Johann WadephulCDU/CSU - Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beenden heute eine kurze, aber hochqualifizierte und auch interessante Beratung, die wir in der vergangenen Woche in diesem Hohen Hause begonnen und zwischenzeitlich im Auswärtigen Ausschuss und in den mitberatenden Ausschüssen fortgesetzt haben.
Positiv formuliert kann man sagen: Der Anstoß, den der Koalitionsvertrag gegeben hat, ist von allen Fraktionen aufgenommen worden. Das heißt, alle Fraktionen sind sich einig darin, dass es sinnvoll ist, die Frage der Wahrung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen dahin gehend zu überprüfen, ob sie zeitgemäß sind, ob sie effektiver werden können und was wir angesichts einer neuen Sicherheitslage gegebenenfalls zu verändern haben. Das ist insgesamt ein erfreuliches Zwischenergebnis einer Debatte, die aus der Mitte der Unionsfraktion schon in der vergangenen Legislaturperiode angeschoben worden ist. Wir freuen uns, dass eine Diskussion über diese Fragen möglich ist.
Wir tun das in dem Bewusstsein, dass die Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen ein wirkliches Juwel unserer parlamentarischen Arbeit sind, welches wir sichern wollen. Wenn man betrachtet, was nach dem Zweiten Weltkrieg in der Verfassung an Parlamentsrechten festgeschrieben worden ist und durch Entscheidungen des Verfassungsgerichts bestätigt worden ist, dann wird klar, dass die Frage der Feststellung des Verteidigungsfalls sozusagen noch in die alte Sicherheitsarchitektur zur Zeit des Kalten Krieges gehört. Unter den Bedingungen einer Einsatzarmee gehört die Festschreibung dieses Parlamentsrechts zu den wirklichen parlamentarischen Errungenschaften, auf die wir stolz sein können. Diese Rechte sind vom Bundesverfassungsgericht regelmäßig gestärkt worden.
Wenn wir diese Rechte effektiv wahrnehmen wollen, müssen wir sie aber regelmäßig überprüfen. Das soll jetzt geschehen. Ich freue mich, dass es dazu auch konstruktive Vorschläge aus anderen Fraktionen gibt, wiewohl ich diejenigen der Linksfraktion nicht dazu zählen kann; denn wer ernsthaft erwägt, die Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr an eine Zweidrittelmehrheit zu binden, der will nicht, wie es im Antrag steht, die Legitimationsqualität erhöhen, sondern der verfolgt natürlich ganz andere politische Ziele. Das ist nicht weiter verwunderlich; das sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber vielleicht ehrlicherweise sagen. All diejenigen in den anderen Fraktionen, die noch glauben, dass man mit dieser Fraktion eine zuverlässige und in der NATO, in der Europäischen Union und in der UNO kalkulierbare Sicherheitspolitik betreiben kann,
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mehr Demokratie wagen!)
werden hier wieder einmal eines Besseren belehrt: Mit dieser Fraktion kann man das nicht erreichen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben uns intensiv bemüht, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einzubeziehen. Weil das im Auswärtigen Ausschuss von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Grünenfraktion, ein bisschen kritisch beleuchtet worden ist, was Ihr gutes parlamentarisches Recht ist, will ich dazu Folgendes sagen: Ein entsprechender Koalitionsantrag ist Ihnen am 25. Februar 2014 zugeleitet worden. Wir haben erst zehn Tage danach erste Vorschläge von Ihnen dazu erhalten. Wer aus dem Koalitionsvertrag weiß, was wir wollen, wer rechtzeitig vor Beginn der ersten Lesung einen Antrag von uns bekommt, wer sich dazu äußern kann, wer sich einbringen kann, der sollte nicht im Ernst so tun – so habe ich das im Auswärtigen Ausschuss verstanden
(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Frau Kollegin Künast, Sie waren nicht dabei –, als hätte es hier kein vernünftiges Zugehen der Großen Koalition auf die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegeben. Wir haben versucht, Sie einzubinden. Wenn Sie am Schluss nicht mitwirken wollen, dann muss man das hier auch ehrlich sagen. Dann werden wir unseren Antrag hier durchsetzen. Aber bitte unterlassen Sie an dieser Stelle die formelle Verfahrenskritik. Sie ist unberechtigt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In der Sache muss man sagen: Wer eine Expertenkommission einsetzen will – wir sind die Letzten, die ihr Licht unter den Scheffel stellen – und sie, wie die Grünen, allein mit Parlamentariern besetzen will, der wird natürlich relativ wenige Anstöße von draußen bekommen, was juristische, sicherheitspolitische und militärpolitische Fragen angeht. Wir wollen die Expertise zu uns holen.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir auch!)
