12.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 13 / Zusatzpunkt 1

Antje TillmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir im Rahmen der Regierungserklärung der Kanzlerin hier die Gelegenheit hatten, uns über die Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung auszutauschen. Ich kann mich gut erinnern, dass ich die Einzige war, die für unsere Fraktion gesagt hat, dass wir sicherstellen müssen, dass wir mit den Steuern, die heute festgesetzt werden, auskommen, dass wir den Haushalt so aufstellen müssen, dass wir die Steuern nicht erhöhen müssen. Alle anderen Fraktionen waren anderer Meinung. Aber weil wir dieses Versprechen gegeben haben und beabsichtigen, diese Zusage, Steuern nicht zu erhöhen, auch einzuhalten, erwarten wir, dass jeder die gegen ihn festgesetzte Steuer auch zahlt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Gegenleistungen des Gemeinwesens, an das die Steuern zu zahlen sind, können sich sehen lassen: kostenlose Bildung, befahrbare Straßen oder allein die Tatsache, dass wir unsere Kinder ohne Beaufsichtigung bzw. Bewachung in die Schule schicken können, wie es in anderen Ländern nötig ist. Diese Gegenleistung bekommt jeder, der Steuern zahlt, und ich behaupte, dass es in Deutschland niemanden gibt, der mehr Steuern zahlen muss, als er an solchen Gegenleistungen zurückbekommt. Weil das so ist, erwarten wir, dass die festgesetzten Steuern abgeführt werden.

Herr Kollege Ernst, es trifft nicht zu, dass die strafbefreiende Selbstanzeige dem Schutz der Steuerhinterzieher dient; sie ist vielmehr dafür gedacht, die Steuern einzutreiben, die der Gemeinschaft zustehen. Wir brauchen die strafbefreiende Selbstanzeige aus unterschiedlichen Gründen. Derjenige, der nach einer begangenen Steuerhinterziehung vollumfänglich steuerehrlich werden möchte, soll diesen Weg gehen können. Das kann der Steuerpflichtige selbst sein, der einen alten Fehler wiedergutmachen will – und das ist eben nicht nur der reiche Steuerhinterzieher, wie Herr Kollege Pitterle gerade gesagt hat, sondern auch die Rentnerin, die über Jahre gedacht hat, ihre Rente sei steuerfrei; auch sie profitiert von der strafbefreienden Selbstanzeige –; das kann aber auch die Erbengeneration sein. Was soll denn die Tochter eines Steuerhinterziehers machen, die im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge das Bankkonto in der Schweiz von ihrem Vater übertragen bekommt und die anfallenden Zinsen ordnungsgemäß erklären will? Sie kann doch sicher sein, dass die Finanzbehörde sofort nach der Kapitalquelle fragt. Wenn sie verhindern will, dass sie ihren Vater wegen Steuerhinterziehung dranbekommen, dann hilft nur die strafbefreiende Selbstanzeige, die der Vater rechtzeitig vor dieser vorweggenommenen Erbfolge einreicht.

Aber auch die Finanzbehörden brauchen die strafbefreiende Selbstanzeige. Sie benötigen die Mitwirkung der Steuerpflichtigen bei der Steuerfestsetzung; denn der Weg von einer Zahl auf einer CD bis zum klagefähigen Steuerbescheid ist sehr weit, wenn der Steuerpflichtige nicht mitwirken muss. Das muss er nicht, wenn gegen ihn ermittelt wird; denn er hat ein Aussageverweigerungsrecht.

Aber noch viel wichtiger finde ich, dass wir die Aussage des Steuerpflichtigen für die Gruppe von Menschen brauchen, die bei Steuerhinterziehung helfen. Banker und Anlageberater haben sich in der Vergangenheit – natürlich in Einzelfällen, aber doch immer wieder – dazu hinreißen lassen, zu Steuerhinterziehung zu raten. Wir brauchen im Verfahren gegen diese Berater die Aussage des Steuerpflichtigen, die er aber nie machen würde, wenn er sich dadurch selbst belastet. Also brauchen wir auch hier die strafbefreiende Selbstanzeige, um dem Beratungsmissbrauch einen Riegel vorzuschieben.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich gebe gerne zu, dass wir in der Vergangenheit auch unbefriedigende Fälle hatten. Wir hatten Fälle, in denen sehr berechnend mit der Selbstanzeige umgegangen worden ist; wir alle kennen sie. Wir werden uns – das ist auch richtig – mit einer Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige anhand der Liste der Vorschläge der Bund-Länder-Kommission beschäftigen, die über ziemlich viele Seiten dargestellt hat, wo Verschärfungen sinnvoll und wo Verschärfungen nicht sinnvoll sind. Finanzminister Schäuble hat einige Beispiele genannt. Ja, natürlich können wir über den Zeitraum nachdenken, darüber, ob es richtig ist, fünf Jahre zu erklären und das sechste hinterzogene Jahr weiter zu verschweigen. Wir können darüber diskutieren, ob es richtig ist, dass derjenige, der sich selbst anzeigt, hinterher wirtschaftlich günstiger dasteht, als wenn er von Anfang an die Steuern richtig gezahlt hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

All diese Fälle wollen wir nicht. Für all diese Fälle ist die Selbstanzeige auch nicht geschaffen worden, sondern nur für den, der tatsächlich steuerehrlich in die Zukunft gehen möchte. Ihm möchten wir diesen Weg ebnen, weil es im Sinne unserer Gemeinschaft ist, dass die Steuern eingenommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die strafbefreiende Selbstanzeige muss aber für den Steuerpflichtigen berechenbar sein. Das heißt, er muss wissen, was auf ihn zukommt. Seine Steuerberater und Anwälte müssen wissen, was sie ihrem Mandanten raten. Sie müssen auch sicher sein, dass das, was wir von ihm verlangen, möglich ist. Kontoauszüge der letzten 20 Jahre zu verlangen, ist ganz sicher nicht möglich. Die Frage, wie weit man steuerehrlich sein kann, wird man im Einzelfall beurteilen müssen. Wir müssen darauf achten, dass die betreffenden Mandanten das, was wir beschließen, auch erfüllen können, um das Instrument der Selbstanzeige nicht kaputtzumachen.

In diesem Zusammenhang müssen wir auch über das Steuergeheimnis sprechen; denn es steht nirgendwo in der Abgabenordnung, dass das Steuergeheimnis für Prominente und Politiker nicht gilt. Wir müssen die Möglichkeiten bieten, mit der strafbefreienden Selbstanzeige das Leben zu regeln, ohne jeden Tag in den Zeitungen dieser Republik durch den Dreck gezogen zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das mag vielleicht zu Recht geschehen. Dennoch ist es nicht richtig. Die Strafe, an den Pranger zu stellen, sieht die Abgabenordnung nicht vor.

Abschließend: Wir haben auch andere Möglichkeiten. Wir sollten Steuerhinterziehung direkt verhindern. Wir haben heute Morgen im Finanzausschuss über den automatischen Informationsaustausch gesprochen. Wir diskutieren über BEPS, mit dem wir wirtschaftlich unvernünftige Steuergestaltungen verhindern wollen. Wir wollen also zukünftig Wege der Steuerhinterziehung erst gar nicht ermöglichen. Verhinderte Steuerhinterziehung verhindert auch eine strafbefreiende Selbstanzeige. Das werden wir in dieser Legislaturperiode auf jeden Fall weiter forcieren, und zwar auf allen Ebenen. Ich freue mich über jeden, der dabei ist.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Wort hat der Kollege Dr. Thomas Gambke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3123227
Wahlperiode 18
Sitzung 13
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Steuerhinterziehung
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