Harald WeinbergDIE LINKE - Epl 15 Gesundheit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich will ich zu unseren Änderungsanträgen reden. Dennoch will ich kurz auf Dinge eingehen, die Herr Heiderich, Frau Hinz und Herr Minister Gröhe gesagt haben.
Herr Heiderich, in dem Augenblick, in dem Sie ausgesprochen haben, dass es im Gesundheitsfonds und bei den Kassen eine Rücklage von 30 Milliarden Euro gebe, ist diese Rücklage wieder um einige Millionen abgeschmolzen; das muss man sehen. Im Jahr werden insgesamt 195 Milliarden Euro an Versicherungsbeiträgen sozusagen verteilt; das sind pro Tag gut 0,5 Milliarden Euro. Wir haben die Situation, dass inzwischen etliche Krankenkassen im operativen Geschäft, also im Jahresvergleich, rote Zahlen schreiben, das heißt, dass sie auf ihre Rücklagen zurückgreifen müssen.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Frau Hinz, zu den Rücklagen im Gesundheitsfonds. Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme etwas anderes gesagt. Er hat unter anderem ausgeführt, dass 2015 die Situation eintreten kann, dass die im Gesundheitsfonds enthaltene Mindestreserve, die etwa bei 9 Milliarden Euro liegt, unterschritten wird und dass man dann logischerweise entweder die Beiträge erhöhen muss – was man nicht tun wird – oder aber die Zuweisungen an die Krankenkassen vermindern muss.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist völliger Quatsch! Sie haben das Problem nicht verstanden!)
Das bedeutet, dass die Krankenkassen wiederum ihre Rücklagen aufbrauchen, was dazu führt, dass die Zusatzbeiträge relativ schnell eingeführt werden könnten.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein Seminar zum Gesundheitsfonds!)
Jetzt möchte ich auf unsere Änderungsanträge eingehen. Zum ersten Änderungsantrag zum Thema Krankenhausinvestitionen. Bei der Krankenhausfinanzierung ist es derzeit alleinige Aufgabe der Länder, für Gebäude, Großgeräte und Instandhaltung zu sorgen. Die Länder kommen dieser Aufgabe aber nur noch schlecht nach. 1991 zahlten sie dafür 3,6 Milliarden, jetzt etwa 2,6 Milliarden Euro. Das entspricht, wenn man die Inflationsrate berücksichtigt, gegenüber 1991 einer Halbierung.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Brandenburg ist bestimmt vorn!)
Es ist bereits abzusehen, dass die Situation eher noch schlechter als besser werden wird; denn bis Ende dieses Jahrzehnts treten auch noch die Schuldenbremsen der Länder in Kraft.
Das Ganze erhöht im Übrigen auch noch den Privatisierungsdruck, vor allen Dingen bei kleineren öffentlich- rechtlichen und frei-gemeinnützigen Krankenhäusern in der Fläche, weil es denen kaum möglich ist, Investitionen über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Insofern geht es uns mit dem vorliegenden Änderungsantrag auch darum, der absehbaren nächsten Übernahmewelle durch große Klinikkonzerne entgegenzutreten.
Die Sicherstellung der stationären Versorgung muss aus unserer Sicht eine öffentliche Aufgabe bleiben.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb wollen wir, dass der Bund 2,5 Milliarden Euro für Krankenhausinvestitionen dazugibt. Für jeden Euro, den die Bundesländer zusätzlich investieren, soll der Bund 1 Euro drauflegen. Anders ist aus unserer Sicht der Investitionsstau, der inzwischen auf 50 Milliarden Euro geschätzt wird, nicht zu stemmen.
Weder können veraltete bzw. fehlende Geräte, unzeitgemäße, unpraktische und unhygienische Bauten die Zukunftsvision vieler Krankenhäuser sein, noch darf der Verkauf an Klinikkonzerne der letzte Ausweg für die Krankenhausträger sein. Wir fordern das ja inzwischen seit mehreren Wahlperioden. „ Steter Tropfen höhlt den Stein“, heißt das Sprichwort. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Union hat vor kurzem über die Beteiligung des Bundes an den Krankenhausinvestitionen gesprochen.
