15.01.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 7 / Zusatzpunkt 1

Günter KringsCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den No-Spy-Verhandlungen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte jetzt auch sehr bescheiden sagen, dass die Bundesregierung ihre Redner an der Stelle ein bisschen dem Redneraufgebot der Linksfraktion angepasst hat.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen sind Sie in die Bütt geschickt worden?)

Meine Damen und Herren, die Veröffentlichungen zu den Datensammlungen der US-amerikanischen National Security Agency haben bei vielen Bürgern – das ist klar – nicht nur berechtigte Fragen aufgeworfen, sondern verständlicherweise auch große Sorgen und Verunsicherungen ausgelöst.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, die Fragen sind alle beantwortet!)

Die Bundesregierung hat schon zu einem Zeitpunkt, als das Ausmaß der Sammelaktionen noch nicht gänzlich erkennbar war, reagiert.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit welchem Ergebnis?)

Insbesondere hat sie die nötige Aufklärung eingefordert. Sie hat dies auch auf ministerieller Ebene getan, bis hin zu direkten Gesprächen zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Obama.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf die Antwort warten wir heute noch!)

Ich mache keinen Hehl daraus: Das Antwortverhalten der USA ist bislang höchst unbefriedigend. Die wichtigsten Fragen sind unbeantwortet geblieben. Es ist ja schön, wenn vertrauliches Material zum Teil deklassifiziert wird. Allerdings sind den mehr als 1 000 Seiten, die deklassifiziert worden sind, keine relevanten Informationen über Ausmaß und Umfang der Programme zu entnehmen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Das Material vermittelt nicht mehr als einen Überblick über die technischen Ansätze der Sicherheitsbehörden der USA und ein Verständnis der rechtlichen Grundlagen, auf die sich die USA beziehen. Das ist aus meiner Sicht inakzeptabel.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das ist noch geschönt!)

Gerade deshalb müssen die Verhandlungen mit den Amerikanern über eine verbindliche Vereinbarung zu nachrichtendienstlichen Tätigkeiten weitergeführt werden, und deshalb – da kann die Opposition ganz beruhigt sein – werden sie auch weitergeführt.

Bereits in der letzten Legislaturperiode hat die Bundesregierung Gespräche mit der amerikanischen Regierung aufgenommen, um sicherzustellen, dass die Grundrechte deutscher Bürgerinnen und Bürger gewahrt werden. Ziel dieser Gespräche war es von Anfang an, zu einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Bundesnachrichtendienst und der National Security Agency zu gelangen. Die Gespräche wurden zunächst unmittelbar zwischen den Nachrichtendiensten BND und NSA mit zwei Zielrichtungen geführt: zum einen die Regelung der Zusammenarbeit dort, wo wir gemeinsame Interessen definieren können, also zum Beispiel in so wichtigen Aufgabenfeldern wie Kampf gegen den internationalen Terrorismus oder gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, zum anderen aber auch die Berücksichtigung der Interessen der jeweils anderen Seite und die Wahrung der jeweiligen Rechtsordnung.

Meine Damen und Herren, der Maßstab, dass auch für unsere Partner und ihre Sicherheitsbehörden auf deutschem Boden uneingeschränkt deutsches Recht zu gelten hat, ist für uns nicht verhandelbar.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Aber die Aufkündigung jedweder Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden wäre ebenso keine verantwortliche Alternative, weil sie unser Land ein ganzes Stück unsicherer machen würde. Ich habe eben Teilen der Fragestunde lauschen können und mit Interesse gehört, dass Abgeordnete der Linken danach fragen, warum es bei der Aufarbeitung des NSU-Terrors nicht mehr Erkenntnisse der NSA gegeben habe. Offenbar gehen also auch Sie davon aus, dass diese Zusammenarbeit notwendig und wichtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Lächerlich! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Das stelle ich nur so fest. – Es ist daher gut, dass die Gespräche dazu beitragen können, das gegenseitige Vertrauen und unsere Zusammenarbeit, die dringend erforderlich ist, zu verbessern. Genau aus diesem Grunde müssen die Gespräche zwischen BND und NSA weitergehen. Gerade weil es sich hier um hochsensible Themen handelt, geht bei solchen Gesprächen ganz eindeutig Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Meine Damen und Herren, von manchen anderen Staaten, bei denen wir auch getrost von nachrichtendienstlichen Aktivitäten gegen uns in Deutschland ausgehen können, unterscheidet sich die USA in einem ganz wesentlichen Punkt: Sie ist ein freiheitlicher Rechtsstaat, eine Demokratie.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht die Sache doch nicht besser!)

Anders als in anderen Ländern hat daher innerhalb der USA eine ernsthafte Debatte über Möglichkeiten und Grenzen der Aufklärung, über die Frage der Verhältnismäßigkeit und über den Umgang mit Freunden und Verbündeten begonnen; es wäre schön, wenn eine solche Debatte auch in anderen Ländern beginnen würde. Die einflussreiche demokratische Senatorin Dianne Feinstein, Vorsitzende des Kontrollgremiums des Senats, etwa hat klar gesagt, die Überwachung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen Regierungschefs sei abzulehnen. Eine vollständige Überprüfung aller Geheimdienstprogramme sei erforderlich, damit die Mitglieder des Geheimdienstausschusses des Senats voll darüber unterrichtet sind, was die Dienste tatsächlich tun.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wären wir auch gern!)

Auch in den USA erkennt ein größer werdender Teil der Öffentlichkeit, dass nicht jede Abhörmaßnahme, die technisch möglich ist, ethisch verantwortbar ist und damit auch rechtlich zulässig sein darf.

