Jürgen HardtCDU/CSU - 30. Jahrestag des Völkermords von Srebrenica
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir ein paar Dinge aufgeschrieben. Aber bevor ich zu meinem Manuskript komme, möchte ich doch sagen: Das, was der Abgeordnete Wolf hier vorgetragen hat, hat mich erschüttert. Er hat den Völkermord geleugnet.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ausdrücklich nicht! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Relativieren Sie das nicht noch!)
Für ihn ist der Völkermord von Srebrenica möglicherweise ein Fliegenschiss der Balkangeschichte,
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist nicht wahr! Hören Sie auf, die Unwahrheit zu verbreiten! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seien Sie heute mal ganz ruhig!)
und er stellt sich an die Seite der Täter und nicht an die Seite der Opfer.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein skandalöser Vorgang!)
Ich bin froh, dass die deutsche Bundesregierung die Initiative ergriffen hat zu dieser UN-Resolution, die dazu führt, dass wir heute hier zum ersten Mal diesen Gedenktag der Vereinten Nationen mit dieser Debatte am Jahrestag selbst – am 11. Juli 1995 war das Massaker – begehen. Es ist schön, dass die weit überwiegende Mehrheit des Hauses hierzu eine einhellige Auffassung hat.
Aber wir müssen natürlich auch in die Zukunft blicken und überlegen: Was bedeutet das Gedenken an dieses schreckliche Ereignis von vor 30 Jahren für unsere Politik heute? Was bedeutet es für das Engagement der Vereinten Nationen?
Ich glaube, dass es schon eine breite Diskussion und Aufarbeitung zu der Frage gegeben hat, warum die Vereinten Nationen damals die über 8 000 muslimischen Männer und Jungen und auch die vielen Frauen, die vergewaltigt worden sind, nicht schützen konnten. Möglicherweise haben wir keinen Mangel an Erkenntnis. Aber trotzdem sei die Frage erlaubt: Wären wir heute, in dieser Welt, in dieser Situation der Vereinten Nationen in der Lage, die Kraft aufzubringen, anders zu handeln, konsequenter zu handeln? Ich glaube, das sollte für uns Mahnung sein, darüber nachzudenken: Sind unsere Instrumente der Vereinten Nationen nach dieser schrecklichen Erfahrung, dieser schwarzen Stunde auch für die Vereinten Nationen, wirklich so, dass wir das für die Zukunft ausschließen können? Daran lohnt es zu arbeiten, und ich glaube, das sollten wir auch im Auswärtigen Ausschuss, im Unterausschuss UN, den wir ja haben werden, entsprechend bearbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für mich ist die zweite große Lehre: Wir haben für Bosnien-Herzegowina und für den gesamten westlichen Balkan erstens das Angebot, dass wir dafür sorgen, dass Konflikte gewaltfrei ausgetragen werden, zum Beispiel durch Beteiligung Deutschlands an der Militärmission in Bosnien-Herzegowina, aber auch im Kosovo. Und wir haben zweitens die große Idee, dass die Staaten des Westbalkans eines Tages Teil der Europäischen Union werden können. Warum soll auf dem Westbalkan nicht das gelingen, was mitten in Europa gelungen ist? Denken wir an die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich, Deutschland und Polen, Deutschland und den Niederlanden, Deutschland und anderen Kriegsgegnern, die wir überfallen und angegriffen haben. Das ist doch das Vorbild. Die Bereitschaft zur Anerkennung dessen, was geschehen ist, auf der einen Seite – eben nicht die Leugnung der Verbrechen, sondern die Auseinandersetzung mit diesen Verbrechen – und die Bereitschaft zur ausgestreckten Hand auf der anderen Seite haben dazu geführt.
Die europäische Einigung und die damit verbundene Aussöhnung sowie die Stabilisierung und Schaffung eines hoffentlich dauerhaften Friedens in der Mitte Europas, in der EU, sollte das Vorbild sein für den Umgang mit der Situation im westlichen Balkan. Deswegen betrachte ich den Beitrittsprozess der Balkanstaaten zur Europäischen Union in erster Linie aus dieser geostrategischen Perspektive. Bei allen Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen, glaube ich, es lohnt sich, dass wir mit aller Kraft an diesem Ziel arbeiten, die Staaten des westlichen Balkans in die Europäische Union aufzunehmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Martin Sichert das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7634412 |
Wahlperiode | 21 |
Sitzung | 19 |
Tagesordnungspunkt | 30. Jahrestag des Völkermords von Srebrenica |