Carsten LinnemannCDU/CSU - Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir sprechen heute über das Arbeitsmarktinstrument „Sachgrundlose Befristung“. Das Ganze passiert im Lichte der Koalitionsverhandlungen, die wir gestern abgeschlossen haben.
Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen faktisch alle Arbeitsmarktinstrumente angesehen – immer unter der Überschrift: „Wo gibt es Schieflagen? Wo müssen wir etwas ändern?“ Beim Thema Zeitarbeit haben wir beispielsweise das Problem der Höchstüberlassungsdauer gelöst – ich persönlich hätte mir 24 Monate gewünscht, aber wir haben uns auf 18 Monate geeinigt; so ist das mit Kompromissen –, bei den Werkverträgen haben wir die Informationsrechte neu geregelt, und bei der sachgrundlosen Befristung haben wir – vor allen Dingen die Union – keinen Änderungsbedarf gesehen.
Frau Krellmann, ich will Ihnen jetzt auch einmal sagen, warum nicht, und ich will all das, was Sie erklärt haben, ein bisschen relativieren:
Erster Punkt. Sie müssen sich natürlich erst einmal ansehen, wie viele Menschen in Deutschland ein befristetes und wie viele ein unbefristetes Angestelltenverhältnis haben. Ich habe mir einmal die Zahlen vom IAB, einem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit – es ist also höchst unverdächtig –, angeschaut. Es sagt, dass der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse seit 2006 mit unter 9 Prozent etwa gleichbleibend ist. Das heißt im Umkehrschluss: 91 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Das ist erst einmal eine gute Botschaft für dieses Land.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu den Neueinstellungen: Der Anteil der befristeten Neueinstellungen liegt seit 2005 in der Tat in einem Korridor von 43 bis 47 Prozent; aktuell sind es 44 Prozent. Die entscheidende Kennziffer ist aber doch die Übernahmequote. Es geht darum, dass die Menschen, die einen befristeten Arbeitsvertrag bekommen, auch die Aussicht auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben. Diese Übernahmequote ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen. 2009 wurden 30 Prozent von ihrem Arbeitgeber übernommen, jetzt liegt die Quote bei 39 Prozent, weil gerade auch die Arbeitgeber im Mittelstand, die kleinen und mittleren Betriebe, händeringend neue Beschäftigte suchen und deshalb einen großen Anreiz haben, diese Menschen möglichst schnell unbefristet einzustellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das heißt, dieses Instrument ist eine Brücke in den Arbeitsmarkt – gerade für Berufseinsteiger.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Krellmann, lassen Sie mich der Fairness halber zweitens sagen: Sie sprachen von den Gewerkschaften. Interessant ist, dass die Gewerkschaften diese sachgrundlose Befristung einschränken bzw. abschaffen wollen, während sie sie in den Tarifverträgen gleichzeitig selbst erlauben – gerade die DGB-Gewerkschaften –, und zwar nicht nur für 24 Monate, sondern sie nutzen auch die Öffnungsklausel und weiten diese sachgrundlose Befristung auf 48 Monate aus.
(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Das hat die IG BCE, die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, in fast allen Tarifverträgen so geregelt,
(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: So ist das!)
und auch für die IG Metall in Baden-Württemberg gelten diese 48 Monate in einigen Verträgen.
Es macht deshalb keinen Sinn, dass der Gesetzgeber etwas verbietet, was bei vielen Tarifvertragsparteien gang und gäbe ist; und deswegen sehen wir hier auch keinen Änderungsbedarf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Kollege Linnemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung der Kollegin Krellmann?
Ich möchte meine Rede gerne zu Ende bringen; ich bin sofort fertig.
Drittens. Das letzte Beispiel ist die Frage – Sie haben das indirekt ja auch angesprochen –: Wo wird befristet? Wo finden Befristungen statt? Interessant ist, dass die Quote der befristeten Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft bei rund 7 Prozent liegt, während sie im öffentlichen Dienst mehr als doppelt so hoch ist. Im Bereich „Erziehung und Unterrichtung“ liegt sie beispielsweise bei 17 Prozent. Bei den Neueinstellungen wird das noch deutlicher: Im Bereich „Erziehung und Unterricht“ – öffentliche Verwaltung bzw. öffentliche Hand – beträgt die Quote fast 80 Prozent, während es im Mittelstand rund 20 Prozent sind, zum Beispiel 23 Prozent im Bereich „Baugewerbe, Information und Kommunikation“ usw. Das heißt, der Staat als Arbeitgeber muss erst einmal selbst seine Praxis überprüfen, bevor er überhaupt daran denken kann, regulierend in den Markt einzugreifen, um Mittelständler unter Druck zu setzen.
Der Grund für diese Unterschiede ist klar: Es gibt einen eigenen Sachgrund in der öffentlichen Verwaltung, nämlich die Mittelbefristung. Diesen Sachgrund gibt es im Mittelstand nicht. Es gibt keinen Sachgrund Auftragslage oder Konjunkturlage. Wenn es ihn gäbe, dann könnte man ja über alles reden, aber den gibt es nicht. Deshalb halten wir an der sachgrundlosen Befristung fest.
Wir sehen hier keinen Änderungsbedarf. Wir brauchen die flexiblen Arbeitsmarktinstrumente für die Erfolge am Arbeitsmarkt, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Kollegin Krellmann hat zu einer Kurzintervention das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/2904281 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Sachgrundlose Befristung in Arbeitsverträgen |