Lars KlingbeilSPD - Vorratsdatenspeicherung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich bei den Linken und den Grünen bedanken, dass wir heute wieder eine Möglichkeit haben, hier im Parlament über die Frage der Vorratsdatenspeicherung zu diskutieren. Ich halte es für wichtig, dass wir uns als Deutscher Bundestag nach diesem wegweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofes intensiv über die Frage der Datenspeicherung und der Datensicherheit unterhalten und uns auf die Suche nach dem richtigen Weg machen.
Ich will sagen, dass viele seit dem 8. April, als der Europäische Gerichtshof das Urteil gesprochen hat, dazugelernt haben. Es war für viele hier im Haus Anlass, die eigene Position zu überdenken. Für viele ist angesichts dessen, was man in den Jahren zuvor nahezu ideologisch vertreten hatte, quasi eine Welt zusammengebrochen.
Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass es nicht nur das Parlament ist, das in den letzten Jahren hochemotional über das Thema der Vorratsdatenspeicherung diskutiert hat: Wir haben erlebt, dass sich viele in der Zivilgesellschaft immer wieder ehrenamtlich für Datenschutz und gegen die Vorratsdatenspeicherung engagiert haben. Ich finde, heute ist ein Tag, an dem man diesen Ehrenamtlichen danken kann, die sich immer wieder in die Debatte eingebracht haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das, was wir erlebt haben, was wir als Parlament mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes mit auf den Weg bekommen haben, bedeutet eine tektonische Verschiebung in der Debatte; das muss man so festhalten. Ich wundere mich schon, wenn ich dann an so mancher Stelle erlebe, dass die Argumente die gleichen geblieben sind wie vor dem 8. April. Da kann ich jedem nur raten, in sich zu gehen und sich zu fragen, ob die Argumente der Vergangenheit auch die der Zukunft sein können.
Ich will an dieser Stelle ausdrücklich der Bundesregierung und vor allem dem Bundesjustizminister, der auch anwesend ist, danken für die Positionierung. Es war ein wichtiger Schritt, dass Heiko Maas in enger Abstimmung mit Thomas de Maizière damals gesagt hat: Wir setzen das, was im Koalitionsvertrag steht, nicht sofort um, sondern wir warten das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ab und schauen erst dann, wie es weitergeht. Es war eine kluge Entscheidung, hier keine Schnellschüsse vorzunehmen und das Urteil des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten.
Ich will auch sagen, dass es ebenfalls eine richtige Entscheidung des Justizministers war, auch wieder in enger Abstimmung mit dem Innenminister, nach dem Urteil zu überlegen: Wie geht es denn weiter? Die Position, die Heiko Maas in den öffentlichen Raum gestellt hat und der sich immer mehr anschließen, nämlich zu sagen, wir wollen keinen nationalen Alleingang, finde ich richtig. Wir als Parlament sollten diese Position unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist heute, eigentlich von allen Vorrednern, schon angesprochen worden: Wir müssen uns nach diesem Urteil Zeit für die Diskussion nehmen. Wir müssen auch einige Dinge zur Kenntnis nehmen. Der Koalitionsvertrag hat an dieser Stelle keine Grundlage mehr; denn darin steht: Wir wollen die europäische Richtlinie umsetzen. – Diese Richtlinie ist jetzt für nichtig erklärt worden. Die Frage ist: Wie geht es jetzt weiter?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
An die Kollegen der Grünen gerichtet, sage ich: Ja, wir brauchen die Debatte auch in Europa. Was ich nicht will, ist ein europäischer Flickenteppich, wo die einen das Urteil so interpretieren und die anderen es anders interpretieren. Deswegen müssen wir jetzt die Wahlen zum Europäischen Parlament abwarten. Wir müssen abwarten, bis sich die neue Kommission konstituiert hat und müssen dann versuchen, innerhalb der Europäischen Union einen gemeinsamen Dialog hinzubekommen. Es kann nicht sein, dass die einen sagen, wir machen keinen nationalen Alleingang, und die anderen halten an einer nationalen Umsetzung fest. Wir müssen eine gemeinsame europäische Position entwickeln, wenn es um die Vorratsdatenspeicherung geht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Punkt ist: Wir haben jetzt Zeit, darüber zu diskutieren, was Strafermittlungsbehörden eigentlich brauchen. Ich möchte diese Diskussion gern unemotional und sachlich führen. Aber wir führen sie unter einer veränderten Voraussetzung. Über Jahre haben die Gegner der Vorratsdatenspeicherung sagen müssen, warum sie gegen die Vorratsdatenspeicherung sind. Ich finde, jetzt müssen diejenigen, die für eine Speicherung von Daten sind, einmal begründen, warum man eigentlich dafür ist.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])
Ich freue mich auf die Diskussion. Auch bei mir, als jemand, der das kritisch sieht, gibt es eine große Lernbereitschaft. Ich lasse mich gerne von guten Argumenten überzeugen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Urteil hat die Debatte insgesamt verändert. Ich sage es noch einmal: Wir sollten uns nun Zeit nehmen für eine intensive und sachliche Diskussion. Der Kollege Flisek hat es angesprochen: Es gibt viele weitere Dinge, die wir im Rahmen dieser Diskussion aufführen sollten.
Ich möchte die Opposition gerne einladen, dass wir das als Parlament gemeinsam machen. Ich würde mich freuen, wenn wir die ideologischen Gräben der Vergangenheit überwinden und eine sachliche Debatte im Sinne Europas führen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben diese Debatte übrigens aufgesetzt!)
Herzlichen Dank für Ihre Anträge. Wir lehnen sie heute trotzdem ab, weil wir erst am Anfang der Debatte stehen und nicht am Ende.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist eine gute Entscheidung!)
Als nächster Redner hat der Kollege Marian Wendt das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3394447 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Vorratsdatenspeicherung |