08.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 28 / Einzelplan 10

Friedrich OstendorffDIE GRÜNEN - Ernährung und Landwirtschaft

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „… in den ländlichen Räumen schlägt das Herz Europas“, verkündete Minister Horst Seehofer 2007, damals Bundeslandwirtschaftsminister.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Recht hat er!)

Durchaus folgerichtig verkündete Horst Seehofer in Absprache mit den Länderministern im Herbst 2013, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ werde um 200 Millionen Euro aufgestockt, um die Verluste bei den Programmen zur ländlichen Entwicklung im mehrjährigen Finanzrahmen der EU auszugleichen. Im aktuellen Haushalt ist von diesen versprochenen 200 Millionen Euro aber keine Rede mehr. CSU-Minister Schmidt sieht leider keine Möglichkeit, die versprochenen 200 Millionen Euro aufzubringen. Das ist ziemlich herzlos gegenüber dem „Herzen Europas“ und ziemlich verlogen gegenüber den Wählerinnen und Wählern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens. Dieses Geld ist ohnehin da, weil Deutschland im mehrjährigen Finanzrahmen Geld einspart. Genau daher wollte es Herr Seehofer ja auch nehmen. Warum besteht diese Möglichkeit plötzlich nicht mehr?

Zweitens. 360 Millionen Euro kostet uns heute die teilweise Erstattung von Steuern auf Diesel in der Landwirtschaft, die Sie als Wahlgeschenk an den Deutschen Bauernverband 2009 nochmals um 280 Millionen Euro aufgestockt haben.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Das Geld ist für die Bauern!)

Wir Grünen wollen dieses Geld nehmen, um die Landwirtschaft umzubauen und sie zukunftsfähig zu machen.

Drittens. 15 Prozent, rund 750 Millionen Euro, könnten Sie von den Direktzahlungen aus der ersten Säule in die zweite Säule umschichten, das heißt in ländliche Entwicklung, das heißt in Agrarumweltmaßnahmen und das heißt in die Förderung des Ökolandbaus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch diese Möglichkeit besteht. Aber das Bundesministerium hat dafür gesorgt, dass es nur 4,5 Prozent werden. Übrigens – das sei hier auch gesagt –: Die Hälfte dieser Gelder geht nach Bayern. Von daher versteht man nicht immer das Agieren der bayerischen Kolleginnen und Kollegen.

(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Soll noch mehr nach Bayern?)

Diese Möglichkeiten bestehen, aber man muss ländliche Entwicklung, Tierschutz und Biodiversität auch wollen, meine Damen und Herren von CDU und CSU. Sie wollen es nicht, Sie tun es nicht, und das ist hier zu kritisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Unsere Dörfer sind die Seele des ländlichen Raumes“, sagte Minister Schmidt am 13. März 2014 dazu, nachdem er einen Tag zuvor ebendiesen Haushalt im Kabinett abgesegnet hatte, der für die Dörfer und den ländlichen Raum so wenig zu bieten hat. Dieser Haushalt sollte Antwort geben auf die Versprechen und Absichtserklärungen, die auch Sie, Herr Minister, schon so oft gemacht haben. Tut er aber nicht.

Ein Beispiel. Wieder einmal sieht ein CSU-Minister das Heil der deutschen Landwirtschaft im Export. Sie wollen die Exportkompetenz stärken. Das wird morgen Abend gegenüber, in der Parlamentarischen Gesellschaft, zu erleben sein. Dabei übersehen Sie offenbar, dass gerade die Exportmärkte für die deutschen Erzeuger zunehmend riskant werden. Wirft nicht der russische Markt mit dem in den letzten Monaten gepflegten Umgang, aber auch die politische Entwicklung in Russland sehr große Fragen für uns alle auf? Und China? China geht wie immer sehr stark den Weg der Entwicklung der eigenen Erzeugung. Täglich gibt es neue Meldungen von den internationalen Handelsbörsen. Seit Februar brechen die Preise für Milchprodukte permanent ein. Die Märkte, auf die Sie setzen, sind extrem volatil; die Bundesregierung tut aber nichts, Herr Minister, um das Risiko einer erneuten Milchkrise zu minimieren. In Brüssel bremst die Bundesregierung alle Initiativen für Krisen- und Steuerungsinstrumente wie die Marktmonitoringstelle aus. Im Bundeshaushalt findet sich wieder einmal kein Euro, um den Zusammenschluss von Milcherzeugern zu fördern und damit die Marktmacht der Bäuerinnen und Bauern zu verbessern, wie wir Grünen es seit Jahren fordern und unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, was ist denn das für eine Politik, die voll auf Export setzt, ohne eine Antwort auf die Frage nach den damit verbundenen Risiken für die eigenen Erzeuger geben zu können? Nicht einmal die von uns Grünen immer wieder geforderten 5 Millionen Euro für eine Bündelungsoffensive Milch haben Sie in den Haushalt eingestellt.

Ein anderes Beispiel. Sie behaupten, Herr Minister, den Ökolandbau voranzubringen. Aber offenbar wollen Sie dafür keinen einzigen zusätzlichen Euro in die Hand nehmen. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau bleibt finanziell genauso schlecht ausgestattet wie zuvor und wird zudem weiterhin von Ihnen geplündert, um diffuse Nachhaltigkeitsprojekte zu fördern. Auch der Erfüllung der Forderung des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung, 20 Prozent der Agrarforschungsgelder in die Ökolandbauforschung zu stecken, kommen Sie keinen Schritt näher.

Nicht besser sieht es beim Megathema Tierschutz aus, nicht besser sieht es bei der Ernährung und im Verbraucherschutz aus.

Dieser Haushalt setzt keine Prioritäten. Er enthält keine wegweisenden Projekte, und er bleibt bei den großen Herausforderungen sprach- und konzeptlos. Dieser Agrarhaushalt eignet sich zur Verwaltung des Status quo, zur Gestaltung der Zukunft der Landwirtschaft und attraktiver ländlicher Räume trägt er jedoch nichts, aber auch gar nichts bei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es leider!)

Dieser Haushalt ist visions- und antriebslos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege. Ich bin erstaunt; denn Ihre Redezeit war noch gar nicht um. – Dr. Franz Josef Jung ist der nächste Redner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3288012
Wahlperiode 18
Sitzung 28
Tagesordnungspunkt Ernährung und Landwirtschaft
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