08.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 28 / Einzelplan 06

Michael HartmannSPD - Innen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich wird es niemanden verwundern, dass die Linke jetzt schon ankündigt, den Haushalt abzulehnen; das ist ja geradezu die Pflicht einer Oppositionsfraktion. Aber, liebe Ulla Jelpke: Trotz allem, was man kritisch oder ablehnend sagen kann, möchte ich gerne die kollegiale Bitte äußern, nicht damit zu beginnen, unseren Sicherheitsbehörden oder anderen vorzuwerfen, sie befänden sich in einer Art Kumpanei mit anderen, die unseren Staat ausspähen oder belasten. Diesen Konsens der Demokraten muss es doch geben. Unsere Sicherheitsbehörden tun ihre Pflicht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herr Minister, wir reden heute keineswegs über den größten Einzelhaushalt, den die Bundesregierung im Portfolio hat. Es geht um bescheidene 6 Milliarden Euro, und das bei insgesamt rund 300 Milliarden Euro. Dennoch hat Ihr Ressort, hat der Innenminister einen riesigen Geschäftsbereich zu verwalten, in dem es oftmals um zentrale und fast immer um heikle Fragestellungen geht. Man denke nur an die innere Sicherheit, den Katastrophenschutz, die Integration, den Datenschutz und – auch nicht immer ganz einfach – das Dienstrecht, das zu verwalten und zu pflegen ist; die Tarifverhandlungen sind ja gerade glücklicherweise schiedlich-friedlich beendet worden. Das sind nicht die populärsten, aber oftmals die wichtigsten Themen.

Jeder erwartet, dass vieles im Stillen funktioniert, keineswegs lautstark und keineswegs mit vielen Ankündigungen und lautem Blasen in die Trompete. Das bedeutet aber, dass die vielen, vielen Mitarbeiter, die insbesondere im nachgeordneten Bereich tätig sind – Sie haben das völlig zu Recht mit Blick auf die Bundespolizei erwähnt –, jeden Tag, sieben Tage die Woche, an 365 Tagen im Jahr ihre Pflicht tun. Deshalb möchte ich ganz ausdrücklich und besonders in Richtung der im Moment etwas arg gebeutelten Sicherheitsbehörden sagen: Herzlichen Dank für Ihre Arbeit und Ihre Pflichterfüllung bei Tag und bei Nacht!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Die Vorgaben, die von dort gemacht werden, sind klar. Deshalb ist auch für uns ganz klar: Es kann nicht so weitergehen, als sei nichts geschehen. Wir müssen uns gemeinsam genau ansehen, was Luxemburg entschieden hat und wie es begründet wurde. Die Kritiker freuen sich heute; die Befürworter sind etwas leise geworden. Das ist in einem Glaubenskrieg – so wurde diese Auseinandersetzung in den letzten Monaten und Jahren ja oftmals geführt – nun einmal so. Entscheidend ist aber, dass jetzt rational abgewogen wird. Europa und das Bundesverfassungsgericht haben klare Vorgaben gemacht. Diese Vorgaben besagen an keiner Stelle, dass es grundsätzlich nicht möglich oder notwendig sei, solche Regelungen einzuführen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie müssen nur richtig gemacht werden. Darüber werden wir jetzt in den nächsten Monaten gemeinsam nachdenken, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Allerdings sage ich auch: Europa hat die Richtlinie zu definieren. In Zeiten der NSA, wo wir gar nicht so sicher sind, was mit den bei uns erfassten Daten geschieht, ist es vielleicht auch einmal klug, etwas Ruhe hineinzubringen und auch genau zu schauen, wie die Daten, die wir erheben – auch im Bereich der Sicherheitsbehörden –, hier geschützt werden können. Das ist, glaube ich, die Maßgabe, nach der wir jetzt weiter diskutieren und reden werden.

Wir haben im Innenbereich auch ansonsten viel Arbeit vor uns. Der NSU wurde von Ulla Jelpke und Ihnen, Herr Minister, bereits erwähnt. Für uns sollte sehr klar sein: Wir machen weiter bei dem, was an Aufarbeitung geschehen ist. Das gilt aber nicht nur für den Bund, sondern mindestens im gleichen Maße auch für die Sicherheitsbehörden der Länder. Es geht dabei nicht nur um den Verfassungsschutz. Auch die Justiz hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als diese Mörderbande durch Deutschland zog. Deshalb gilt es, weiterzumachen, alles umzusetzen, was der Untersuchungsausschuss in einer großen Geste gemeinsam beschlossen hat, es Punkt für Punkt abzuarbeiten. Das sieht unser Koalitionsvertrag vor, und davon werden wir – seien Sie dessen versichert, meine Damen und Herren – keinen Millimeter abweichen.

Bei der anstehenden Diskussion über das Bundesverfassungsschutzgesetz muss es, wie gemeinsam mit den Ländern vereinbart, darum gehen, die Zentralstellenfunktion zu stärken. Das soll nicht die Konsequenz haben, dass die Landesämter, die Landesbehörden ihrer Kompetenzen beraubt werden. Aber vorhandene Daten, vorhandenes Wissen muss endlich zusammengeführt werden, sodass wechselseitiges Nichtwissen es nicht mehr möglich machen kann, dass noch einmal Ähnliches geschieht. Wir müssen Daten austauschen, die Behörden müssen sich in die Augen schauen, und auch die V-Leute müssen viel zentraler geführt werden als bisher.

