20.02.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 17 / Tagesordnungspunkt 2

Armin SchusterCDU/CSU - Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Öffentlichkeit schockiert, Zuwanderinnen und Zuwanderer verunsichert, die Menschen im Land erschüttert, Sicherheitsexperten sprachlos – das wurde ja schon beschrieben –, so war jetzt lange der Zustand oder ist der Zustand immer noch. Deshalb, finde ich, sollten wir das ganz starke Signal, dass wir überfraktionell diese Einigkeit haben, nicht überlagern durch eine Debatte, in der vielleicht hier noch ein bisschen eigenes Votum betont wird, Frau Pau, vielleicht dort noch ein bisschen Votum betont wird, Frau Mihalic. Dass der Deutsche Bundestag so einig zusammensteht, ist ein unglaublich gutes Signal.

Ich will Ihnen helfen. Ich würde Ihnen nicht die Frage stellen, ob wir das PP Köln abschaffen sollen; das machen wir natürlich nicht. Ich glaube einfach, dass es eine Nummer zu hart ist, zu sagen: Wir schaffen den Verfassungsschutz ab, bauen ihn dann neu auf. – Gehen Sie doch mit uns den Weg der Reform! Da können Sie im Prinzip das Gleiche tun. Wir haben ja nicht gesagt, wie stark wir reformieren.

Frau Pau, es ist nicht wertlos, wenn ich Ihnen sage: Es wäre schon wahnsinnig gut, wenn die Linke einmal ihr Verhältnis zu dem Begriff „Nachrichtendienst“ entdecken würde. Wir sprechen von Nachrichtendiensten und nicht von Geheimdiensten.

(Martina Renner [DIE LINKE]: Das ist doch das Gleiche!)

Ich könnte mir sogar vorstellen, einen Geheimdienst abzuschaffen; aber nicht einen Nachrichtendienst. Den braucht dieses Land.

(Beifall bei der CDU/CSU – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Euphemismus!)

Wer den Empfehlungskatalog intensiv studiert, erkennt unendliche Chancen, die Sicherheitsarchitektur Deutschlands weiterzuentwickeln. Es ist nötig. Wir haben im September 2013 von einem erheblichen Systemversagen der deutschen Sicherheitsdienste gesprochen, nicht nur der Polizei und des Verfassungsschutzes, sondern auch der Justiz, der Gesellschaft, der Parlamente und der Regierungen in Bund und Ländern. Wenn man ein solch hartes Urteil fällt, wartet man natürlich auf das Echo der Menschen draußen. Ich reise viel zum Thema NSU durch das Land. Vor allem nach den Vorträgen sagen die Leute mir: Sie haben recht. – Vorher sind sie alle ziemlich angefasst, als würde man in einer Wunde herumstochern. Wenn man mit ihnen spricht, dann merken die Leute, dass sich etwas tun muss.

Der Bundespräsident hat den Untersuchungsausschuss im Januar 2013 gefragt: Was ist das wichtigste Ziel Ihrer Arbeit? – Wir haben übereinstimmend gesagt: Dass das Thema in der 18. Wahlperiode unverändert wieder auf der Tagesordnung ist und wir nicht zur Tagesordnung übergehen.

Das haben wir in drei Punkten erreicht.

Erstens. Der Bundesinnenminister hat es vorgetragen. Sehr wohltuend waren die Äußerungen des Bundesjustizministers, die mir gut gefallen haben, weil der Aspekt der Justiz sehr stark im Vordergrund stand.

Zweitens. Der Koalitionsvertrag beinhaltet das Thema geradezu prominent. Das hätte ich mir gar nicht so gut vorstellen können. Herzlichen Dank an die Verhandler!

Drittens. Dass wir die Empfehlungen heute in einem fraktionsübergreifenden Antrag behandeln, bekräftigt die Ernsthaftigkeit unseres Vorhabens. Wir wollen unbedingt weitermachen. So scharf, wie es einige vor mir getan haben, formuliere ich das jetzt einmal nicht. Ich versuche es noch auf die konziliante Art. Wir brauchen die Länder – wenngleich ich da, Stichwort Baden-Württemberg, so meine Zweifel habe –, wir brauchen ihre Bereitschaft, wir brauchen ihre Mitwirkung. Dieser überfraktionelle Konsens ist auch deshalb so wichtig, weil Sie alle mithelfen können, weil Sie überall mitregieren. Bitte nutzen Sie Ihre Vernetzung und Ihre Kontakte. Wir müssen die Länder bewegen.

Wer hochflexible Ermittlungsgruppen in überregionalen Verfahren möchte, muss eine Lösung zwischen Bund und Ländern finden. Wer eine Zusammenarbeit zwischen den Ländern, zwischen Bund und Ländern, zwischen Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaften erreichen und dabei noch das Trennungsgebot verfassungskonform weiterentwickeln will, braucht eine große Übereinstimmung. Die Aus- und Fortbildung von Mehmet und Aischa müssen wir deutschlandweit in 16 Ländern und im Bund harmonisieren.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Und von Heiko und Thomas auch!)

– Von Heiko und Thomas auch. – So etwas konnten wir bisher. Ich hoffe, von der Innen- und Justizministerkonferenz Impulse für das Land zu bekommen.

Meine Damen und Herren, der Fall des NSU ist für die föderale Sicherheitsstruktur nicht einzigartig. Wenn wir uns den spektakulärsten ungelösten Fall organisierter Kriminalität in diesem Land vornehmen und analysieren würden, was würden wir feststellen? Die Täter operieren länderübergreifend, nutzen ganz stark IT-Strukturen. Die Zuständigkeit unserer Behörden würde sich wahrscheinlich über eine Vielzahl von LKA, Staatsanwaltschaften, den Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutzämter etc., etc. erstrecken. Wo liegt der Unterschied? Nicht nur aus dem NSU-Bericht, sondern auch aus den künftigen und heute schon vorhandenen Bedrohungsszenarien ziehe ich meine Motivation, die Forderung zu erheben, besser überregional zu kooperieren, bessere gemeinsame Best-Practice-Standards zu etablieren, verlässlichere Kommunikations- und Führungsstrukturen in diesem Land zu schaffen.

Qualität ist ein Markenzeichen Deutschlands. Qualität entsteht am besten dezentral. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass die föderale Struktur für uns gut ist. Um es mit den Worten von Tomasi di Lampedusa zu sagen: Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich verändert. Deshalb möchte ich weiter Finger in Wunden legen. Deshalb sind jetzt, vor allen Dingen in den Parlamenten und Regierungen, Vorbilder gefragt, die sich nicht abgrenzen, sondern kooperieren wollen. Deshalb möchte ich die Arbeit an der deutschen Sicherheitsarchitektur sogar institutionalisieren. Herr Bundesinnenminister, ich fand Ihre Idee richtig – ich lobe Sie in jeder Rede für den damaligen Vorschlag –, die Sicherheitsarchitektur in Deutschland von einer Kommission analysieren und bewerten zu lassen. Ich würde mich freuen, wenn es dazu wieder käme. Ich könnte mir übrigens auch vorstellen, dass, wenn Sie ressortübergreifend und Bund-Länder-übergreifend 50 Empfehlungen in Sachen NSU-Folgerungen zu koordinieren haben, auch da eine symbolhafte Institutionalisierung in Form einer Geschäftsstelle, eines Beauftragten das deutliche Signal – nach innen wie nach außen – senden könnte: Wir meinen es ernst.

Meine Damen und Herren, wer die Sicherheitsarchitektur fortentwickeln will, hat zwei gute Gründe: erstens die modernen Erscheinungsformen der Kriminalität und zweitens das Versprechen, das wir einzulösen haben, das Versprechen, das wir den Hinterbliebenen der Opfer des NSU-Terrortrios hier in diesem Hause gegeben haben: Wir wollen erst ruhen, wenn alle Empfehlungen, die wir geben konnten, umgesetzt wurden, sodass das nie wieder passiert.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat der Kollege Sönke Rix das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3146570
Wahlperiode 18
Sitzung 17
Tagesordnungspunkt Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
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