Claudia Roth - Ernährung und Landwirtschaft
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es vollzieht sich ein Wandel in der Gesellschaft. Lebensmodelle und Konsumgewohnheiten ändern sich, und vor allem verbessert sich unsere Wertschätzung gegenüber anderen Lebewesen. Dem hat der Gesetzgeber, wir alle hier, Rechnung getragen, indem der Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen wurde.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dieser aus meiner Sicht richtige, sich verändernde Stellenwert des Tierschutzes schlägt sich auch im vorliegenden Haushaltsentwurf nieder. Der Schutz der Tiere macht zu Recht einen guten Teil des Etats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus. Der Tierschutz ist als übergreifendes Thema Teil vieler wichtiger Einzelposten in diesem Haushaltsentwurf. Er betrifft erstens sowohl die Forschung als auch die Praxis, zweitens sowohl die Privatpersonen als auch die Wirtschaft, und drittens ist er lokal und auch global relevant.
Als Tierschutzbeauftragte meiner Fraktion freue ich mich deshalb, dass mit diesem Haushalt natürlich auch aufgrund unserer SPD-Forderung trotz umfassender Sparbemühungen dem Schutz der Tiere viel Raum zugestanden wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Koalitionsvertrag gibt dabei die Richtung der Bemühungen der kommenden Jahre vor. So haben wir darin unter anderem eine nationale Tierwohloffensive vereinbart. Wir wollen eine sichtbare Verbesserung beim Tierwohl. Die Nutztierhaltung muss tiergerechter werden. Sie passt sich damit auch den veränderten Wünschen in der Gesellschaft an. Hierbei müssen selbstverständlich die Tiergesundheit, die Möglichkeit zum natürlichen Verhalten der Tiere und das Tierwohl im Vordergrund stehen,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
dies alles vor dem Hintergrund, dass gute Haltungsbedingungen weniger kranke Tiere bedeuten und damit auch der Medikamenteneinsatz insgesamt zurückgefahren wird. Daran schließt sich an, dass wir ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme einführen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die SPD hat schon früh einen Tierschutz-TÜV gefordert. Das bedeutet, dass es zukünftig für serienmäßig hergestellte Stallsysteme einheitliche Prüfrichtlinien geben wird. Daher finde ich es richtig, dass die Zuschüsse zur Förderung von Modell- und Demonstrationsverfahren in diesem Jahr auf 16 Millionen Euro erhöht werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
7 Millionen Euro hiervon sind alleine für Projekte im Bereich des Tierschutzes vorgesehen. Mit diesen Mitteln werden wir unter anderem Forschungsvorhaben finanzieren, mit deren Hilfe der Antibiotikaeinsatz reduziert und die Hygiene in den Ställen verbessert wird. Wir werden mit diesen Mitteln auch den Praxistransfer von Forschungsergebnissen voranbringen, und die Landwirtschaft wird hiervon profitieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der gesellschaftliche Diskurs über die Größe tiergerechter Haltung hat bereits begonnen. So befürchten beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger sicher nicht nur in meinem Wahlkreis mit der Errichtung eines großen Schweinemaststalls Belastungen für Umwelt und Anwohner. Die Auswirkungen dieser Intensivtierhaltung wie Belastungen des Grundwassers und der Nährstoffüberschuss sind vielerorts bereits spürbar. Eine solche Entwicklung kann auf Dauer nicht gesund sein.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Tiergerecht ist sie auf keinen Fall. Daher brauchen wir eine flächengebundene Tierhaltung. Wir müssen bei diesem Prozess vor allem die Bauern mitnehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Forschung kann und muss uns dabei unterstützen. Die Förderung unterschiedlicher Forschungsinstitute, -projekte und -cluster in den kommenden Jahren ist daher aus meiner Sicht genau der richtige Ansatz. Stellvertretend erwähnt sei hier nur das Friedrich-Loeffler-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das wir mit rund 120 Millionen Euro unterstützen werden.
Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Im Vordergrund steht natürlich das Tier und seine Lebensbedingungen. Aber wir brauchen Qualitätsstandards auch, um mit unseren landwirtschaftlichen Produkten international bestehen zu können.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es gilt hier, was für nahezu alle deutschen Wirtschaftszweige gilt: Wir können nicht anders, als uns bei den Standards an die Spitze zu setzen. Nur so können wir auf den globalisierten Märkten bestehen. Dass dies der richtige Weg ist, sehen wir auch daran, dass eine tiergerechte Nahrungsmittelproduktion vom Verbraucher zunehmend honoriert wird. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass wir diese hohen Standards sichtbar machen. Nur durch eine klare, transparente Kennzeichnung mit Tierschutzsiegel hat der Verbraucher eine echte Wahl.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])
Auch in der Forschung ganz allgemein muss es Veränderungen hin zu mehr Tierschutz geben. Ziel muss es sein, die Zahl der Tierversuche auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, kurz ZEBET, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Kern dieser Forderung ist das aus meiner Sicht wichtige Ziel, Tierversuche komplett zu vermeiden. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass wir diese Einrichtung über den Etat des Bundesinstituts für Risikobewertung fördern.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir abschließend eine persönliche Anmerkung: Der sorgsame Umgang mit Tieren ist für mich nicht nur als Tierschutzbeauftragte, sondern auch ganz persönlich dort ein Anliegen, wo kein unmittelbarer Nutzen für die Menschen daraus folgt. Er ist für mich eine ethische Verpflichtung. Insgesamt sehe ich den Tierschutz zudem in einem größeren Zusammenhang. Aus ihm ergibt sich die Notwendigkeit einer nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft, des Erhalts und der Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume und des Naturschutzes im Allgemeinen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland muss im Tierschutz weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir rücken das Tierwohl in den Vordergrund und vergessen zugleich die Landwirtschaft nicht. Mit diesem Haushalt begeben wir uns auf den richtigen Weg für den Tierschutz.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin. Das ganze Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.
(Beifall)
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Einsatz nicht nur, aber auch für die Rechte der Tiere.
Darf ich Sie bitten, die Gratulationstour etwas zu beschleunigen. Sie können ja hinterher noch etwas trinken. Ihr Vorredner hat ja gesagt, das sei gut für die Stimmung. – Dann kommt Harald Ebner als nächster Redner für Bündnis 90/Die Grünen.
(Alois Gerig [CDU/CSU]: Das ist schlecht für die Stimmung!)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 28 |
Agenda Item | Ernährung und Landwirtschaft |