03.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 26 / Tagesordnungspunkt 3

Karl SchiewerlingCDU/CSU - Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung bringt heute den Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung in die parlamentarische Beratung ein. Ich zolle der Bundesarbeitsministerin, dem Bundesarbeitsministerium und der zuständigen Abteilung Respekt für die Zügigkeit, mit der sie diese Gesetzesinitiative angepackt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es geht in der Tat darum, die Situation vieler Menschen zu verbessern. Für die Union war es im Wahlkampf und auch schon lange davor ein zentrales Anliegen, die Situation der Frauen zu verbessern, die Kinder erzogen haben, aber keine Möglichkeit hatten, Arbeitswelt und Familie miteinander zu vereinen, weil es keine Betreuung über Mittag und keine Kindertagesstätten gab. Ihnen gebührt unser Respekt. Durch die Mütterrente erkennen wir die Erziehungsleistungen dieser Frauen an.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich will an dieser Stelle mit dem Märchen aufräumen, dass die Mütterrente ausschließlich aus Beiträgen finanziert wird. Hören Sie mit dem Unfug auf!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Die Deutsche Rentenversicherung zahlt im Jahr 255 Milliarden Euro aus. Diese Summe wird zu einem Drittel von den Arbeitnehmern finanziert, zu einem Drittel von den Arbeitgebern, und ein Drittel ist Bundeszuschuss. Der Bundeszuschuss beträgt etwa 82 Milliarden Euro. In diesen 82 Milliarden Euro befinden sich 12,6 Milliarden Euro für die Kindererziehungszeiten. Von diesen 12,6 Milliarden Euro geben wir heute etwa 5,9 Milliarden Euro für die Kindererziehungszeiten aus. Die Rücklage von etwa 32 Milliarden Euro setzt sich zusammen aus einem Drittel Beitrag der Versicherten, einem Drittel Beitrag der Arbeitgeber und einem Drittel Steuern.

(Thomas Oppermann [SPD]: So ist es!)

Das entspricht jeweils über 10 Milliarden Euro.

Wir senken den Rentenversicherungsbeitrag nicht. Er bleibt bei 18,9 Prozent. Das hat zur Konsequenz, dass auch der Staat seinen Zuschuss an der Rentenversicherung nicht reduziert und auf diesem Weg auch seinen Beitrag zur Mütterrente zahlt. Deswegen ist diese Regelung verantwortungsvoll.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ändert nichts daran, dass Sie die Rücklage aufbrauchen!)

In der Tat geht es um Zukunftsgerechtigkeit, um Gerechtigkeit gegenüber den zukünftigen Generationen. Wir haben doch nie einen Hehl daraus gemacht, dass diese Mütterrente von denjenigen finanziert werden muss, die jetzt Steuern und Beiträge zahlen. Wir tun das, weil diejenigen, die Kinder erzogen haben, erst dafür gesorgt haben, dass es unserem Land heute gut geht. Deswegen unternehmen wir diesen Schritt. Das ist ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für die Union ist es zentral, dass wir mit Mut und Augenmaß unter Leitung von Angela Merkel an den unter Federführung von Franz Müntefering getroffenen Beschlüssen zur Rente mit 67 festhalten, und zwar einschließlich der abschlagsfreien Rente für diejenigen, die lange gearbeitet haben. Nach 45 Beitragsjahren soll man im Alter von 65 Jahren in Rente gehen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die Begründungen für diese Rentenreform, die wir 2007 durchgeführt haben, haben sich nicht geändert. Die Menschen werden immer älter. Sie leben immer länger, übrigens leben sie auch immer länger gesünder. Die Menschen liegen nicht mit 65 Jahren schlagartig darnieder.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es leben nicht alle immer länger!)

Es ist eine Tatsache, dass immer weniger Menschen geboren werden. Die Grundlagen der Rentenversicherung – das ist eine demografische Frage – haben sich nicht geändert.

Nun haben wir in der Koalition vereinbart, dass wir von diesem Gesetz, das wir 2007 verabschiedet haben, vorübergehend abweichen und denjenigen, die besonders lange gearbeitet haben, die Möglichkeit geben wollen, mit 63 Jahren vorzeitig abschlagsfrei in Rente zu gehen. Ich glaube, dass die Begründungen, die die Bundesarbeitsministerin in ihrem Begleitschreiben zu diesem Gesetzentwurf geliefert hat, Argumente beinhalten, die nicht von der Hand zu weisen sind. Es geht – so steht es in der Begründung – insbesondere um die Menschen, die während der deutschen Wiedervereinigung besondere Nachteile und Schwierigkeiten in Kauf nehmen mussten, die oft unverschuldet arbeitslos wurden, und es geht um die Umbruchsituation in industriellen Kernzonen, zum Beispiel im Ruhrgebiet. Denjenigen, die davon besonders betroffen sind, soll nun in besonderer Weise geholfen werden.

