06.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt 30

Alexandra Dinges-DierigCDU/CSU - Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste vorweg: Deutschland ist ein hervorragender und attraktiver Forschungsstandort. Diesen gilt es weiter zu stärken. Dies haben wir bei den Haushaltsberatungen ganz deutlich gezeigt. Die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD hat sich ausgesprochen für zusätzliche 3 Milliarden Euro für die Forschung und, lieber Herr Gehring, für weitere 6 Milliarden Euro, die sich auf Kita, Schulen und Hochschulen verteilen. Es bleibt also bei den 9 Milliarden Euro, egal bei welchem Posten sie nun stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Unsere politische Verantwortung ist es, den geeigneten Rahmen für erfolgreiche Forschung zu schaffen. Da sind wir beieinander, Herr Gehring; das haben auch Sie gesagt. Wir sind auch da beieinander, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dazu ein Baustein ist.

Wir debattieren heute das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Wunsch der Grünen noch einmal. Ich muss aber sagen – Sie haben es selber erwähnt, Herr Gehring –: Ihr Gesetzentwurf entspricht dem Gesetzentwurf der SPD aus dem letzten Jahr

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Der Bundesratsinitiative!)

– nahezu –; ich vermisse die Ergebnisse der Debatten und der Anhörungen des letzten Jahres.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Es hätte uns in der Diskussion viel weiter gebracht, wenn Sie dies konstruktiv eingebaut hätten. Dann hätten wir jetzt über andere Inhalte sprechen können, nämlich über die Stärkung der Forschung und die Schaffung verlässlicher Karrierewege für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Weil es ein Gesetzentwurf von gestern ist, wird die CDU/CSU ihn auch diesmal wieder ablehnen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleibt Ihr Änderungsantrag?)

Meine Damen und Herren, Kern des Gesetzes ist – für diejenigen, die sich damit noch nicht beschäftigt haben – die Regelung von Möglichkeiten, im Bereich der Wissenschaft Arbeitsverträge abzuschließen, die befristet sind. Das betrifft besonders Nachwuchswissenschaftler, also Personen, die ihr Studium abgeschlossen haben. Es geht um die Befristung für einen festen Zeitraum, und zwar ohne Angabe von Gründen. Natürlich gibt es auch befristete Arbeitsverträge mit Angabe von Gründen. Hier geht es insbesondere um Arbeitsverträge mit Befristungsgrund, zum Beispiel bei Drittmittelprojekten oder auch wegen notwendiger Kinderbetreuung oder Pflege.

Eine Evaluation aus dem Jahr 2011 und eine Expertenanhörung im vergangenen Jahr haben gezeigt: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz wird in hohem Maße der projektorientierten Arbeitsweise in der Forschung gerecht. Es gibt den Arbeitgebern die notwendige Rechtssicherheit bei Arbeitsverträgen, weil es einfach zu handhaben ist. Außerdem – für diejenigen, die das nicht so gerne hören – stößt das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auch bei den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufgrund ihrer individuellen Arbeitsweise auf hohe Akzeptanz. – Diese Punkte sollten wir nicht unter den Tisch fallen lassen.

Darüber hinaus können wir in Deutschland beobachten: Seitdem wir das Wissenschaftszeitvertragsgesetz haben, nimmt die Anzahl der Promotionen enorm zu. Wir liegen in Deutschland inzwischen weit über dem EU-Durchschnitt. Dass wir international attraktiv sind, das zeigt der nicht nachlassende Zustrom von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an unsere Universitäten. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich stelle also fest: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist im Kern ein wichtiger und richtiger Baustein. Mit seiner Hilfe gewinnen wir die Besten der Besten. Gleichzeitig – das haben Sie leider nicht erwähnt – können wir den Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern vermehrt die Möglichkeit des Einstiegs in eine wissenschaftliche Laufbahn bieten. In dem Zeitraum seit 1992 bis heute stieg die Zahl derer immerhin um 80 Prozent. Das ist ein gutes Zeichen für einen sich entwickelnden Wissenschaftsstandort.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht hier um Befristungen!)

Meine Damen und Herren, aber neben viel Licht gibt es auch Schatten. Dieser Schatten ist die zunehmende Zahl kurzfristiger Arbeitsverträge. Dies war – und ist – nicht die Intention des Gesetzgebers in 2007. Ich gebe Ihnen zu 100 Prozent recht, dass hier Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Debatten des letzten Jahres haben aber gezeigt, dass es keine Lösung ist, die Fristen mit Mindestzeiten bei gleichzeitig begründeter Verkürzungsmöglichkeit zu belegen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Denn das wiederum führt zu Starrheit in einem flexiblen System, zu Rechtsunsicherheit und vor allem zu neuer Ungerechtigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine kurzfristige Verlängerung der bestehenden Verträge, für sechs Monate, weil jemand mit der Arbeit nicht fertig ist, weil jemand in die Familienphase eintritt oder weil ein Überbrückungsvertrag nötig ist, bis ein neuer Vertrag geschlossen wird, wird extrem schwierig. Das hemmt unsere Entwicklung. Deshalb sind in meinen Augen systemfremde Änderungen der falsche Weg.

Der Gesetzentwurf der Grünen, so wie er jetzt vorliegt, ist in meinen Augen wieder ein Beispiel dafür, dass versucht wird, Symptome zu bekämpfen, ohne die Ursachen aufzudecken.

(Lachen des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das sehen wir anders!)

Ich sage es ganz deutlich: Es gibt kein Problem von gesetzgeberischer Seite, sondern ein Umsetzungsproblem in den Ländern. Die Hochschulen haben in vielen Ländern nicht den Stellenwert, der ihnen zusteht.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Das ist auch in Hamburg so!)

Es fehlen – das zeigt auch die Empfehlung der HRK vom 13. Mai 2014; das ist gerade einmal drei Wochen her – die rechtlich und finanziell verlässlichen Rahmenbedingungen an den Hochschulen. Hier sind die Länder in der Pflicht.

Lassen Sie mich eines deutlich machen: Die Regierungskoalition von CDU, CSU und SPD hat in den vergangenen Tagen beschlossen, dass der Bund zukünftig die Kosten für das BAföG vollständig übernimmt. Damit haben die Länder zusätzliche finanzielle Möglichkeiten, in Schule und Hochschule zu investieren. Jetzt geht es darum, dass die Länder dies auch tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn für den wissenschaftlichen Nachwuchs vereinbart? Gibt es Juniorprofessuren?)

Im Bereich der Hochschulen zum Beispiel könnte mit diesen Mitteln eine veränderte, attraktive Personalstruktur aufgebaut werden.

Neben den Ländern sind bezüglich der Umsetzung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auch die Hochschulen in der Pflicht. Herr Gehring hat gerade einige Zahlen genannt; die sind richtig. Ich möchte aber zeigen, dass, wenn man eine andere Auswahl von Zahlen heranzieht, man vielleicht zu einem anderen Ergebnis kommt.

Frau Kollegin, das können Sie gerne tun, aber ab jetzt geht das zulasten der Kollegen Ihrer Fraktion.

Ich bin auch sofort fertig. – An den Hochschulen haben wir 53 Prozent kurzfristige Verträge, an Helmholtz- Instituten nur 23,8 Prozent. An den Hochschulen haben wir 11 Prozent langfristige Verträge, an Helmholtz-Instituten 50 Prozent. Das spricht für sich.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was tun Sie für die Hochschulen?)

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz schafft einen flexiblen Rahmen. Schwächen in der Umsetzung des Gesetzes sind bei den Ländern und Hochschulen zu beheben. Der Bund will gern dabei unterstützen, dieses zu ändern. Das werden wir mit der Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz auch tun. Die Flexibilität zu nehmen, ist der falsche Weg. Deshalb werden wir vonseiten der CDU/CSU, wie zu Beginn ausgeführt, den Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3492627
Wahlperiode 18
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft
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