Die NSA ist das nächste große Stichwort. Wir werden bei der Spionageabwehr viel Kraft und Anstrengung aufwenden müssen, um klarzumachen, dass niemand ohne Weiteres Daten aus Deutschland abziehen kann, ganz egal aus welcher Himmelsrichtung der Angriff auf unsere Daten erfolgt. Es ist wurscht, ob die Lauscher im Osten oder im Westen sitzen: Es geht nicht an – da sind wir in der Tat in einer patriotischen Pflicht –, dass deutsche Staatsbürger beliebig ausgespäht werden, dass Daten von Unternehmen geraubt werden oder dass wichtige Regierungsmitglieder belauscht werden, als wären wir eine Art Feindstaat, als wären wir Nordkorea. Wir werden deutsche Daten besser schützen. Wir werden deshalb auch unsere Spionageabwehr mit mehr Geld ausstatten.

Wir werden, Herr Minister, mit dem nötigen Selbstbewusstsein mit unseren Partnern in den USA zu reden haben.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das machen Sie doch andauernd!)

Ich bemerke dabei eines: Wenn man unseren US-amerikanischen Freunden in Anerkennung der für uns weiterhin zentralen Sicherheitspartnerschaft zugleich sagt, dass es unsere patriotische Pflicht ist, uns genauso zu schützen, wie sie sich schützen, dann kann man da ein gewisses Nachdenken auslösen. Im Übrigen gilt: Die USA und wir haben gemeinsame Werte zu verteidigen; wir haben die Freiheit zu verteidigen. Diese Freiheit darf nicht durch Maßnahmen der Nachrichtendienste mit Füßen getreten werden. Deshalb muss Schluss sein mit dieser Ausspähpraxis der NSA, und unsere Fragen müssen beantwortet werden, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin sehr froh, Herr de Maizière, dass die Bekämpfung der organisierten Kriminalität bei Ihnen ein stärkeres Gewicht bekommt. Die SPD arbeitet da gerne Hand in Hand mit Ihnen; denn für das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger ist es oftmals fatal, zu sehen, wie Banden Tageswohnungseinbrüche einfach so durchziehen können, wie Rocker das Sicherheitsgefühl negativ beeinflussen oder wie mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und sogenannter Weiße-Kragen-Kriminalität die einen etwas tun und die anderen schon wegen eines kleinen Delikts verhaftet und verurteilt werden. Wir müssen eine gemeinsame Aktion starten, die unsere Sicherheitsbehörden mit dem Zoll und anderen zusammenführt, damit die Mafia und andere Banden in Deutschland nicht fröhliche Urständ feiern und dieses Land als Rückzugsraum ansehen können. Ganz klar ist: null Toleranz für organisierte Kriminalität in Deutschland, auch wenn das den Finanzminister vielleicht noch ein paar Euro kosten wird.

Die Bundespolizei darf kein Verschiebebahnhof werden, auch keiner für die Länder, die selbst Polizei abbauen. Insofern müssen wir auch bei dieser Frage gemeinsam im Gespräch bleiben. Jene Beamtinnen und Beamten – oftmals im mittleren Dienst –, die an den Wochenenden gegen ein paar Randalierer, die den schönen Sport Fußball kaputtmachen wollen, agieren müssen, die Castortransporte überwachen oder die am 1. Mai wieder in Berlin und im Hamburger Schanzenviertel aktiv sein müssen, versehen ihren Dienst selbstverständlich und ohne zu klagen. Aber auch für sie ist ein Ende der Fahnenstange der Belastung erreicht. Deshalb gilt: Wir müssen die Arbeit der Bundespolizei auch durch Stellenhebungen anerkennen und dafür sorgen, dass beispielsweise in den großen Ballungsräumen die Lebensbedingungen für die Angehörigen der Bundespolizei in Zukunft noch finanzierbar bleiben. Wenn wir hier gemeinsam vorangehen können, Herr Minister, dann reicht Ihnen die SPD dazu gerne die Hand.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU])

All das wird nur gelingen, wenn wir genügend qualifiziertes Personal im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern haben. Das wird nicht einfacher, weil wir angesichts des demografischen Wandels mit den Gehaltsstrukturen der gewerblichen Wirtschaft zu konkurrieren haben. Hier verlangt es Kreativität und gute Ideen vielleicht auch außerhalb der üblichen Besoldungsstrukturen. Auch dieser Frage sollten wir uns intensiver widmen, und wir sollten eine Antwort darauf finden. Das kann und wird gelingen.

Lieber Stephan Mayer, sehr geehrter Herr Minister, im Bereich der Innenpolitik haben wir ganz gut angefangen. Das Vertrauen war nicht von Anfang an so, wie wir es uns wechselseitig gewünscht haben; aber es wächst Schritt für Schritt.

Kollege Hartmann!

Ich bin mir in einem sicher: Im Unterschied zur letzten Koalition wird in dieser wieder Innenpolitik gemacht werden, an den Bürgerrechten orientiert und klar in der Sache.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Volker Beck das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3287772
Wahlperiode 18
Sitzung 28
Tagesordnungspunkt Innen
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