Wir legen großen Wert darauf, dass wir, wenn wir diesen Schritt jetzt gehen, bis 2029, wenn die Rente mit 67 erstmals voll greift, auch die Rente mit 65 nach 45 Beitragsjahren wieder erreicht haben und wir sie so erreicht haben, wie es ursprünglich gedacht war.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesarbeitsministerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es im parlamentarischen Beratungsverfahren noch Veränderungen geben wird. Hier gilt das Stuck’sche Gesetz: Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag so, wie er eingebracht wurde. Wir werden das in guter, fairer und vernünftiger Art miteinander diskutieren und bis zur endgültigen Abstimmung klären.

Damit die Menschen bis 67 arbeiten können, damit die Menschen auch dann, wenn sie gesundheitliche Schwierigkeiten haben, die Möglichkeit haben, ihrem Erwerb nachzugehen und für ihre Altersvorsorge selbst zu sorgen, wollen wir die finanziellen Möglichkeiten der Rehabilitation, der medizinischen wie der beruflichen, verbessern. Der Rehadeckel ist notwendig; denn es muss hier auch Grenzen geben. Ich kann Ihnen einige Fälle nennen, die zeigen, dass zum Teil Rehabilitationen gemacht werden, die in dieser Dimension nicht nötig gewesen wären. Deswegen brauchen wir den Deckel. Aber es muss ein atmender, ein flexibler Deckel sein, der dann ansteigt, wenn viele Menschen davon betroffen sind, und wieder sinkt, wenn weniger Menschen in der entsprechenden Alterskohorte sind. Das halten wir für den richtigen Weg.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sichert nicht, dass jeder eine Rehamaßnahme kriegt, der sie braucht! Darum geht es!)

Deswegen ist der Weg, den wir im Gesetzgebungsverfahren beschreiten, richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben auch die besondere Situation der Menschen im Blick, die krank geworden sind, ohne dass sie etwas dafür können, und eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Ja, wir als Union und übrigens auch unser Koalitionspartner, die SPD, hätten wirklich gerne noch mehr im Bereich der Erwerbsminderungsrente gemacht. Aber wir haben auch andere Ziele im Blick zu behalten, nämlich die Ziele, die der Bundesfinanzminister hat. Es geht dabei darum, die Steuern nicht zu erhöhen und die Staatsausgaben in den Griff zu bekommen, damit wir über diesen Weg eine nachhaltige Grundlage für unser Land schaffen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mütterrente! Da, wo es darauf ankommt, geht Ihnen die Luft aus!)

Diese Ziele setzen uns gewisse Grenzen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ausgerechnet bei den Kranken!)

Auch wir wollen in der Tat flexiblere Übergänge in die Rente. Norbert Blüm hat jüngst in einem Interview dargelegt, dass die Zeit des Gleichmarsches im Industriezeitalter längst vorbei ist. In unserer Gesellschaft gibt es unterschiedliche Lebenssituationen. Es gibt Menschen, die weit länger als bis 67 arbeiten können und das auch gerne möchten. Dann gibt es Menschen, die etwas früher in Rente gehen möchten, und es gibt Menschen, die vor dem Erreichen des Renteneintrittsalters gerne etwas kürzertreten möchten. Wir müssen uns der Verbesserung dieser flexiblen Übergänge annehmen. Die Möglichkeiten, die es heute schon gibt, wollen wir nutzen und gegebenenfalls etwas gängiger machen. Wir werden auch Vorschläge machen, wie wir diese Übergänge für spätere Zeiten gestalten können.

Herr Kollege.

Ich sehe einen zentralen Punkt bei der Rentenreform, über die wir jetzt diskutieren, der auch für die Zukunft wichtig sein wird.

Herr Kollege, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es für die Diskussion weiterer interessanter Gesichtspunkte die erforderliche Zeit nicht mehr gibt?

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Er darf länger! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir sparen das ein!)

Ja. Ich nenne auch keinen weiteren Gesichtspunkt mehr, sondern mache nur noch eine abschließende Bemerkung, Herr Präsident. – Für uns ist zentral, dass die Rentenversicherung das bleibt, was sie ist: eine Rentenversicherung und keine Sozialleistung. Die Rente ist keine Fürsorgeleistung des Staates, sondern selbst erarbeitet. Wir müssen bei allem, was wir tun, darauf achten, dass die Menschen wissen, dass sie das, was sie im Alter bekommen, selbst verdient haben. Rente hat etwas damit zu tun, dass man stolz auf seine Lebensleistung sein kann. Wir wollen die Rahmenbedingungen so setzen, dass diese Systeme nicht vermischt werden und dass die Menschen stolz sein können auf das, was sie geleistet haben. Der Staat wird dies honorieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun Katrin Göring-Eckardt das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/cvid/3271466
Wahlperiode 18
Sitzung 26
Tagesordnungspunkt Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung
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