Fähigkeitsaufbau ist wichtiger als Mittelabfluss. Die finanziellen Spielräume für eine verteidigungsfähige Bundeswehr – das haben wir mehrfach diskutiert – waren noch nie so groß. Das bedeutet aber auch, Herr Minister: Ohne tiefgreifende Reformen bei Personal und Struktur, die wir noch vornehmen müssen, bleibt die volle Einsatzbereitschaft außer Reichweite. Und ein derartiger Mittelaufwuchs zwingt uns alle zu neuem Denken.
Ich bin Industriekaufmann, ich bin Unternehmer, und mir ist ganz schnell klar geworden, als ich die Aufgabe im Haushaltsausschuss wieder übernommen habe, dass wir immer noch auch Strukturen ändern müssen. Wir sind da erst ganz am Anfang. Wir müssen Strukturen im Ministerium und in der Bundeswehr ändern. Aber – ich darf das sagen – auch in der Industrie müssen wir noch effizienter werden und im Zusammenspiel mit der Industrie noch effektiver. Und wir als Parlament müssen unserer Bundeswehr und der Industrie hierzu auch die Möglichkeiten einräumen, damit schneller und effizienter agiert werden kann. Wir als Union wünschen uns, Herr Minister, dass dies noch schneller umgesetzt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und Investitionen – auch das sage ich ganz deutlich – müssen ausschließlich nach Notwendigkeit erfolgen. Ich weiß, ich mache mir jetzt in der CSU nicht unbedingt Freunde: Aber der von einem Ministerpräsidenten geforderten Verteilung des Sondervermögens nach einem Länderschlüssel, wonach 25 Prozent der Investitionen in seinem Bundesland zu erfolgen haben, erteile ich als Haushälter der CDU-Schwesterpartei eine klare Absage.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Falko Droßmann [SPD] – Zuruf des Abg. Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich sage es ganz deutlich: Wir werden dort beschaffen, wo Preis und Leistung der Verteidigungsprodukte die derzeit noch vorhandenen Fähigkeitslücken schließen können. Verteilungsschlüssel und Forderungen der Beschaffung nach Geografie sind schlichtweg fehl am Platz.
Meine Damen und Herren, „whatever it takes“ bedeutet nicht, dass Geld unermesslich vorhanden ist. Auch bei hohen Etats – das sage ich als Haushälter – gilt: Wirtschaftlichkeit, Preisüberwachung und konsequentes Controlling von Beschaffung und Betrieb sind unverzichtbare Dinge, die wir einhalten müssen. Jeder Euro zählt, meine Damen und Herren, auch bei Rekordetats.
Starre und langwierige Prozesse, das merken wir immer wieder, bremsen leider immer noch Tempo und Innovation. Planung und Beschaffung müssen schlichtweg noch schneller, sie müssen flexibler technologiefähig werden. Der Ukrainekrieg zeigt: Geschwindigkeit ist entscheidend. Die Bundeswehr muss Rüstungsprojekte agiler managen, sonst bleibt unsere Truppe zurück. Und die Bundeswehr muss einsatzbereite Kampfverbände für Landes- und Bündnisverteidigung liefern. Dafür ist häufiger ein Weniger an Verwaltung effektiver als ein Mehr an Verwaltung. Das habe ich auch in vielen Jahren erlebt. Oder, kurz gesagt, Herr Minister: Wir brauchen weniger Verwaltung, und wir brauchen mehr Truppen.
Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage eines Kollegen aus der AfD-Fraktion gestatten?
Ja.
Lieber Herr Kollege, Sie sprechen es ja gerade an: Die Beschaffung, die Organisation – all das muss schlanker und schneller laufen. Schauen wir uns insbesondere die Organisation an. Wir reden von einem Aufwuchs von Personal, und da braucht man selbst ganz einfache Dinge wie Unterkunftsgebäude, Werkhallen und anderes. Werden Sie dafür sorgen, dass das hier nicht nur Phrasen sind? Denn „weniger Bürokratie“ und „schlanker“ hören wir seit vielen Jahren immer wieder, auch von der CDU/CSU. Werden wir endlich mal etwas vorgelegt bekommen, dass zum Beispiel Bundesvorhaben, die die Bundeswehr in den Bundesländern plant, von den Landesbauämtern wegkommen und die Bundeswehr mehr Kapazitäten, mehr Befugnisse bekommt, beispielsweise im BAAINBw, um eigene Projekte dort zu bearbeiten?
(Falko Droßmann [SPD]: Was hat das BAAINBw mit Bauen zu tun?)
Denn das wäre ein Turbo für eigene Infrastrukturvorhaben. Wie stellen Sie sich das konkret vor und nicht nur als Phrase?
(Beifall bei der AfD)
Ich mache schon ein bisschen länger Politik, und ich antworte Ihnen, obwohl ich weiß – das sage ich ganz deutlich –, dass viele von Ihnen gleich mit dem Telefon in der russischen Botschaft sind.
(Falko Droßmann [SPD]: Hört! Hört! – Zurufe von der AfD: Oh!)
