22.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 36 / Tagesordnungspunkt 3

Ernst Dieter RossmannSPD - Berufliche Bildung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Feist hat an die sehr kluge Eingangsbemerkung unserer Ministerin über die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung angeknüpft. Wenn wir diese Linie halten, dann wächst das auch zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte eine weitere Bemerkung der Ministerin aufgreifen – um auf Frau Pothmer einzugehen. Die Ministerin war so ehrlich, zu sagen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD] – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finde ich richtig!)

Ich finde, man muss trotz aller Empörung akzeptieren, dass eine differenzierte, durchaus selbstkritische Betrachtung stattgefunden hat, wenn es darum geht: Wo gibt es noch Lücken und Bedarfe? In welchen Bereichen muss es noch Entwicklung geben?

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich positiv hervorgehoben!)

Ein Aspekt ist zu ergänzen: Uns liegt nicht nur ein exzellenter Berufsbildungsbericht vor, sondern implizit auch ein Weiterbildungsbericht. Ich möchte die Verbindung von beruflicher Erstausbildung und Weiterbildung in die Debatte einbringen. Herr Kollege Rupprecht hat heute sehr offen und auch gegen den Mainstream angesprochen, was ihn umtreibt und wo er sich Sorgen macht. Ich finde dies gut, wo heute einmal mehr reihenweise Abgeordnete der Koalition gesprochen haben, weil so eine offene Debatte zustande kommt. Aber, Herr Kollege Rupprecht, besteht eine Stärkung des dualen Systems nicht auch darin, das Weiterbildungssystem zu verbessern?

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Uda Heller [CDU/CSU])

Es ist wichtig, dass die jungen Menschen wahrnehmen, dass sie nach der beruflichen Erstausbildung durch eine ihnen alle Perspektiven eröffnende Weiterbildung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Genauso wichtig wie die Aufwertung der beruflichen Erstausbildung ist zwar eine bessere Bezahlung, zum Beispiel – Herr Rupprecht, Sie haben darauf hingewiesen – die eines erfahrenen Zeichners im Vergleich zu der eines jungen Architekten, und die Verbesserung der Qualität der Arbeit, die Kollege Brase angesprochen hat. Aber auch die berufliche Weiterbildung muss in den Bereich Ausbildung integriert werden.

Ich will Ihnen hierfür drei Gründe nennen:

Erstens. Damit stärken wir die Qualität unseres dualen Bildungswesens.

Zweitens. Weiterbildung ist im Übrigen ein Dach, unter das manche kriechen können, die sich sonst schämen würden, weil sie keine abgeschlossene Schulausbildung oder keine abgeschlossene Berufsausbildung haben,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

indem Sie später ihre zweite oder dritte Chance nutzen. Denn sie tun sich leichter, wenn sie sagen können: „Ich bilde mich weiter“, statt zu sagen: „Ich hole jetzt meine Schulzeit nach“, und das mit 35.

Drittens. Wir brauchen Weiterbildung, um die Fachkräfteoffensive zu unterlegen; denn es geht nicht nur um Menschen, die eine gute Erstausbildung haben. Vielmehr müssen sich alle, die eine berufliche Tätigkeit ausüben, weiter qualifizieren – im eigenen Interesse, aber auch im ökonomischen Interesse. Deshalb muss die Weiterbildung gestärkt werden.

Herr Kollege Schummer, wir haben uns bei den Koalitionsverhandlungen mit Augenzwinkern darüber verständigen können, dass aus der Allianz für die Ausbildung eine Allianz für Aus- und Weiterbildung werden muss. In Bezug auf die berufliche Ausbildung ist das im Koalitionsvertrag klar hinterlegt, in Bezug auf die Weiterbildung muss hier jedoch noch nachgearbeitet werden.

