Norbert BarthleCDU/CSU - Finanzen und Haushalt
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kindler, Ihre Rede erinnert mich an die ersten Reden aus der Opposition heraus vor vier Jahren. Da wurde uns genauso vorgehalten, wir planten nicht, wir könnten nicht rechnen, alles funktioniere nicht. Lesen Sie diese Reden einmal nach! Man kann sie alle in die Tonne treten; denn gekommen ist es ganz anders, nämlich viel besser.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 100 Milliarden Euro neue Schulden! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Reden kann man in die Tonne treten!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu Beginn wiederholen, was hier vor einigen Minuten der Kollege Riesenhuber gesagt hat:
Ich finde dieses Zitat schön. Warum? Weil es so wunderbar in die Generalaussprache in dieser Woche passt, in der sich die Koalitionsfraktionen vergewissern wollen, was sie in den kommenden vier Jahren erreichen wollen. Wenn man sich vergewissern will, wohin man will, muss man zuerst einmal wissen, woher man kommt. Lassen Sie mich deshalb zwei Blicke zurück auf die vergangenen vier Jahre werfen.
Stichwort „Schuldenbremse“: Die Schuldenbremse schreibt uns vor, dass wir 2016 strukturell nur noch 0,35 Prozent Verschuldung haben dürfen. 2012 haben wir das bereits erreicht; da waren wir nämlich bei 0,34 Prozent struktureller Verschuldung, 2013 bei 0,23 Prozent. Dieses Jahr werden wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist nicht nur unser Ziel, sondern wir machen das auch.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweiter Blick zurück: Wie hat sich die Nettokreditaufnahme entwickelt? Noch vor vier Jahren standen wir hier und mussten 80 Milliarden Euro neue Schulden planen. Geworden sind es am Ende des Jahres 44 Milliarden Euro. Im Jahre 2011 haben wir 48 Milliarden Euro neue Schulden geplant. Geworden sind es 17,3 Milliarden Euro. Im Jahre 2012 haben wir 28 Milliarden Euro neue Schulden geplant, geworden sind es 22,5 Milliarden Euro. Im Jahre 2013 haben wir 25,1 Milliarden Euro neue Schulden geplant, geworden sind es 22,1 Milliarden Euro. Jedes Jahr haben wir besser abgeschnitten als geplant.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wegen der guten Konjunktur!)
Wenn ich jetzt noch die Sondereffekte herausrechne – Befüllung des ESM-Kapitalstocks, Europäische Investitionsbank, Fluthilfe –, dann stelle ich fest, dass wir schon bei einem nahezu ausgeglichenen Haushalt sind. Auch dieses Ziel steht klipp und klar im Koalitionsvertrag: ab 2015 keine neuen Schulden mehr.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst einmal abwarten!)
Das ist, fiskalpolitisch betrachtet, eine Erfolgsbilanz, wie es sie in diesem Lande noch nie gab.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Beifall!)
Das muss man immer wieder betonen.
Im Koalitionsvertrag ist aber nicht nur festgehalten, dass wir hinter das bei der Schuldengrenze Erreichte nicht mehr zurückfallen wollen, sondern auch – das steht ebenfalls darin –, dass diese Strategie mit bestimmten Maßnahmen eingehalten wird.
Darin steht zum Beispiel auch, dass, falls es konjunkturelle Schwankungen geben sollte, was man nie ausschließen kann, der Anstieg der Ausgaben nie höher sein darf als der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts. Das ist eine ganz wichtige Regelung zur Begrenzung der Ausgaben.
An die Adresse all jener aus der SPD-Fraktion gerichtet, die immer noch auf Steuererhöhungen spekulieren – dass es solche gibt, konnte ich den Reden entnehmen, lieber Johannes Kahrs, lieber Carsten Schneider –: Darin steht klipp und klar, was wir an prioritären Maßnahmen finanzieren. Maßnahmen zur Verbesserung von Bildung und Forschung, für die Kommunen, für die Infrastruktur, für die ODA-Quote werden finanziert. Für alles andere gilt nicht nur ein strenger Finanzierungsvorbehalt.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch da gibt es einen Finanzierungsvorbehalt!)
Darin steht nämlich auch: Alles Übrige muss unmittelbar, dauerhaft und – wie heißt die dritte Formel? ich lese nach – vollständig gegenfinanziert werden, und zwar im gleichen Politikbereich. Jeder Haushälter, der lesen kann, weiß, dass damit Steuererhöhungen zur Verbesserung der Ausgabemöglichkeiten ausgeschlossen sind; denn das fließt in den Einzelplan 60. Finanzierung von zusätzlichen Ausgaben oder Ausgleich von Mindereinnahmen über den allgemeinen Haushalt, das geht nicht; es muss im jeweiligen Politikbereich vollständig, unmittelbar und dauerhaft gegenfinanziert werden. Das sollten auch die Ministerinnen und Minister unseres Koalitionspartners einmal genau nachlesen.
(Johannes Kahrs [SPD]: Gib es den eigenen auch mal zum Lesen!)
– Aber ja, das mache ich schon. Ich sage es ja auch hier in aller Deutlichkeit.
An dieser Stelle muss ich auf die Grünen zurückkommen. Im Koalitionsvertrag steht auch, dass wir die Kommunen – der Finanzminister hat es vorgetragen – bei der Eingliederungshilfe für Behinderte entlasten:
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt eben nicht hin mit der Gegenfinanzierung!)