– Ja. Das, was Sie machen wollen, ist aber klassisch das, was wir in jeder Ausschusssitzung machen können, wenn wir eine Anhörung durchführen. Das können wir jederzeit machen, ob im Verteidigungsausschuss oder im Auswärtigen Ausschuss. Das werden wir auch wieder machen. Das wird man möglicherweise auch danach noch machen wollen und natürlich auch können. Aber wir wollen eine Kommission einsetzen, durch die wir den Blick von draußen in unsere Parlamentswelt hineinholen. Ich glaube, das ist ein guter und wichtiger Ansatz, der unsere Arbeit am Schluss nur befruchten kann und sinnvoll ist. Deswegen möchte ich Sie ganz herzlich bitten, sich dem zu öffnen.
Es bleibt dabei: Es gibt neue Bedingungen, auf die wir uns einstellen müssen. Wir haben es mit neuen sicherheitspolitischen Anforderungen zu tun. Es gibt mehr Zusammenarbeit mit Partnern als noch vor wenigen Jahren. Wir haben weniger Haushaltsmittel zur Verfügung.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben denn die Haushaltsmittel damit zu tun?)
Deswegen ist es gut, dass wir eine Kommission bitten können, uns zu beraten. Die Schlussentscheidung trifft der Deutsche Bundestag – das steht vollkommen außer Frage; niemand wird das befolgen müssen, was von der Kommission vorgeschlagen wird –, und es bleibt bei einem starken Parlamentsrecht. Aber es ist gut, dass diese Kommission ihre Arbeit aufnehmen kann.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Dr. Alexander Neu, Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Linke hat letzte Woche angekündigt, einen eigenen Antrag einzubringen. Das haben wir nun gemacht. Er liegt Ihnen vor.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Aber viel zu spät! Und viel zu schlecht!)
Der eine oder andere von Ihnen mag sich fragen, warum die Linke das Parlamentsbeteiligungsgesetz so verteidigt, wie sie es verteidigt. Das kann ich Ihnen sagen: Obwohl wir gegen Auslandseinsätze sind bzw. gerade weil wir gegen Auslandseinsätze sind, verteidigen wir das Parlamentsbeteiligungsgesetz.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Oh, Sie verteidigen auch mal etwas?)
90 Prozent der gewählten Vertreter in diesem Hause stimmen regelmäßig für Kriegs- und Kampfeinsätze und für Auslandseinsätze
(Michael Brand [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)
– doch, das stimmt –
(Michael Brand [CDU/CSU]: Was denn für Kriegseinsätze?)
und missachten regelmäßig den Mehrheitswillen der Gesellschaft, die zu 75 Prozent gegen Auslandseinsätze ist. Das ignorieren Sie einfach. Das heißt, die Linke ist die einzige Fraktion, die Auslandseinsätze im Sinne des Mehrheitswillens der Gesellschaft ablehnt.
(Beifall bei der LINKEN – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Deshalb haben Sie bei der Bundestagswahl ja auch 80 Prozent bekommen! – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sie machen es sich immer sehr leicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Ui! – Sie sind ja toll!)
Die kuriose Situation, die ich gerade geschildert habe, sehr geehrte Damen und Herren, muss dem Bürger und der Bürgerin deutlich gemacht werden. Daher fordert die Linke die Sicherstellung der Transparenz, der Kontrolle und des Entscheidungsmonopols des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen.
Gerade wurde ein weiterer Punkt angesprochen: die Zweidrittelmehrheit, die wir bei Entscheidungen des Deutschen Bundestages über Auslandseinsätze einfordern. Es kann nicht sein, dass die Entscheidung über Krieg und Frieden, über Leben und Tod von 30, 40 anwesenden MdBs getroffen wird.
(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Hallo? Das ist immer eine namentliche Abstimmung! – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch schon wieder gelogen! Das ist doch unwahr!)
Es müsste so sein, dass mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Deutschen Bundestages anwesend sein und so die Verantwortung für ihr Tun und Handeln übernehmen müssten.
(Michael Brand (CDU/CSU): Das ist doch eine Diffamierung! Das ist doch unwahr! – Manfred Grund (CDU/CSU): Wollen Sie sich korrigieren? Sie haben noch die Möglichkeit! Nennen Sie doch mal konkrete Zahlen! – Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Über welche Einsätze wurde hier denn nicht in namentlicher Abstimmung abgestimmt? – Henning Otte (CDU/CSU): Das war sachlich falsch!)
Nun zum konkreten Problem. Als angebliches Problem deklarieren Sie, das Parlamentsbeteiligungsgesetz stelle eine Behinderung der Arbeit der integrierten Stäbe und integrierten Verbände dar. Genannt werden AWACS-Flugzeuge, Luftbetankung, Lufttransport, NATO-Hauptquartiere, Führungsstäbe etc. etc. Was steckt dahinter? Integrierte Stäbe oder integrierte Verbände sind multinational zusammengesetzt. Das heißt, Franzosen, Deutsche, Briten, Amerikaner etc. arbeiten in diesen Formationen zusammen.
