04.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 38 / Tagesordnungspunkt 1

Axel SchäferSPD - Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sie tragenden Minister und all das, was in diesem Zusammenhang insbesondere der deutsche Außenminister Frank Steinmeier in den letzten Tagen und Wochen getan hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da meine Redezeit begrenzt ist, liebe Kollegin Wagenknecht, nur zwei Hinweise: Erstens. Es ist unakzeptabel, das, was wir hier in Deutschland politisch umsetzen und was wir auch kontrovers diskutieren, in irgendeiner Weise mit dem Erstarken faschistischer und fremdenfeindlicher Kräfte in einen Zusammenhang zu bringen. Das ist weder die Politik der Union noch die Politik der Grünen noch die Politik der Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Sevim Dagdelen [DIE LINKE])

Zweitens. Es ist genauso unakzeptabel und unredlich, hier ständig über die Frage eines Krieges zu reden, während die Mitglieder aller Fraktionen und der Regierung – die Kanzlerin hat das noch einmal deutlich gemacht – sich klar gegen militärische Lösungen ausgesprochen haben. Das müssen Sie doch irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sevim Dagdelen [DIE LINKE]: Ein Witz ist das! – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Reden wir jetzt einmal darüber, was uns in Europa verbindet. Ich finde, es ist ein wichtiger Punkt, dass am D-Day auch Deutsche in Tradition dessen, was Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zur Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und in Europa und zu der besonderen Verantwortung, die wir haben, erklärt hat, den Alliierten danken. Deshalb ist es wichtig, dass die Bundeskanzlerin an diesem Tag auch mit Präsident Putin redet. Sie hat unser volles Vertrauen dafür, diesen Dialog mit Russland fortzusetzen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen zweiten Punkt. Ich danke allen Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachtern

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

der CSU, der CDU, der Grünen, der SPD und der Linkspartei, die als Vertreter der OSZE und anderer internationaler Organisationen in die Ukraine gereist sind, um dort nicht nur in Worten, sondern auch durch Präsenz und demokratisches Handeln für faire, gerechte und freie Wahlen einzustehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür gilt ihnen, hoffe ich, der Dank des ganzen Hauses. Das war eine richtige und mutige Tat.

Ich selbst durfte vor zehn Jahren bei der Orangen Revolution in Donezk, der Partnerstadt meiner Heimatstadt Bochum, mit dabei sein. Das war diesmal leider nicht möglich. Diesen Weg der Partnerschaft und des Einstehens für Demokratie durch das ganze Haus müssen wir auch gemeinsam weitergehen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt. Wir haben am 25. Mai die Direktwahl zum Europäischen Parlament durchgeführt. Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege der Parlamentarisierung der Gemeinschaft, dass die Fraktionen der Europäischen Volkspartei – dazu gehören die Christdemokraten mit ihrem künftigen Vorsitzenden Manfred Weber –, der Grünen mit ihrer Vorsitzenden Rebecca Harms, der Sozialdemokraten mit ihrem künftigen Fraktionsvorsitzenden Martin Schulz sowie der Linkspartei mit ihrer Fraktionsvorsitzenden Gabi Zimmer und, nicht zu vergessen, die liberale Fraktion, die zusammen über 500 Mitglieder des neugewählten Parlaments repräsentieren und auch alle hier im Bundestag vertreten sind, direkt nach der Wahl gesagt haben: Ja, wir stehen mit unseren Parteifamilien dazu, dass der Sieger der Europawahl zuerst die Möglichkeit bekommt, als Präsident gewählt zu werden. Das ist Jean-Claude Juncker, ein Christdemokrat aus Luxemburg. Wir alle wünschen Jean-Claude Juncker alles Gute, dass es ihm gelingt, eine Mehrheit zu finden. Wir erwarten von den Staats- und Regierungschefs, dass sie dies akzeptieren. Sie sind nicht mehr Formateur einer europäischen Regierung, der Kommission, sondern sie sind der politische Notar, der Dinge voranbringen muss, und wir werden sie dabei unterstützen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage das auch, weil das ein Stück Geschichte des Deutschen Bundestages ist. Unsere Vorgängerinnen und Vorgänger haben schon in den 60er-Jahren dafür gekämpft, dass das Europäische Parlament direkt gewählt wird. Das war noch zu Adenauers Zeiten.

Wir haben als Zweites durchgesetzt, dass es eine parlamentarische Frauenquote gibt, was auch in der SPD nicht ganz einfach war. Das war in der Zeit von Willy Brandt und Helmut Schmidt.

Wir haben drittens im Europäischen Parlament ein kommunales Wahlrecht durchgesetzt und erreicht, dass das Europäische Parlament gleichberechtigt mit entscheidet. Das war schon zur Zeit Helmut Kohls. Das Ganze ist dann mit dem Vertrag von Lissabon vollendet worden.

Und wir haben viertens mit einer Initiative des Deutschen Bundestages und des SPD-Abgeordneten Professor Dr. Jürgen Meyer, Ulm, erreicht, dass wir eine europäische Bürgerinitiative, das heißt die Möglichkeit der direkten Demokratie, in die europäischen Verträge aufnehmen. Das ist ein gemeinsamer parlamentarischer Erfolg in Europa. Aber das ist auch das Ergebnis aller pro- europäischen Kräfte, die im Bundestag wirken. Damit sollten wir gerade nach dem 25. Mai stolz und selbstbewusst umgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der 25. Mai war leider auch ein Tag der Erstarkung von antieuropäischen, fremdenfeindlichen, nationalistischen bis hin zu rechtsextremistischen Kräften. Diese sollten wir hier in diesem Haus gemeinsam bekämpfen. Wir gehen keinen Schritt zurück. Wir stehen zu dem, was in Hunderten Verträgen in allen Mitgliedstaaten seit über 60 Jahren mit verfassungsgebenden Mehrheiten an Europa bzw. an Gemeinschaft geschaffen worden ist. Wir brauchen uns für nichts, was in Europa als Gemeinschaft vorangebracht worden ist, zu entschuldigen, für absolut nichts und bei niemandem. Wir machen das mit geradem Rücken und mit klarem Blick, und wir führen diese Auseinandersetzung mit offenem Visier.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt gleichzeitig: Wir stellen uns jeder Kritik, die an konkreten europäischen Problemen wie der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, der Bankenkontrolle und Maßnahmen zur Antidiskriminierung geübt wird.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: 25 Prozent leben in Armut! Nehmen Sie das mal wahr!)

Aber wir werden nicht zulassen, dass diejenigen, die die Europäische Union in Wort und Tat zerstören wollen, auf keinen Widerstand stoßen. Ich sage als Sozialdemokrat ganz klar in Richtung Großbritannien und in Erinnerung an das, wofür schon Helmut Schmidt als Kanzler anlässlich der Volksabstimmung 1975 gekämpft hat, als es darum ging, dass das United Kingdom in der Europäischen Gemeinschaft bleibt: Wir werden alles tun, dass Großbritannien dabeibleibt. Nutzen wir die Möglichkeiten, die wir politisch haben, sei es über bilaterale Partnerschaften oder in europäischen Gremien. Aber eines ist auch klar: Herr Cameron, der in Europa im Bremserhäuschen sitzt, darf nicht den Zug der europäischen Einigung zum Entgleisen bringen. Das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, fünf Fraktionen im Europäischen Parlament werden einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass der Wahlsieger Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident wird. Der Deutsche Bundestag sollte genau dies unterstützen. Glück auf!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3485072
Wahlperiode 18
Sitzung 38
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zu EU-Treffen und G7-Gipfel
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