Trotzdem darf ich Ihnen sagen, dass sich diese Koalition – manches Mal auch mit anderen Partnern, die heute in der Opposition sind – intensiv darüber Gedanken macht, wie wir den Personalaufwuchs im Bereich der Bundeswehr umsetzen können.
Ich habe erlebt, dass wir Kasernen geschlossen haben. Ich habe das seinerzeit nicht für klug gehalten – das darf ich ganz deutlich sagen –, als wir hier entsprechende Entscheidungen getroffen haben.
Ich darf Ihnen aber auch sagen, dass wir intensiv an der Planungsbeschleunigung arbeiten. Und es ist, wie ich weiß – ich war viele Jahre Bürgermeister –, nicht so einfach, das Planungsrecht entsprechend zu ändern. Wir sind dabei, zu strukturieren: Wo haben wir Möglichkeiten des Aufwuchses in unseren Kasernen? Wie verdichtet sind Kasernenbereiche? Wo können wir was aufwachsen lassen? – Und ich darf Ihnen auch ganz deutlich sagen: Wir müssen uns auch darüber unterhalten, wo wir neue Kasernen installieren müssen. Dann müssen wir uns auch Gedanken über die Frage machen: Wo sind die jungen Wehrdienstleistenden, die Lust auf die Bundeswehr haben? Der Minister hat vorhin ja ganz deutlich gesagt, wie wichtig es ist, dass wir Lust auf Bundeswehr, auf Technik wecken. Ich darf Ihnen sagen: Mittlerweile macht sich eine große Planungsabteilung im Hause Gedanken darüber, wie wir das Ganze umsetzen werden. Das sind nicht nur Sprüche, die wir hier im Parlament machen, sondern das ist eins zu eins umzusetzen.
Ich weiß, das mag vielen von Ihnen – vielleicht nicht allen, aber einigen von Ihnen – nicht passen, die sich wünschen würden, dass wir anders mit unserer Bundeswehr umgehen, die – ich sage es mal deutlich – der verlängerte Arm von Herrn Putin hier sind.
(Stephan Brandner [AfD]: Wer soll das denn sein? So ein Quatsch!)
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich habe seit Jahren, auch schon in den 80er-Jahren, immer dafür gekämpft – damals leider gegen manche von der grünen Seite –, die Freiheit für unser Land zu verteidigen. Heute muss ich diese Freiheit – zumindest verbal – hier im Parlament gegen Sie verteidigen, und das macht mir ganz große Sorgen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir werden Verwaltungsstrukturen verschlanken. Wir werden gegebenenfalls auch Aufgaben streichen. Wir werden Prozesse digitalisieren, und alles muss konsequent auf Einsatzfähigkeit ausgerichtet werden. Das heißt aber auch: Mit der neuen Wehrpflicht und dem Ausbau von Marine, Luftwaffe, Heer, Cyberraum muss auch das Unterstützungskommando, etwa Logistik und Sanitätsdienst, zwingend mitwachsen.
Zudem, meine Damen und Herren, müssen wir aus den Kämpfen in der Ukraine lernen. Drohnen haben dort die Kriegsführung dramatisch wie leider auch tragisch verändert. Sie bringen einerseits den Stellungskrieg zurück und verlagern andererseits – und das ist mir fremd gewesen – Einsätze an die Konsole. Essenziell für die Bundeswehr ist deshalb ein noch schnelleres Aufbauprogramm für eigene Drohnen. Erforderlich sind dabei Fähigkeiten zu Überwachung, Abwehr, Störung, Transport und auch – das darf ich Ihnen sagen – zum Angriff.
Meine Damen und Herren, auch die deutsche Wirtschaft ist gefordert. Das Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Ministerium und Industrie – so habe ich es seit 16 Jahren im Haushaltsausschuss häufig empfunden – muss bei der derzeitigen Sicherheitslage schlichtweg ein Ende haben. Lieferengpässe und Abhängigkeiten zwingen leider die Bundeswehr immer wieder zu Beschaffungen auch von außerhalb Europas. Ich sage Ihnen aber: Echte Souveränität setzt eigene Fähigkeiten bei uns im Land bzw. in Europa voraus. Eine leistungsfähige deutsche und europäische Verteidigungsindustrie braucht verlässliche Aufträge, sie braucht gezielte Förderung, sie braucht strategische Zusammenarbeit in Europa, meine Damen und Herren. Und das gilt, Herr Minister, auch für den Space-Bereich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir das hinkriegen, werden wir uns Produktionskapazitäten sichern. Wir werden zwingend benötigte Kapazitäten aufbauen, die wir im Verteidigungsfall in großem Maßstab benötigen. Und wir werden Lieferketten wieder widerstandsfähig machen. Deshalb von dieser Stelle ganz deutlich der Hinweis an die Industrie: Die Politik wird mit diesem Haushalt liefern, sie wird mit kommenden Haushalten liefern. Die Industrie erhält jetzt langfristige Rahmenverträge, um diese Kapazitäten aufzubauen. Nun sage ich aber auch ganz deutlich: Jetzt muss die Industrie beweisen, dass auch sie liefern wird.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 21 |
Sitzung | 17 |
Tagesordnungspunkt | Verteidigung |