Ich will versuchen, vier Linien aufzuzeigen, wie dies aussehen könnte:

Erstens. Jeder Allianz für Weiterbildung muss eine Grundbildungsinitiative hinzugefügt werden. Sosehr wir uns freuen, dass die Gewerkschaften bereit sind, der Allianz für Aus- und Weiterbildung beizutreten, so sehr sollten wir ein gemeinsames Interesse daran haben, dass die Wirtschaft in die Alpha-Initiative dieser Bundesregierung einsteigt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Die Wirtschaft kann nicht außen vor bleiben angesichts der Tatsache, dass 60 Prozent der Menschen mit Lese- und Schreibschwächen es trotzdem schaffen, in einem Berufsverhältnis zu stehen. Das muss doch eine Herausforderung für die IHK bis hin zu den Unternehmensverbänden sein, bei der gemeinschaftlichen Aktion „Grundbildung für alle sichern“ mitzumachen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zweitens. Frau Özoguz sprach darüber, welche Potenziale wir haben, wenn eine zweite oder dritte Chance besteht, sich im Berufsleben zu qualifizieren. Das sind wirklich große Zahlen. Wir nennen immer die Zahl der 1,4 bis 1,5 Millionen Menschen unter 30 Jahren, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Bezogen auf die Gesamtberufsbiografie, also in der Perspektive bis 67, haben 5 bis 5,5 Millionen Menschen keine abgeschlossene Berufsausbildung.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Diese Menschen müssen sich auch im Alter von 40 oder 50 im Berufsleben bewähren, und sie wollen sich auch bewähren. Deshalb muss es Aufgabe der Allianz sein, dauerhaft und konstant die Weiterbildungsfähigkeit, die Weiterbildungsaufgeschlossenheit zu fördern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Drittens. Frau Strothmann, ich finde es sehr gut, dass Sie die Erste waren, die das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, eine legendäre Erweiterung unseres Leistungsbereiches in der Bildungsförderung, genannt haben. Herr Kollege Feist, ich kann nur sagen: Ja, wir stimmen Ihnen vollkommen zu. Wenn wir es schaffen, zusätzliche Mittel im Haushalt zu mobilisieren, sodass der Betrag fürdiejenigen gesenkt werden könnte, die sonst 10 000 Euro und mehr für eine Aufstiegsfortbildung bezahlen müssen, dann wäre das ein echtes Pfund.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es wäre auch gut, wenn wir es schaffen, das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz parallel zum BAföG in Richtung Weiterbildungsförderungsgesetz zu entwickeln. Verschiedenste Regierungen haben in diesem Bereich Maßnahmen ergriffen. Wir haben eine Weiterbildungsprämie eingeführt, und wir haben ein Aufstiegsstipendium. Da ist Musik drin. Das kann durch diese Allianz befördert werden.

Viertens. Wir brauchen generell nicht nur ein Recht auf drei Jahre Erstausbildung, sondern – so formuliere ich das immer gerne – auch ein Recht auf drei Jahre Weiterbildung. Zwei mal drei – darauf müssen die Arbeitnehmer einen Anspruch haben. So können wir berufliche Erstausbildung und Weiterbildung miteinander verknüpfen. Wenn Sie angesichts der Forderung nach einer dreijährigen Weiterbildung erschrecken, sage ich: Umgerechnet auf eine Berufsbiografie sind das zwei Wochen Lernen, zwei Wochen Weiterbildung pro Jahr. Ist das wirklich zu viel? Oder ist das nicht eher zu wenig?

Herr Kollege.

Ich glaube, das ist das Mindeste, was wir brauchen.

Noch eine Schlussbemerkung, weil wir auch in die Zukunft denken müssen: Frau Hein, es geht nicht um die Forderung nach einem Bundesbildungsgesetz. Es geht um diese Überlegung: Im letzten Jahrhundert haben wir über die Schaffung des Sozialgesetzbuches große gesellschaftliche Fortschritte gemacht. Wir müssen uns fragen, ob dieses Jahrhundert so etwas wie ein Bildungsgesetzbuch braucht. BAföG, Meister-BAföG, Fernunterrichtswesen, all das wird zusammenkommen.

Das können wir im Einzelnen jetzt nicht mehr erörtern.

Herr Präsident, darauf werden sich weitere Reden in der Zukunft beziehen.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich erteile das Wort der Kollegin Uda Heller für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3437866
Wahlperiode 18
Sitzung 36
Tagesordnungspunkt Berufliche Bildung
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