Andreas JungCDU/CSU - Klimakonferenz in Warschau
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorweg betonen, was wir hier schon oft betont haben: Für meine Fraktion gibt es keinen begründeten Zweifel, dass der Klimawandel voranschreitet, dass er schneller voranschreitet, als wir alle gemeinsam befürchtet haben, dass er menschengemacht ist, dass er mit unserem Handeln, mit dem Ausstoß von CO 2 zu tun hat und dass wir aus diesem Grund genau hier ansetzen müssen und wirksame Maßnahmen und Erfolge brauchen. Ich will auch angesichts der Herausforderungen der Finanzkrise und der Wirtschaftskrise sagen: Klimawandel und Klimaschutz sind die wichtigste globale Herausforderung, die die Menschheit in diesem Jahrhundert hat. Deshalb müssen wir dies gemeinsam angehen.
Selbstverständlich ist, gemessen an dieser Herausforderung, bei diesem Gipfel wenig, ernüchternd wenig herausgekommen. Selbstverständlich sind die Schritte immer zu klein. Selbstverständlich verbindet uns deshalb der Wille: Da muss mehr passieren. Wir brauchen mehr Ambitionen. Wir müssen jetzt endlich den Durchbruch erzielen. – Manche haben geglaubt – wir haben es gehofft –, Warschau könnte eine wichtige Station auf dem Weg nach Paris sein. Spätestens dann, wenn man mit dem Zug stundenlang nach Polen fährt, weiß man: Wer nach Paris will, für den ist Warschau bestenfalls ein Umweg.
Trotzdem wäre es falsch, zu sagen: „Da ist gar nichts herausgekommen, wir haben nichts erreicht“, und das hat hier auch niemand getan. Wir haben in Warschau einige wichtige Schritte gemacht. Für mich der wichtigste ist der Durchbruch beim Waldschutz. Dieses Thema sollten wir nicht kleinreden; immerhin entsteht ein Drittel der weltweiten CO 2 -Emissionen durch Landnutzungsänderungen, die allermeisten durch Rodungen. Deshalb ist der Durchbruch beim Waldschutz ein großer Erfolg, auf dem wir aufbauen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dafür hatte sich die Bundesregierung eingesetzt, genauso wie für den Anpassungsfonds. Bundesumweltminister Altmaier hat in seiner Rede den deutschen Beitrag für diesen Anpassungsfonds angekündigt. Das hat eine Dynamik ausgelöst, die dazu geführt hat, dass der Anpassungsfonds jetzt tatsächlich kommen wird, dass er funktionieren wird. Das ist ein zweiter Punkt, an dem wir vorangekommen sind. Darauf gilt es jetzt aufzubauen.
Selbstverständlich müssen wir weiter die Vorreiterrolle einnehmen, die wir in Deutschland immer für uns in Anspruch genommen und immer ausgefüllt haben. Ich glaube, wir können da auf etwas aufbauen, und das müssen wir auch. Worum geht es dabei? Es geht erstens um Ziele. Weil über den Koalitionsvertrag gesprochen wurde, will ich sagen: Es ist falsch, wenn behauptet wird, der Koalitionsvertrag sei ein Weg ins Kohlezeitalter. Wir bekennen uns in diesem Koalitionsvertrag zu den ehrgeizigen Klimazielen, die wir in Deutschland haben und die da heißen: bis 2020 Reduktion der CO 2 - Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990, bis 2050 sogar um 80 bis 95 Prozent. Die Koalition bekennt sich zu diesem ehrgeizigen, ambitionierten Programm. Diese Ziele müssen wir gemeinsam erreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Die EU muss genauso ambitioniert vorangehen. Wir haben formuliert, dass wir die CO 2 -Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent reduzieren wollen. Ich will an dieser Stelle betonen, dass das Wort „mindestens“ zeigt, dass es da noch Spielraum nach oben gibt; Frank Schwabe hat das ebenfalls gesagt. Gerade wir Klimapolitiker werden darauf drängen, hier noch ambitionierter vorzugehen, und wir werden dieses Anliegen kraftvoll in die europäische Debatte einbringen.