Die Notwendigkeit einer seriösen Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits wird allmählich auch in der US-Regierung erkannt. US-Präsident Obama hat im August des letzten Jahres eine hochrangige Expertengruppe beauftragt, Vorschläge zur Überprüfung der Arbeit der amerikanischen Nachrichtendienste zu unterbreiten. Er hat angekündigt, seine Schlussfolgerungen am nächsten Freitag der Öffentlichkeit vorzustellen. Die Überprüfung der Arbeit der Dienste erstreckt sich auch auf die sogenannte Auslandsaufklärung, also auf die Themen, die uns hier besonders interessieren. Die Bundesregierung begrüßt dieses Vorgehen. Es wäre auch für das transatlantische Verhältnis wichtig, wenn möglichst viele der 46 Anregungen praktisch umgesetzt würden, etwa die verstärkte Berücksichtigung der Grundrechte von Nicht-US-Bürgern und der Verzicht auf Industriespionage. Meine Damen und Herren, wenn wir diesen noch recht zähen Prozess des Umdenkens in den USA fördern wollen, brauchen wir eine intelligente Reaktion und keine voreiligen Schlussfolgerungen. Forderungen nach der Aufkündigung von Datenübermittlungsabkommen oder der Aussetzung der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen sind das Gegenteil von intelligent. Gerade vom letztgenannten Abkommen profitieren wir in Deutschland und Europa nämlich mindestens ebenso stark wie die Amerikaner. Eine solche Selbstschädigung unter Verkennung der eigenen nationalen Interessen gehört wohl kaum zu den Reaktionsmitteln, die die amerikanische Seite dauerhaft beeindrucken können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Hilfe des TFTP-Abkommens, auch SWIFT- Abkommen genannt, konnte laut der Evaluation der EU- Kommission ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung auch in Europa geleistet werden. Anders liegt die Sache beim sogenannten Safe- Harbor-Abkommen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dieses Abkommen für die Übermittlung von personenbezogenen Daten an Drittstaaten im wirtschaftlichen Bereich deutlich zu verbessern. Der Themenkomplex muss im Kontext der Datenschutz-Grundverordnung neu geregelt werden; unter anderem könnte man eine Meldepflicht für die Weitergabe von Daten in andere Staaten schaffen. Ziel ist es, die Individualrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und ihnen bessere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Meine Damen und Herren, im Lichte der überbordenden NSA-Datensammlung ist die zentrale Aufgabe in Deutschland und Europa die Rückgewinnung der Souveränität über den Umgang mit unseren Daten. Dazu brauchen wir sowohl rechtliche als auch technische Mittel.

Digitalisierung braucht Vertrauen. Die Menschen in Deutschland müssen darauf vertrauen dürfen, sich auch im Cyberraum frei und sicher bewegen zu können. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger und auch die deutschen Unternehmen im Netz schützen. Dieser Schutz muss sich gegen jede Form der Verletzung der Informationssicherheit richten, sei es gegen Cyberkriminelle, sei es gegen organisierte Kriminalität oder auch gegen ausländische Nachrichtendienste, gleich welchen Ursprungs.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann mal los!)

Wer es ernst meint mit einem 360-Grad-Blick auf alle Quellen möglicher Bedrohungen der Vertraulichkeit und Sicherheit unserer Datenkommunikation, darf eben den Blick nicht ausschließlich auf die Nachrichtendienste der USA richten; denn wir müssen davon ausgehen, dass nicht nur die NSA, sondern auch andere Staaten Ausspähprogramme unterhalten.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt! Ja!)

Den Schutz der Bürger und Unternehmen können wir nur gemeinsam bewältigen. Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft müssen hier zusammenwirken. Im Koalitionsvertrag haben wir eine Reihe von sehr konkreten Vorhaben vereinbart, die diesen Schutz voranbringen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht so!)

Ich denke dabei etwa an die Unterstützung für mehr und bessere Verschlüsselung der Datenkommunikation durch die Nutzer und an die Förderung vertrauenswürdiger Hersteller und Dienstleister in Deutschland, damit wir auf deren Technologien aufbauen können. Ich denke an das IT-Sicherheitsgesetz, mit dem wir die Betreiber kritischer Infrastrukturen ebenso in die Verantwortung nehmen wollen wie die Provider. Ich denke auch an die Prüfung von Möglichkeiten für ein europäisches Routing bzw. eine europäische oder deutsche Cloud.

Wir werden die Daten- und Informationssicherheit zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit machen und mit allen beteiligten Ressorts, mit der Wirtschaft und mit der Zivilgesellschaft nach Lösungen suchen. All das erfordert natürlich Investitionen in Technik und Experten, die diese Technik bedienen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Experten sind teuer!)

Mehr Sicherheit gibt es auch in der Datenkommunikation nicht zum Nulltarif.

Die NSA-Debatte verlangt wie derzeit kein anderes Thema, dass sich Deutschland und die USA auf eine kluge Balance zwischen Freiheit und Sicherheit einigen. Das Vorhalten nachrichtendienstlicher Fähigkeiten ist gerade im Zeitalter des Internets eine unabdingbare Pflicht des Staates, um die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren. Nur ist diese Sicherheit eben kein Selbstzweck, sondern sie dient der Verwirklichung von Freiheit. Wenn wir diese simple Zweck-Mittel-Relation auf beiden Seiten des Atlantik beherzigen, dann muss klar sein, dass auch bei Datensammlungen klare Grenzen zu ziehen sind. Das schaffen wir am besten durch klare gemeinsame Regelungen und Vereinbarungen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Wie die Vorratsdatenspeicherung!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Dr. Konstantin von Notz das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3044004
Wahlperiode 18
Sitzung 7
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den No-Spy-Verhandlungen
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