Hans-Peter UhlCDU/CSU - Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der Linken, ich habe Ihren Reden aufmerksam zugehört, in denen Sie Ihre Befürchtungen und Sorgen zum Ausdruck gebracht haben, dass wir in der Großen Koalition das Grundgesetz mit Füßen treten und den Parlamentsvorbehalt abschaffen wollen. Sie wollen noch nicht einmal der Kommission beitreten, weil Sie bei diesem rechtswidrigen Treiben auf keinen Fall dabei sein wollen. Wehret den Anfängen! So kann es nicht sein. – Das ist Ihre Position.
Lassen Sie mich einen versöhnlichen Vorschlag machen – vielleicht nur an die Grünen; denn ich weiß nicht, ob bei Ihnen von der Linken noch etwas zu retten ist –:
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Immer wieder versuchen! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Wir geben Sie auch nicht auf!)
Gehen Sie in die Kommission! Nach dem Proporz stehen Ihnen dort zwei Plätze zu. Ich mache Ihnen auch einen personellen Vorschlag. Ich bedauere zutiefst, dass mein guter Freund von der deutschen Sozialdemokratie, Dieter Wiefelspütz, heute nicht anwesend ist.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist ja nicht mehr im Parlament!)
Er war immer mächtig stolz auf seine wissenschaftlichen Ausarbeitungen, die zum Teil sehr profund waren.
(Zuruf von der SPD: Nicht nur zum Teil!)
Genau zu diesem Thema hat er ein umfangreiches Werk – ich glaube, es war sogar seine Doktorarbeit – mit dem Titel „Das Parlamentsheer“ geschrieben. Man stelle sich vor, welch flammende Rede er heute von diesem Podium aus gehalten hätte, und zwar mit hochtheatralischem Aufschlag!
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen, Dieter Wiefelspütz als Ihren Vertreter in der Kommission vorschlagen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Es gibt keinen besseren Anwalt für die Anliegen der Grünen in dieser Kommission als Dieter Wiefelspütz von der SPD.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wen haben Sie denn für uns?)
– Die Zeit ist fortgeschritten. Wir wollen die Sache nicht über Gebühr verlängern.
Als Jurist lernt man gleich zu Beginn: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. – Das gilt vor allem für einen Blick in das Grundgesetz. Da werden Sie Überraschendes feststellen. Bei einem Blick in das Grundgesetz lernen wir, dass in diesem Zusammenhang vom Parlament überhaupt keine Rede ist. Die Zuständigkeit für den Einsatz der Streitkräfte im Verteidigungsfall geht auf die Kanzlerin über. Ansonsten verbleibt die Zuständigkeit bei der Verteidigungsministerin. Nur diese beiden Damen sind zurzeit in diesem Land für solche Einsätze zuständig.
(Rainer Arnold [SPD]: Das Parlament stellt den Verteidigungsfall fest!)
Es könnte sich im Notfall auch einmal um Männer handeln. Schließlich reden wir über eine abstrakte Verfassungslage und nicht über eine konkrete Rollenverteilung.
(Heiterkeit – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Jetzt ist Herr Uhl schon einmal auf so einem weiblichen Weg!)
Darf der Kollege Meiwald Ihnen eine Zwischenfrage stellen?
Wenn es denn sein muss.
Vielen Dank, Herr Kollege Uhl. – Ich will es nicht in die Länge ziehen. Aber der Personalvorschlag, den Sie uns gerade unterbreitet haben, sorgt für eine gewisse Erheiterung. Damit verhält es sich so, als ob wir Ihnen vorschlagen würden, Franz Alt zum Vorsitzenden der Atomendlagersuchkommission zu machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Nein, das macht bei uns Heiner Geißler!)
Er kommt aus Ihren Reihen. Insofern wäre das eine Option, über die man in diesem Zusammenhang reden könnte.
Vielen Dank.
Zu solchen Vorschlägen und Vergleichen pflegt Ihr Parteikollege Trittin zu sagen: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. – So habe ich es neulich von ihm in einer Talkshow gehört. Er ist zurzeit jeden Abend in Talkshows zu sehen. Da können Sie solche Sachen hören.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bloß kein Neid!)
– Ich bin nicht neidisch. Herr Trittin hat genauso wie einige andere aus meiner Fraktion ein Abonnement auf Talkshows; das ist nun einmal so. Deswegen lohnt es sich auch nicht, Talkshows anzuschauen.
Zurück zum Blick in das Grundgesetz. Dort ist es – wie beschrieben – so geregelt. Dann kam die Out-of-Area- Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994. Darauf folgte 2005 – so will ich es einmal bezeichnen – das Parlamentsheergesetz. Das heißt, im Grundgesetz steht davon nichts.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt!)
Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Die Begründung des Verfassungsgerichts, dass der Parlamentsvorbehalt einer Verfassungstradition seit 1918 entspreche, ist einfach nicht ganz korrekt. Dennoch ist das Ergebnis richtig. Wir alle wollen den Parlamentsvorbehalt. Das heißt, hören Sie bitte auf, uns zu unterstellen, dass wir den Parlamentsvorbehalt einschränken, abschaffen oder sonst etwas damit machen wollen. Nein, es geht darum, dass wir das Gesetz weiterentwickeln, evaluieren und vor dem Hintergrund der Entwicklungen überprüfen müssen.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, klar; aber sie ist auch eine Bündnisarmee. Dass daraus Zielkonflikte entstehen können, ist doch evident. Dass man sich darüber in dieser Kommission unterhalten muss, ist auch klar. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses, die Internationalisierung der Truppenaufstellung und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind Bündnisverpflichtungen, die in einem gewissen Zielkonflikt zum Parlamentsvorbehalt stehen können. Ich möchte auf Cyberwar-Fragen gar nicht eingehen, weil man sich durchaus vorstellen kann, dass hier die Vorgabe einer Parlamentsentscheidung besondere Probleme bereiten kann.