Das gilt auch für den Emissionshandel. Ich bin dem Bundesumweltminister ausdrücklich dankbar dafür, dass er sich vehement für das Backloading eingesetzt hat. Hier hat es in den letzten Wochen einen Erfolg gegeben. Wir konnten das Signal geben – da sind wir uns alle einig –: Das ist ein wichtiger Schritt. Für mich ist auch klar: Es ist nur ein erster Schritt, wir müssen hier noch weiter gehen. Deshalb bin ich Peter Altmaier dankbar, dass er ausdrücklich gesagt hat, dass er diesen Schritt mit der Offenheit für strukturelle Reformen verbindet. Ich meine, die brauchen wir. Backloading war die Not- OP. Nach der Not-OP kommt die Reha. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dieses Instrument zu stabilisieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen?
Gerne.
Herr Kollege Jung, Sie sprechen beim Backloading jetzt von einer Notoperation und sagen, es müsse weitergehen. Ich schaue in Ihren Koalitionsvertrag. Da steht drin, das Backloading soll ein einmaliger Eingriff in das System bleiben, es soll nichts weiter geschehen. Ich kann diesen Koalitionsvertrag nur so interpretieren – die ganze Welt tut das –, dass Sie am Emissionshandel nichts weiter ändern wollen, dass Sie nichts weiter dafür tun wollen, dass der Emissionshandel in Zukunft wieder funktioniert, und sehenden Auges in Kauf nehmen wollen, dass das einzige Instrument der europäischen Energie- und Klimapolitik kaputtgeht.
Ich finde, es ist ein Unding, dass, obwohl Sie im Koalitionsvertrag gestern etwas völlig anderes vereinbart haben, Sie sich alle schön hier hinstellen und so tun, als würden Sie beim Emissionshandel etwas machen wollen. Da bitte ich doch um die Ehrlichkeit, zu sagen: Diese Große Koalition hat nicht die Kraft, das zu tun, was eigentlich erforderlich ist und was Sie hier einfordern. Da bitte ich Sie um eine Erläuterung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege, Sie behaupten, es werde nur so getan, als wolle man etwas machen, aber es passiere nichts. Diese Aussage ist durch die Fakten schon widerlegt. Noch bevor dieser Koalitionsvertrag überhaupt unterschrieben war, noch bevor es grünes oder rotes Licht für diese Koalition gab, hat man sich darauf geeinigt, diese Hängepartie zu beenden. Es war in den letzten Monaten eine Hängepartie, weil man sich bisher nicht darauf einigen konnte, dass man diesen Schritt zum Backloading geht. Der Bundesumweltminister wollte es, aber das war insgesamt nicht durchsetzbar.
Jetzt haben wir es quasi als Vorschuss geschafft, uns für das Backloading auszusprechen. Wir sind uns einig, es war zu spät, es wäre besser gewesen, es wäre früher passiert, aber das zeigt: Noch bevor die Koalition überhaupt in Kraft getreten ist und arbeiten konnte, ist der erste Schritt gemacht worden. – Dies wollte ich zuerst einmal in den Mittelpunkt stellen.
Das eine ist also – hier will ich auf das verweisen, was Peter Altmaier vorhin gesagt hat – die „Not-OP“, wie ich es nenne, eine Ultima Ratio, die einen Markteingriff darstellt. Wir alle würden uns wünschen, dass das nicht notwendig wäre und dass der Emissionshandel funktionieren würde, ohne dass man diesen außerordentlichen Eingriff hätte machen müssen. Den hat man jetzt aber gemacht. Das entlastet uns aber nicht davon, darüber nachzudenken, wie wir beim Emissionshandel strukturell weiterkommen können und wie wir strukturell die Voraussetzungen dafür schaffen, dass er seine Minderungswirkung erreicht und gleichzeitig Innovationsignale aussendet. Diese Diskussion steht wiederum im Zusammenhang mit der Diskussion um die Erhöhung der EU-Klimaschutzziele, die in der Europäischen Union noch aussteht.
Ich verspreche mir davon, dass uns beides gelingt, nämlich die Erhöhung der EU-Klimaschutzziele, wodurch mehr Druck für den Emissionshandel entsteht, und am Ende ein gutes Ergebnis für den Klimaschutz.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kollege Jung, es gab noch den Wunsch nach einer zweiten Zwischenfrage, und zwar von der Kollegin Bulling-Schröter.
Gerne, bitte.
Ich habe noch eine Bitte an den Kollegen Krischer. Wir haben hier die, wie ich finde, gut eingeführte und akzeptierte Regel, dass man bei der Beantwortung seiner Frage stehen bleibt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Beantwortung war doch schon lange zu Ende! – Gegenruf von der CDU/ CSU-Fraktion: Nein!)
Frau Bulling-Schröter.
Das ist sehr nett, vielen Dank. – Kollege Jung, Sie haben von einer „Notoperation“ gesprochen. Wir beide sind keine Ärzte. Wenn es ein Problem gibt und man operieren muss, dann operiert man ja die ganze Wunde und nicht nur ein Drittel. So sehe ich das auch beim Zertifikatehandel.
Wir wissen, dass die Zertifikate durch das Backloading jetzt um 50 Cent teurer geworden sind. Wir beide und zumindest alle Klimapolitiker wissen, dass die Zertifikate einen wesentlich höheren Preis haben müssten, damit sie relevant werden und Investitionen in den Betrieben auslösen. Wir haben das im Umweltausschuss oft diskutiert und waren uns über die Parteien hinweg relativ einig, dass wir so viele Zertifikate wie möglich – möglichst alle – stilllegen sollten, und zwar bleibend.
Es gibt faule Zertifikate im Zusammenhang mit dem CDM; das ist nach vielen Jahren der Diskussion inzwischen nicht mehr umstritten. Das hat aber doch nichts mit der Marktwirtschaft zu tun. Wenn diese Zertifikate stillgelegt wären, kann man in der EU und in der UN entsprechende Kriterien und Regularien miteinander vereinbaren, sodass es diese Überallokation und faulen Zertifikate nicht mehr gibt.
Der erste Schritt wäre doch, das so auf die Reihe zu bringen, dass es dann wirklich funktioniert.
Frau Kollegin, es ist ja das Ziel, das so zu auf die Reihe zu bringen, dass es funktioniert. Das, was wir hier diskutieren, können wir aber nicht von der europäischen Diskussion loslösen.
Der Vorschlag, den die EU gemacht hat und der auf dem Tisch lag, war das Backloading. Diesem Vorschlag haben wir erst einmal zugestimmt. Auch auf europäischer Ebene wird die Diskussion ganz sicher weitergehen, und natürlich wird es dabei auch um CDM gehen.
Zum CDM will ich sagen: Selbstverständlich gab es CDM-Zertifikate, bei denen die ökologische Integrität nicht sichergestellt war. Dem ist zu einem großen Teil schon der Riegel vorgeschoben worden. Es hat dort Veränderungen gegeben, und es ist nicht mehr ohne Weiteres möglich, solche Projekte zu machen, wie das in der Vergangenheit der Fall war.
Das sind zwei Beispiele dafür, dass die Debatte und die Entscheidungen Schritt für Schritt erfolgen. Ich will einfach die Botschaft aussenden: Für mich und für uns ist diese Debatte nicht am Ende, und für uns ist der Emissionshandel das Herzstück der EU-Klimapolitik. Das gilt es zu bewahren, und dafür arbeiten wir.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Redner hat der Kollege Matthias Miersch das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2903709 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Klimakonferenz in Warschau |