Carola ReimannSPD - Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! In die Familien- und Gleichstellungspolitik kommt neuer Schwung. Das haben Sie, Frau Ministerin Schwesig, mit Ihrem bisherigen Engagement sehr deutlich gemacht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In der letzten Großen Koalition ist es uns gemeinsam gelungen, mit dem Elterngeld und dem Kitaausbau die Familienpolitik zu entstauben und ihr ein modernes Gesicht zu verleihen. Frau Ministerin, hier wollen Sie anknüpfen und weitermachen. Im Koalitionsvertrag sind dazu für die Bereiche Bildung und Kitaausbau 6 Milliarden Euro und auch das ElterngeldPlus vereinbart. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns aber noch viel mehr vorgenommen. Wir wollen eine wirkungsvolle Gleichstellungspolitik neben die moderne Familienpolitik stellen. Die Bundesregierung will für Frauen die gleichen Verwirklichungschancen schaffen, wie sie für Männer lange üblich sind. Und wir wollen auch Männern ermöglichen, neue Lebensentwürfe zu leben. Es geht uns darum, das Versprechen unseres Grundgesetzes auf gleiche Chancen unabhängig vom Geschlecht endlich auch einzulösen. Dafür haben wir uns in den nächsten vier Jahren viel vorgenommen. Ich will drei besonders wichtige Vorhaben herausgreifen.
Erstens. Vorstands- und Chefetage sollen für Frauen nicht länger verschlossen bleiben. Wir wollen für Frauen all die Hindernisse aus dem Weg räumen, die sie in ihrem beruflichen Fortkommen heute noch beschränken. Die Arbeitgeber hatten jetzt fast 13 Jahre Zeit, über freiwillige Selbstverpflichtungen Frauen den Weg in Führungsfunktionen zu ebnen. Diese Chance haben sie vertan. Nicht mehr Frauen in Vorstandspositionen, sondern in einigen Bereichen sogar weniger: So lautet der beschämende Befund des letzen Managerinnen-Barometers. Deshalb ist es absolut richtig, dass wir jetzt als Gesetzgeber handeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zum zweiten Punkt. Quote ist wichtig. Entgeltgleichheit ist mir persönlich noch wichtiger. Frauen bekommen ganze 22 Prozent weniger Lohn als Männer. Diese Ungerechtigkeit betrifft fast alle Frauen. Sie ist in fast allen Berufen und Branchen anzutreffen, und sie gilt für die Aushilfskraft genauso wie für die Chefin.
Wir wollen Hindernisse aus dem Weg räumen, die Frauen von einem fairen und gerechten Lohn ausschließen. Dazu haben wir uns in der Großen Koalition auf gesetzliche und untergesetzliche Regelungen verständigt.
Wir wollen einen individuellen Auskunftsanspruch für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit Lohnungleichheit überhaupt sichtbar wird. Wir wollen verbindliche Verfahren für die Unternehmen, mit denen sie Lohngerechtigkeit erreichen können, Herr Wunderlich. Frau Kollegin Dörner, wir werden das beherzt angehen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Helfen wird auch der gesetzliche Mindestlohn; denn 70 Prozent derjenigen, die mit Niedriglöhnen zurechtkommen müssen, sind Frauen. Es werden also vor allem Frauen sein, die mehr verdienen, wenn 8,50 Euro als untere Lohngrenze gesetzlich festgeschrieben sind.
Drittens wollen wir ein großes Rad drehen: die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Ein zentraler Grund, warum Frauen weniger verdienen als Männer, ist Teilzeitarbeit. Teilzeitarbeit ist in Deutschland immer noch eine Frauendomäne. Wer in Teilzeit arbeitet, wird trotz eines bestehenden Diskriminierungsverbots letztlich doch noch oft benachteiligt: bei der Bezahlung, beim beruflichen Aufstieg und auch bei Fort- und Weiterbildung. Deswegen machen wir zweierlei: Zum einen stärken wir die Rechte von Teilzeitbeschäftigten. Wir werden einen gesetzlichen Anspruch auf befristete Teilzeit einführen, damit Teilzeit nicht zur Falle wird, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch das Recht erhalten, auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Das ist bei Kindererziehung, aber auch bei pflegenden Angehörigen ganz wichtig.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zum anderen wollen wir eine grundsätzliche Debatte darüber führen – ich glaube, dass sie nötig ist, Frau Dörner –, ob wir im Interesse von Frauen und Männern mit Familienpflichten nicht über andere Arbeitszeitmodelle nachdenken müssen. 60 Prozent der Eltern kleiner Kinder wünschen sich eine partnerschaftliche Teilung von Erwerbs- und Familienarbeit. Nur ganze 14 Prozent können diesen Wunsch auch verwirklichen. Hier klafft eine gewaltige Lücke zwischen gewünschter und gelebter Familienrealität. Das muss uns zu denken geben; denn dieser Widerspruch zwischen Wünschen und Wirklichkeit belastet Paare, eine Belastung, die Familien destabilisieren kann und im schlimmsten Fall zu Trennung und Scheidung führt.
Andere Arbeitszeiten für Familien sind ein Thema für Frauen, aber eben auch für Männer. Ein Großteil der Männer wünscht sich mehr Zeit für ihre Kinder; das ist ein Ergebnis der forsa-Väterstudie. Das aber zu realisieren, ist für Männer oft noch schwieriger. Da kann schon die bloße Äußerung des Wunsches nach Arbeitszeitreduzierung schnell zum Karrierekiller werden.
Frau Ministerin Schwesig, Sie haben mit Ihrem Vorschlag der Familienarbeitszeiten einen wichtigen Vorstoß gemacht. Wie überfällig er war, merken wir daran, dass jetzt überall über Arbeitszeiten für Familien diskutiert wird: in Feuilletons, in Talkshows und bei den Tarifpartnern.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])
Gerade Anfang der Woche hat die IG Metall 30-Stunden-Wochen für Familien und zur Weiterbildung vorgeschlagen. Es gibt ja konkrete Vorschläge. Auch die Bürgerinnen und Bürger diskutieren darüber. Ich hatte vor wenigen Tagen gestandene Feuerwehrmänner zu Besuch. Reden wollten sie vor allem über eines: flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zeit für Familie ist die nächste große Baustelle in der Familienpolitik. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag sehr schnell das ElterngeldPlus als einen ersten Schritt aufgenommen. Dabei werden wir das Elterngeld weiter entwickeln. Mit dem ElterngeldPlus soll Teilzeitarbeit während der ersten Lebensjahre des Kindes besser möglich werden. Eltern, die partnerschaftlich in Teilzeit arbeiten, wollen wir dabei mit einem Partnerschaftsbonus besonders unterstützen.
Kolleginnen und Kollegen, es gibt in den nächsten vier Jahren eine Menge zu tun. Ich finde, wir haben einen Koalitionsvertrag mit den richtigen Rezepten. Jetzt kommt es darauf an, unsere Rezepte gut und zügig umzusetzen. Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit.
Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Marcus Weinberg erhält nun das Wort für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Neue Freunde!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3087290 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 11 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Senioren, Frauen und Jugend |