Die Koalitionsdisziplin wird Union und SPD heute sicherlich wieder dazu bewegen, unseren Änderungsantrag mit ihrer Mehrheit wegzustimmen, aber ich bin zuversichtlich, dass unsere Idee bald umgesetzt werden wird. Anders geht es nämlich nicht mehr. Auch die Länder sollten das einsehen, weil sonst die staatliche Krankenhausplanung insgesamt auf der Kippe steht und von einer Finanzierung durch die Krankenkassen abgelöst werden wird. Wer wie wir will, dass die Krankenhausplanung eine öffentliche und politische Aufgabe bleibt, kann das nicht wollen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum zweiten Änderungsantrag, in dem es um nichtkommerzielle Pharmaforschung geht. Bei der Erforschung neuer Arzneimittel gibt es ein Problem, und zwar ein grundsätzliches, das wir dringend lösen müssen, weil die kommerzielle Pharmaindustrie es nicht lösen kann. Ein Pharmaunternehmen erforscht neue Wirkstoffe nicht in erster Linie, weil es Kranken damit helfen kann – sicher auch –, sondern es hat, wie jedes Unternehmen, ein Interesse: Profitabilität.
Wenn aber klar ist, dass mit einem an sich sinnvollen Medikament kein Gewinn zu machen ist, dann wird auch nicht weiter geforscht. Das ist so bei Medikamenten, die gegen seltene Erkrankungen helfen, die also nur eine kleine Absatzgruppe, einen kleinen Markt, haben. Das ist auch der Fall bei armutsassoziierten Krankheiten wie Malaria, Wurmkrankheiten oder Denguefieber. Zigmillionenfach treten diese Krankheiten auf, Millionen Menschen sterben jedes Jahr daran, aber geforscht wird wenig. Deshalb fordern wir jährlich eine halbe Milliarde Euro für die nichtkommerzielle Erforschung der Medikamente gegen diese Krankheiten.
Die kleinen Ansätze, die es bisher gibt, etwa die Fördermaßnahmen des Forschungsministeriums mit gut 5 Millionen Euro, reichen bei weitem nicht aus. Ich möchte darauf hinweisen – sonst könnte man jetzt sagen, das ist wieder eine sozialistische Marotte von uns –: Die USA haben bereits 2009 1,5 Milliarden Dollar öffentliche Gelder in die Erforschung vernachlässigter Krankheiten gesteckt. Das ist das 200-Fache von dem, was die Bundesregierung derzeit plant. Mit unserer Forderung könnten wir uns also auf Augenhöhe mit den USA bewegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Thema Drogenforschung. Die Bundesregierung will die Mittel für Modellmaßnahmen und Forschungsvorhaben zum Drogenmissbrauch um 500 000 Euro auf 2,9 Millionen Euro senken. Das halten wir für falsch. Wir fordern, diese Kürzung rückgängig zu machen. Es gibt großen Forschungsbedarf, vor allem was die Wirksamkeit der bestehenden Illegalisierung des Drogenkonsums angeht. Viele namhafte Experten gehen davon aus, dass das heutige Drogenstrafrecht mehr schadet als nutzt. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie uns diese ideologieverblendete Diskussion endlich auf eine sachliche Grundlage stellen und wissenschaftlich erforschen, ob eine Legalisierung und Regulierung von Drogen und ihres Konsums hilfreicher sein könnten als eine moralisch verbrämte Verbotspolitik.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Änderungsantrag zum Drug-Checking betrifft ebenfalls das Thema Drogen. Wir fordern 400 000 Euro für die Erforschung von Drug-Checking. Worum geht es dabei? Das ist vergleichbar mit dem bayerischen Reinheitsgebot bei der Droge Nummer eins, dem Bier.
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Jetzt reicht es aber! Kulturgut, Herr Kollege!)
Drug-Checking bedeutet, dorthin zu gehen, wo viele Menschen Drogen konsumieren, und ihnen vor Ort einen Test anzubieten, um festzustellen, wie rein bzw. wie verunreinigt die entsprechenden Drogen sind.
Herr Kollege Weinberg, denken Sie bitte an die Zeit.
Ich komme gleich zum Schluss. – Das hat mehrere Vorteile: So können Schädigungen durch Verunreinigungen verhindert werden, man kann Daten über die Qualität der jeweiligen Drogen erheben, und man hat die Gelegenheit, die Konsumentinnen und Konsumenten über die Substanzen zu informieren. In Österreich, den Niederlanden und der Schweiz hat man damit gute Erfahrungen gesammelt.
Herr Kollege Weinberg!
Ich denke, all diese Themen sind wichtig und müssen auch von Ihnen behandelt werden. Ich befürchte, Sie werden unsere Änderungsanträge nicht mit beschließen. Die Themen können Sie aber nicht vom Tisch wischen. Sie werden uns erhalten bleiben und weiter beschäftigen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Blienert, SPD.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3561719 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 41 |
Tagesordnungspunkt | Epl 15 Gesundheit |