5 Milliarden Euro pro Jahr ab 2018, zuvor jeweils 1 Milliarde Euro pro Jahr Vorabhilfe an die Kommunen.
Liebe Frau Andreae, was macht Ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann?
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Sachen! Guter Mann!)
Er schreibt in seinen Haushalt 400 Millionen Euro Mehreinnahmen hinein, die er sich aus Steuererhöhungen erhofft hat. Da wir Steuererhöhungen aber nicht machen, fehlen ihm 400 Millionen Euro. Was macht er? Er gibt in einem Zeitungsinterview bekannt, der Bund übernehme ja jetzt die Eingliederungshilfe; da könne er sich die 400 Millionen Euro holen. Das nenne ich unseriöse Haushaltspolitik in einem Maße, wie ich es noch nicht erlebt habe. Deshalb kann Standard & Poor’s mit seinem AAA-Rating nur die baden-württembergischen Unternehmerinnen und Unternehmer, die fleißigen und sparsamen Menschen gemeint haben, aber nicht die grün-rote Landesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Dann hast du es nicht gelesen! Das ist ein deutliches Zeichen dafür!)
Meine Damen und Herren, was steht noch im Koalitionsvertrag? Darin steht, dass wir uns intensiv mit den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen beschäftigen wollen. Da soll eine Kommission eingerichtet werden. Sie hat sich sehr viel vorgenommen. Da geht es nämlich um die Einhaltung des europäischen Fiskalvertrags, der auch die Länder betrifft. Da geht es um die Schuldenbremse für die Länder, die ab 2020 greift. Da geht es um die Verteilung von Einnahmen und Aufgaben auf allen föderalen Ebenen. Da geht es um den Länderfinanzausgleich. Da geht es um die Frage der Altschulden. Es geht um die Zukunft des Soli. Es geht also um sehr viel. Unter dem Strich, wie Professor Henneke dieser Tage in der FAZ so schön geschrieben hat: Es geht um die Umverteilung von 640 Milliarden Euro gesamtstaatlicher Steuereinnahmen.
Das wird eine Mammutaufgabe der kommenden Wochen und Monate werden. Bis Mitte der Legislaturperiode müsste das abgeschlossen sein. Da werden wir noch viel zu beraten haben. Darauf können sich die Kommunen und die Länder verlassen. Der Bund ist bislang Vorreiter, was die Konsolidierung anbelangt. Einige Länder machen mir Sorge, insbesondere Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen – um nur einige wenige zu nennen. Aber wir stehen solidarisch zueinander, genauso wie wir das auf europäischer Ebene tun, aber immer unter der Maßgabe: Hilfe zur Selbsthilfe.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne einen Euro Schuldenabbau!)
Das gilt auch auf europäischer Ebene. Darüber werden wir im Zusammenhang mit der Bankenunion noch intensiv zu sprechen haben.
Ich darf abschließend – –
Herr Kollege.
Ich bin schon beim Schlusssatz.
Herr Kollege, ich wollte Sie fragen, damit die Grünen ihre Chancen wahrnehmen können, ob Sie vor Ihrem Schlusssatz noch eine Zwischenfrage zulassen.
Ja, gerne.
Frau Hajduk, bitte.
Sehr geehrter Kollege Barthle, Sie haben gerade von der Mammutaufgabe der Neuordnung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen gesprochen, haben auch die Summe in den Raum gestellt und gesagt, wie viel hundert Milliarden es sind, um die es da letztendlich geht. Können Sie uns als Mitglied dieses Hohen Hauses hier schon einmal deutlich machen, dass die Koalition auch sicherstellt, dass der Haushaltsgesetzgeber, der Deutsche Bundestag, bei der Erarbeitung dieser Vorschläge von Anfang an mit eingebunden ist? Das wird im Koalitionsvertrag nicht so richtig deutlich.
Da die Einsetzung dieser Kommission im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD und nicht in einer Regierungsvorlage angekündigt wird, gehe ich davon aus, dass das Parlament auch entsprechend eingebunden sein wird, wenn es darum geht, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu auszutarieren, und zwar unter Einbeziehung der Kommunen. – So lautet die Formulierung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Kollegin Hajduk, Sie können davon ausgehen, dass wir das nicht einfach an uns vorüberziehen lassen.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Thema Bankenunion. Darüber muss in den kommenden Monaten noch verhandelt werden. Wir sind an den Verhandlungen beteiligt. Ich darf Ihnen versichern, dass wir Haushälter streng darauf achten werden, dass die Haftungskaskade, die der Kollege Carsten Schneider angesprochen hat, eingehalten wird. Wir werden ebenfalls sehr darauf achten, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus künftig die Aufgaben erfüllen kann, die er zu erfüllen hat, nämlich in Schwierigkeiten geratenen Staaten zu helfen, und nicht dazu benutzt wird, eine grenzenlose Rekapitalisierung von Banken zu betreiben.
In diesem Sinne freue ich mich auf eine gedeihliche Zusammenarbeit mit unseren neuen Freunden auf der linken Seite des Hauses, auf eine erfolgreiche Fortsetzung der Konsolidierungspolitik, die wir bisher betrieben haben, und damit auf eine gute Zukunft für den Haushalt dieses Landes.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag erteile ich nun unserer Kollegin Cansel Kiziltepe von der SPD- Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3086770 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Finanzen und Haushalt |