Wenn nun der Parlamentsvorbehalt zugunsten integrierter Stäbe oder integrierter Verbände eingeschränkt werden würde, geschähe Folgendes: Wenn die USA, Frankreich oder Großbritannien mal wieder der Auffassung sind, die Welt vor irgendwelchen Schurken retten und einen Kampf führen zu müssen,
(Michael Brand [CDU/CSU]: Ach, du liebe Güte! Was für ein Niveau!)
die Bundesregierung aber ausnahmsweise nicht mitmachen möchte – siehe den Fall Libyen –, geriete es so, dass die Bundesregierung unter erheblichem Druck der USA, Frankreichs oder Großbritanniens stünde, diesen Einsatz im NATO-Rat oder im Ministerrat der Europäischen Union nicht durch ein Veto zu blockieren. Was wäre die Konsequenz? Die Konsequenz wäre ein Mitmachautomatismus. Genau das wollen Sie. Die Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in den integrierten Stäben und den integrierten Verbänden von EU und NATO müssten dann in den Kampfeinsatz bzw. in den Auslandseinsatz.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Sie machen eine Mitlachstrategie!)
Warum? Weil das souveräne Entscheidungsrecht der Bundesregierung und des Bundestages ausgehebelt und nach Brüssel verlegt worden ist – und das ausgerechnet durch die hier anwesenden Parlamentarier.
(Michael Brand [CDU/CSU]: So ein dummes Zeug!)
Die Entscheidung über Krieg und Frieden, die Entscheidung über Leben und Tod hinge somit von EU- und NATO-Technokraten ab. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Das wollen Sie nicht wirklich.
(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Das glauben Sie auch nicht wirklich, was Sie da sagen! – Michael Brand [CDU/CSU]: Das arrogante Lächeln sagt doch alles!)
Die Linke widersetzt sich diesem Abbau des Parlamentsvorbehaltes und fordert stattdessen seine Ausweitung. Ich habe bei meiner letzten Rede schon einige Lücken aufgezählt. Ich wiederhole sie gerne noch einmal.
Die erste Lücke betrifft die Unterrichtungspraxis bezüglich der Einsätze der Spezialkräfte. Es kann nicht sein, dass von den 631 Abgeordneten gerade einmal 17 darüber informiert werden – halbherzig informiert werden –, ob die SEK M oder die KSK im Einsatz ist.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Sie werfen was durcheinander!)
Die zweite Lücke ist mir heute Morgen noch einmal deutlich geworden, als unsere Kanzlerin gesprochen hat. Es ist das, was man unter die Merkel-Doktrin zu fassen versteht:
(Lachen des Abg. Manfred Grund [CDU/ CSU])
Ausbildungsmission und Rüstungsexport als strategische Instrumente neben Kampfeinsätzen einzusetzen. Warum also keinen Parlamentsvorbehalt für Rüstungsexporte? Das gilt es anzudenken.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das Richtige ist nicht neu, Herr Neu!)
Die dritte Lücke betrifft die Sicherstellung, dass keine unbemannten Waffensysteme, also Drohnen, zum Einsatz kommen. Es gibt einen bekannten Spruch der Friedensbewegung, der hier auf ironische Weise wiederbelebt wird: Stell Dir vor, es ist Krieg, und niemand geht hin. – Damals ahnte noch keiner, dass es einmal so perverse Mordinstrumente wie Killerdrohnen geben würde. Um Krieg führen zu können, muss man nicht mehr in das Einsatzgebiet gehen. Man kann das auch bequem von zu Hause aus mit dem Joystick handhaben.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Wie reden Sie denn über Soldaten?)
Das Parlamentsbeteiligungsgesetz berücksichtigt also dieses Szenario nicht. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz geht von bewaffneten deutschen Streitkräften im Ausland aus, § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1. Der Ausführende im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist also in jedem Fall der Soldat bzw. die Soldatin und nicht irgendwelche Waffensysteme. Es geht also darum, diese Waffensysteme im Parlamentsbeteiligungsgesetz zu berücksichtigen.
Die Linke hat angekündigt, dass sie den Antrag der Regierungsfraktionen ablehnen und sich natürlich auch nicht an dieser Kommission beteiligen wird. Wir werden nicht als Feigenblatt dienen.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)
Wir stimmen dem Antrag der Grünen zu.
(Beifall des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich habe noch eine Bitte an die Regierungsfraktionen: Nehmen Sie die von mir genannten Lücken ernst und sorgen Sie dafür, dass diese geschlossen werden.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Das meinen Sie nicht ernst!)
Danke.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Wir nehmen die Lücken ernst!)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Rolf Mützenich, SPD.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Brand [CDU/CSU]: Danke, dass jetzt Argumente kommen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3231549 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 23 |
Tagesordnungspunkt | Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr |