Henning OtteCDU/CSU - Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeswehr ist als Streitkraft der Bundesrepublik Deutschland eine Parlamentsarmee. Das hat historische Gründe und verlangt von der jeweiligen Bundesregierung eine besondere Rechtfertigung und Begründung für die Entsendung deutscher Soldaten in Einsätze, die außerhalb unseres Landes stattfinden. Daran gibt es gar keinen Zweifel. Die Linken tun gerade so, als stünde der Weltuntergang kurz bevor. Ich kann auch der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nur sagen: Lassen Sie die Kirche im Dorf.
Ich will versuchen, aufzuzeigen, wie die Sachlage wirklich ist. Mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz, das 2005 in Kraft getreten ist, wurde eine Praxis bei Auslandseinsätzen bestätigt, die auf ein Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1994 zurückgeht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz regelt die Beteiligung der Legislative in Deutschland, also des Deutschen Bundestages, an der Entscheidung über Einsätze von Streitkräften im Ausland. Mit diesen weitreichenden Bestimmungsrechten soll mit dem sogenannten Parlamentsvorbehalt erreicht werden, dass Soldaten nicht ohne Zustimmung des Parlaments in Auslandseinsätze entsendet werden dürfen, bei denen sie in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden oder eine Einbeziehung zu erwarten ist. Die Bundesregierung muss daher rechtzeitig vor Beginn des Auslandseinsatzes einen Antrag mit detaillierten Angaben zu den Kosten, zu der geplanten Zahl der Soldaten, zu den Fähigkeiten und zur voraussichtlichen Dauer des Einsatzes stellen.
Vorbereitende Maßnahmen, Hilfs- und humanitäre Einsätze, bei denen Waffen nur zur Selbstverteidigung mitgeführt werden, gelten nicht als Einsatz. Eine Einschränkung besteht bei Gefahr im Verzuge oder bei Rettungsmissionen, wenn durch Bekanntwerden dieser Mission die zu Rettenden in Gefahr geraten. Hier muss die Bundesregierung den Deutschen Bundestag aber sofort anschließend und umfassend mit diesem Auftrag befassen. Verweigert das Parlament die nachträgliche Zustimmung, dann ist der Einsatz zu beenden. Es besteht also ein sogenanntes Rückholrecht.
Für kleinere Auslandseinsätze mit wenigen Soldaten gibt es ein vereinfachtes Verfahren; Herr Gehrcke, Sie haben das angesprochen. Da reicht es, wenn die Fraktionsvorsitzenden, die Ausschussvorsitzenden oder die Obleute des Verteidigungsausschusses oder des Auswärtigen Ausschusses informiert werden. Es handelt sich dabei aber nicht um privilegierte Abgeordnete: Sie werden ja aus der Mitte des Deutschen Bundestages bestimmt. Von daher ist dem Demokratieanspruch hier auch ausreichend Rechnung getragen. Man kann zusammenfassend sagen, dass sich das Parlamentsbeteiligungsrecht in den vergangenen Jahren in der parlamentarischen und auch in der sicherheitspolitischen Praxis bewährt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Richtig ist: Nicht eine Kabinettsentscheidung über ein Mandat wurde von diesem Parlament verhindert. Kein Einsatzmandat erging zu spät, weil das Parlament zu lange diskutiert hatte. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Das bewirkt auch eine zusätzliche gesellschaftspolitische Rückendeckung für die Einsätze unserer Soldatinnen und Soldaten, weil immer zumindest die Mehrheit der Volksvertreter eine solche Mandatierung beschließt und damit beauftragt.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Dann lasst das doch so!)
Durch die öffentliche Debatte im Deutschen Bundestag, wie auch heute Morgen, ist die Öffentlichkeit über die Mandatierung und den Willensbildungsprozess informiert und wird auch, wie es auf Neudeutsch heißt, mitgenommen. Manch ein Land beneidet uns um den Parlamentsvorbehalt. Jede Befassung des Parlaments mit einer Mission der Streitkräfte bringt eine breit angelegte sicherheitspolitische Debatte mit sich: Jeder ist gut informiert.
Und doch lohnt es sich, meine Damen und Herren, über eine Weiterentwicklung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes nachzudenken und es auch in gewissem Maße zu überprüfen; denn die politische Lage entwickelt sich eben auch weiter. Insgesamt hat sich die Bundeswehr seit 1990 an mehr als 130 humanitären Einsätzen beteiligt. Seit 1990 hat sich die Bundeswehr an friedenserhaltenden und friedensstiftenden Einsätzen beteiligt, auch „out of area“, also außerhalb des NATO-Gebietes.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Na also!)
Dies ist nach Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz abgedeckt, da diese Einsätze im Rahmen des Systems der gegenseitigen und kollektiven Sicherheit erfolgen.
Die Bundeswehr leistet hierbei einen sehr erfolgreichen und wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Terror und war in Spitzenzeiten wie zum Beispiel 2002 mit über 10 000 Soldatinnen und Soldaten an Einsätzen beteiligt. Zurzeit sind ungefähr 4 800 Soldaten im Einsatz. Für diesen Dienst für Frieden, Freiheit und Sicherheit danken wir als CDU/CSU-Fraktion und als Koalition unseren Soldaten sehr herzlich.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Alle Einsätze erfolgen hierbei in verbündeten Strukturen, stets mit anderen Nationen im Rahmen der Europäischen Union und der NATO, teils sogar nicht nur nebeneinander, sondern zunehmend auch in integrierten militärischen Stäben und Verbänden; einige Beispiele sind heute angeführt worden. Bei Aufklärungsmissionen, bei der medizinischen Versorgung, bei der Luftbetankung kann man darüber nachdenken, ein Grundmandat zu erteilen, das konkret und präzise gefasst ist und bis auf Widerruf gelten könnte.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch eine Vorratsmandatierung!)
Eine solche Anpassung würde auch dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts zur Abstufung der Regelungsdichte nachkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wollen hierzu schlicht und einfach eine Kommission einsetzen, die diese Sachlage einmal überprüft. Liebe Frau Kollegin Keul, die Experten, die dort sitzen, sind ja wohl allesamt fernab davon, einer parteipolitischen Ideologie zu folgen.
(Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Auch als ehemaliger Verteidigungsminister? – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie jetzt doch selber nicht! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir die ja auch zusammen bestimmen!)
Da kann man nur sagen: Lassen Sie doch diese Experten erst einmal zu Wort kommen! Haben Sie doch nicht den Anspruch, immer schon vorher zu wissen, was dabei herauskommt, weil Sie Ihre Meinung schon festgelegt haben! Wir sollten diese Expertise unvoreingenommen nutzen und auf die Ergebnisse warten.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade Herr Rühe hat ja überhaupt keine parteipolitischen Interessen!)
Ziel der Kommissionsarbeit sollte es sein, die Handlungsfähigkeit der Bündnisse mit dauerhaften Stäben, Fähigkeiten und Verbänden noch weiter zu erhöhen und unsere Bündnisfähigkeit zu stärken, gegebenenfalls zu präzisieren. Bei bewaffneten Einsätzen mit militärischem Wirkzusammenhang sollte jedoch die nationale Verantwortung nicht aus der Hand gegeben werden. Wir sind gespannt auf die Arbeit der Kommission. Über die Ergebnisse wollen wir dann in den einzelnen Arbeitsgruppen, im Auswärtigen Ausschuss und dem Verteidigungsausschuss miteinander diskutieren und sie bewerten. Darauf freuen wir uns.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3210970 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 21 |
Tagesordnungspunkt | Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr |