06.06.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 40 / Tagesordnungspunkt 30

Tankred SchipanskiCDU/CSU - Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf die Debatte an dieser Stelle wieder ins richtige Fahrwasser führen. Insbesondere nach dem Beitrag der Linken scheint es nötig zu sein, den Sachstand aufzuzeigen und den Fahrplan der Koalition in dieser Frage zu skizzieren.

Lassen Sie mich Folgendes voranstellen – das wurde schon gesagt –: Herr Gehring, ich finde es einfallslos, einen Gesetzentwurf einzubringen, der fast identisch ist mit einer Vorlage, über die in der letzten Legislaturperiode diskutiert wurde und die mit sehr guten Argumenten abgelehnt worden ist.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit schlechten Argumenten!)

Von daher knüpfe ich argumentativ gerne an meine Ausführungen in der letzten Legislaturperiode an. Ich darf Sie herzlich einladen, unsere Debatten vom 10. April und vom 27. Juni letzten Jahres in den Parlamentsprotokollen nachzulesen. Der Eindruck, der in dieser Debatte vermittelt wird, die Politik würde ein als wichtig erkanntes Problem nicht lösen, ist grob falsch. Ich finde es unverantwortlich, dass die Grünen hier einen solchen Eindruck erwecken, zumal Ihnen, lieber Herr Gehring, die verschiedensten Maßnahmen bekannt sein müssten, da Sie in der letzten Legislaturperiode dabei waren.

Ausgangspunkt und Impuls dieser gesamten Debatte waren die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes durch die HIS GmbH im Jahre 2011 sowie der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs im Jahr 2013.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zahlen habe ich Ihnen ja vorgesagt!)

Die Kernbotschaften waren damals: Dem wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland geht es gut. Die Arbeitsbedingungen sind insgesamt zufriedenstellend. Noch nie strömten mehr Wissenschaftler an unsere Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Noch nie schlossen so viele junge talentierte Menschen eine Promotion ab. Noch nie entschieden sich mehr junge Menschen für eine Karriere in der Wissenschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist es! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was steht da drin zum Befristungsunwesen?)

Liebe Frau Raatz, die Leute verlassen Deutschland als Forschungsstandort nicht, sondern sie kommen zu uns, weil wir die attraktiveren Bedingungen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Berichte benennen zwei Probleme, unter denen junge Wissenschaftler in Deutschland leiden. Das ist zum einen die Personalstruktur, die derzeit als einziges Karriereziel die Vollprofessur bietet.

(Dr. Simone Raatz [SPD]: Genau das müssen wir ändern!)

Das ist zum anderen die überbordende Befristungspraxis – wir haben es gehört –: Stellensplitting, Vertragslaufzeiten von teilweise unter einem Jahr, Kettenverträge. Jeder kennt Beispiele aus seinem Bekanntenkreis.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie dagegen?)

Die christlich-liberale Koalition hat daher in der letzten Legislaturperiode konkrete Maßnahmen ergriffen und vor allen Dingen mit Blick auf die Universitäten – Sie kennen die Vorlage, die wir hier behandelt haben – konkrete Verbesserungen vorgeschlagen. Stichwortartig darf ich Ihnen nennen: Associate-Professuren, befristete Assistenzprofessuren mit Tenure-Track-Option, also ein ganz ausgewogenes Karrieremodell neben der Vollprofessur und nicht irgendwelche aufgewärmten Juniorprofessorenprogramme. Das sind Modelle, die sich in der Praxis bewähren. Wir können das an der TU München sehen, die diese Personalstruktur eingeführt hat. Das ist praxistauglich. Jede andere Uni kann dieses Modell einführen. Es bedarf keiner Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, um hier planbare Karrierepfade zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum zweiten Problem, der überbordenden Befristungspraxis, hat die christlich-liberale Koalition in diesem Hohen Hause im Jahre 2013 sowie bereits 2012 im Ausschuss einen Antrag beschlossen, in dem wir die Verantwortlichen auffordern, die Vertragslaufzeiten „an die Laufzeit der Qualifikationsphase bzw. der Projekte zu koppeln, in denen die wissenschaftlichen Nachwuchskräfte beschäftigt sind. … Das Stellensplitting in Einheiten von weniger als einer halben Stelle muss gänzlich unterbleiben“. Wir wissen zudem um die Notwendigkeit, auf den immer schneller werdenden Wissenschaftsbetrieb mit flexiblen Personallösungen zu reagieren. – Adressiert waren diese Forderungen an die Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die daraufhin Leitlinien erlassen haben für die Ausgestaltung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit ihrem wissenschaftlichen Personal, sogenannte Selbstverpflichtungserklärungen. Wir werden schauen, ob sich die Einrichtungen an diese Selbstverpflichtungserklärungen halten oder nicht. Das evaluieren wir jetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Simone Raatz [SPD]: Das klappt doch nicht! Das wissen wir alle!)

Sind die Missstände in der Befristungspraxis aufgehoben, werden wir nicht reagieren. Sind sie nicht aufgehoben, bedarf es eventuell einer gesetzlichen Regelung. Diese gesetzliche Regelung – meine Kollegin von der SPD hat es angesprochen – haben wir im Koalitionsvertrag als „flankierend“ bezeichnet.

Sie haben es angesprochen, liebe Frau Raatz: Wir können uns auch vorstellen, dass der Bund bei der Ausgestaltung der Pakte lenkend einwirkt. Aber darüber können wir erst entscheiden, wenn wir wissen, wie es um die Selbstverpflichtungserklärungen steht. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat in der letzten Legislaturperiode einen ähnlichen Gesetzentwurf diskutiert und am 12. Juni letzten Jahres eine Sachverständigenanhörung dazu durchgeführt. Im Rahmen dieser Anhörung wurde eindeutig aufgezeigt, dass mit den vorgeschlagenen Änderungen an diesem Wissenschaftszeitvertragsgesetz ein Missbrauch der Befristungsmöglichkeiten nicht ausgeräumt werden kann.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wurde als Fortschritt bezeichnet!)

Vielmehr müssen die einschlägigen Landeshochschulgesetze geändert werden; Frau Dinges-Dierig hat das hier zu Recht betont.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offensichtlich waren wir in unterschiedlichen Anhörungen!)

Die damalige Expertenanhörung – das kann ich Ihnen nicht ersparen – hat zudem gezeigt, dass der Grund für die überbordende Befristungspraxis nicht dieses Gesetz ist, sondern die mangelnde finanzielle Planbarkeit der Hochschulen. Um diese zu verbessern, dürfen die Länder auf gar keinen Fall bei der Grundfinanzierung sparen. Die Redner der Koalition haben es angesprochen: Wir haben vereinbart, das BAföG komplett zu übernehmen. Das ist eine milliardenschwere Entlastung der Länder. Das Geld können sie in die Grundfinanzierung ihrer Hochschulen investieren. Somit setzen wir auch unser Versprechen im Koalitionsvertrag um, uns an der Grundfinanzierung zu beteiligen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie doch noch nicht mal vereinbart!)

Die Verfassungsänderung im Hinblick auf Artikel 91 b haben wir im Blick.

Meine Damen und Herren, das sind Meilensteine in der Wissenschaftspolitik, die natürlich auch positive Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Nachwuchs haben werden. Ich darf den Grünen nur empfehlen, sich hieran konstruktiv zu beteiligen und nicht alte Gesetzentwürfe aufzuwärmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie endlich was vor!)

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Dr. Daniela De Ridder das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3492671
Wahlperiode 18
Sitzung 40
Tagesordnungspunkt Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft
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