Lassen Sie mich auf die Sinnhaftigkeit der Verpflichtung des Parlaments kurz eingehen. Ich halte es, gerade wie Sie es dargestellt haben, aber mit umgekehrter Zielsetzung, für ganz wichtig, dass man das Parlament einschaltet, wenn es darum geht, die Ultima Ratio der Politik zum Einsatz zu bringen. Wir erleben es gerade jetzt bei der Diskussion über die Ukraine. Wir sagen alle durch die Bank, alle Fraktionen: kein Militäreinsatz in diesem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Alle sagen das. Aber es gibt andere Fälle – und es gab sie bereits –, in denen wir, bis auf die Linken, sagen: Ein Militäreinsatz ist als Ultima Ratio unumgänglich. Da ist es für uns, für die deutsche Gesellschaft und vor allem für die Soldaten wichtig, zu wissen, wer hinter ihnen steht, wenn sie in solche Einsätze, in denen es um Leben und Tod geht, geschickt werden.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist völlig richtig!)
Wer begründet den Einsatz, und wie wird er begründet? Wie lange soll der Einsatz gehen und warum? Das ist sehr wichtig. Deswegen wollen wir den Parlamentsvorbehalt. Wir wollen damit auch darstellen, wer verantwortungsbewusst genug und regierungsfähig ist, wer die Geschicke unserer Menschen verantwortungsbewusst in die Hand nehmen kann. Da gehören ewige Verweigerer, die die Verantwortung nicht übernehmen, wie zum Beispiel die Partei der Linken, erkennbar nicht dazu.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das entscheiden die Wähler und nicht Sie!)
Interessant ist auch ein internationaler Vergleich. Wie gehen andere demokratisch strukturierte Staaten, Parlamente und Rechtsstaaten damit um? Alle Spielarten gibt es. Es gibt nicht nur einen Weg des Parlamentsvorbehalts. Es gibt die Möglichkeit, dass nur bestimmte Militäreinsätze dem Parlament vorgelegt werden. Dafür gibt es Beispiele. Es gibt zum Beispiel das Vetorecht des Parlaments. Das haben Irland, Schweden und die Schweiz, mehr Staaten nicht. Das ist also nicht ein konstitutiver Akt, sondern nur ein Vetorecht. Es gibt auch die Möglichkeit der nachträglichen Zustimmung, die es bei uns zwar auch gibt, aber nur im Ausnahmefall. Diese gibt es als Regelfall in Österreich, in Japan und in Tschechien.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das entspricht aber nicht unserer Verfassung!)
Es gibt die Möglichkeit, das Parlament überhaupt nicht zu beteiligen, wenn es um Einsätze in Bündnisstrukturen der NATO oder der EU geht. Diese Regelung haben die osteuropäischen Länder. Das ist verständlich aus ihrer Vergangenheit. Es gibt die Möglichkeit, das Parlament lediglich zu konsultieren. Diese Regelung wird beispielsweise in den Niederlanden angewandt. Es gibt also eine ganze Fülle von Möglichkeiten, die man in der Kommission erörtern und dem Parlament vorlegen kann. Dann können Sie sich über das Ergebnis der Kommission, das zu einem Gesetz gemacht werden wird, aufregen oder auch nicht aufregen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das alles ist jenseits unserer Verfassung! Das ist Ihnen klar, ja?)
Lassen Sie mich zum Schluss ein Letztes zum Thema „Polizeieinsätze und Parlamentsvorbehalt“ sagen. Als früherer Innenpolitiker habe ich dazu eine Anmerkung. Ich habe in der letzten Legislaturperiode versucht, einen entsprechenden Antrag ins Parlament zu bringen, weil ich das Bedürfnis verspüre, dass wir Polizeieinsätze im Ausland parlamentarisch begleiten, aber nicht in dem Sinne, dass jeder einzelne Polizeieinsatz vorher im Parlament genehmigt werden muss, sondern dass wir eine abstrakt-generelle Regelung finden, wann wir die Polizei ins Ausland entsenden wollen und wann nicht. Es gibt Beispiele dafür, dass Polizeieinsätze im Ausland gescheitert sind, ohne dass man daraus einen Vorwurf ableiten könnte. Wir hatten von der EU den Auftrag, in Weißrussland für die Polizeiausbildung zu sorgen, haben aber feststellen müssen, dass der dortige Diktator seine Polizei auf schändliche Weise missbraucht. Dann wurde der deutschen Polizei zum Vorwurf gemacht, dass sie dort tätig war. Meine Damen und Herren, so etwas muss im Parlament festgelegt werden. Das darf nicht auf dem Rücken der Polizeibeamten ausgetragen werden. Deswegen bin ich für eine abstrakt-generelle Regelung, wann unsere Polizei im Ausland tätig ist, aber nicht für einen generellen Parlamentsvorbehalt, wie er für das Militär gilt. Für das Militär muss er natürlich gelten.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Roderich Kiesewetter für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
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Electoral Period | 18 |
Session | 21 |
Agenda Item | Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr |