Axel SchäferSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für einen Sozialdemokraten ist diese Haushaltsdebatte deshalb ein bisschen schwierig, weil dies die erste Regierung mit Beteiligung der SPD in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist, in der wir nicht das Entwicklungsministerium führen. Seit 1961 waren es 27 von 53 Jahren, in denen wir den Minister gestellt haben. Deshalb ist der Maßstab, den wir an den neuen Minister anlegen und der von „Ben Wisch“ bis Heidi Wieczorek- Zeul definiert wurde, hoch. Ich wollte deshalb eines einleitend sagen. Der Kollege Müller ist jemand, der– unabhängig davon, dass es Themen gibt, bei denen man immer wieder Diskussionsbedarf hat und nicht automatisch einer Meinung ist – Sachen offen und fair angeht, mit dem man sich ordentlich auseinandersetzen kann und der auch zu seinem Wort steht. Ich glaube schon, dass das eine gute Zusammenarbeitsbasis für das ist, was wir hier gemeinsam in dieser Koalition, in diesem ganzen Haus und speziell im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung machen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Natürlich müssen wir bei den Finanzen immer ein Stück selbstkritisch sein. Wir haben, wie gesagt, einen Mittelaufwuchs von 2,3 Prozent. Das ist für die SPD akzeptabel, aber auf jeden Fall ausbaufähig und sogar ausbaunotwendig. Wenn wir über diese Mittel reden, ist es wichtig, dass wir zugleich darauf hinweisen, dass wir als Teil der Europäischen Union in dieser Gemeinschaft immerhin mehr als 60 Prozent der internationalen Entwicklungszusammenarbeit leisten und damit weltweit der größte Geber sind.
Als größter Binnenmarkt der Welt ist die EU zudem ein wichtiger Handelspartner vieler Entwicklungs- und Schwellenländer und hat damit natürlich auch wichtigen Einfluss auf die Welthandelsordnung. Die Kombination aus finanziellem, wirtschaftlichem und politischem Einfluss macht deshalb die Europäische Union und damit einen ganz wichtigen Teil Deutschlands zu einem entscheidenden Akteur in der internationalen Entwicklungspolitik. Diesen Einfluss gilt es für strategische Partnerschaften wie die mit den USA, China, Brasilien, Indien, Japan und auch den afrikanischen Staaten zu nutzen, um nicht nur für die europäischen, sondern auch für die universellen Werte wie Demokratie, Grundrechte, Stabilität, Sicherheit, Wohlstand und Chancengleichheit weltweit einzutreten.
Eins ist für uns klar: Bilaterale Abkommen sind dabei insgesamt nicht nachhaltig. Es wird darauf ankommen, dass die Mitgliedsländer der EU mit einer Stimme sprechen, damit man stark genug ist, um international wirklich Einfluss zu nehmen. Nur wenn wir diesen Einfluss nehmen, können wir auch einen Beitrag zur Bekämpfung von Armut und einen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten. Das ist ja immer noch unser gemeinsamer Anspruch.
(Beifall bei der SPD)
Der EU-Afrika-Gipfel im April dieses Jahres hat die Wichtigkeit einer einheitlichen europäischen Linie abermals verdeutlicht. Die EU setzt sich für eine kontinuierliche Unterstützung der Afrikanischen Union zur Wahrung und Verbesserung der Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo, in der Region der Großen Seen, im Südsudan, in Somalia und in Mali ein.
Wahlbeobachtungen zum Beispiel sind hier ein ganz wichtiger Ansatz. Von unserem Selbstverständnis her muss sich die EU und müssen wir uns – mittenmang – insbesondere um eine friedliche und dauerhafte Lösung des internen Konflikts im Südsudan bemühen, der bekanntlich mit schwerwiegenden Folgen auch auf Nachbarregionen übergreifen könnte.
Afrika bildet für die EU und die deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen Schwerpunkt. Minister Müller wird nicht müde, das zu betonen. Wir betonen unsere Bitte, dass er dabei die Ansätze seiner Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul aufnimmt und ihre Politik fortsetzt. – Er nickt. Das ist schon einmal ein ganz gutes Zeichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber nicht alles!)
– Nicht alles. Wir sind ja auch nicht eine Partei. Unsere Fraktionen bilden ja nur eine Koalition auf Zeit; so ist es nun einmal.
Eins ist klar: Afrika ist vom Alter seiner Einwohner her nicht nur der jüngste Kontinent – ich persönlich hoffe, dass die afrikanischen Länder bei der Fußball- WM ein bisschen erfolgreicher als bisher abschneiden –, sondern zeichnet sich auch durch ein enormes Wachstumspotenzial aus, da sich die Anzahl seiner Einwohner im nächsten Jahrzehnt annähernd verdoppeln wird. Das ist aber nur die eine Seite.
Die andere Seite sind die schrecklichen Bilder von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. Sie verdeutlichen uns einerseits, wie nah uns Afrika ist, und andererseits unsere besondere Verpflichtung. Als wichtigstes Instrument der Europäischen Union für die Zusammenarbeit mit den berühmten AKP-Staaten, also mit Staaten aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum, gibt es seit 55 Jahren den Europäischen Entwicklungsfonds. Dieser Fonds finanziert notwendige Projekte und Programme, die zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Region beitragen. Er umfasst mehrere Einzelinstrumente, wie nichtrückzahlbare Hilfe, Risikokapital und Darlehen auch an den Privatsektor. Der Anteil der Förderung für überregionale Programme ist im mehrjährigen Finanzrahmen bis 2020 immerhin um 15 Prozent erhöht; er umfasst nunmehr fast 27 Milliarden Euro. Damit unterstreichen auch wir innerhalb der Europäischen Union und als EU insgesamt, dass die ökonomische Integration als Basis für nationale und lokale Entwicklung zu fördern ist.
Neben den wichtigen Punkten, die meine Vorrednerin Bärbel Kofler bereits zum Thema „Gute Arbeit weltweit“ angesprochen hat, gibt es noch einen anderen wichtigen Prozess: Auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit wird der Schwerpunkt weiter auf der Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele sowie auf der Vorbereitung für den neuen Rahmen für nachhaltige Entwicklung und Armutsbeseitigung in der Zeit nach 2015 liegen. Wir wissen, dass das für uns noch ein ordentliches Stück des Weges ist; das muss man selbstkritisch feststellen. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass dabei der Europäischen Union eine Schlüsselrolle zukommt, insbesondere bei der Ausarbeitung des neuen universellen Rahmens, der auf drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet ist, nämlich Wirtschaft, Soziales und Umwelt.
Die SPD setzt sich konkret dafür ein, dass wir erstens den Kampf gegen Hunger und Armut führen, dass wir zweitens die universellen Menschenrechte vertreten und auf ihre Einhaltung drängen, dass wir drittens gute Arbeit weltweit sowie ein faires und offenes Handelssystem erreichen, dass wir viertens eine krisensichere globale Finanzstruktur mit Steuergerechtigkeit verbinden und dass wir fünftens gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels durchführen.
Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle einmal auf einen anderen Punkt eingehen, der in der Entwicklungszusammenarbeit aus meiner Sicht eine herausragende Bedeutung hat. Wir werden in Zukunft, auch in unserer Diskussion in diesem Haus, schauen müssen, wie wir uns in Europa, im europäischen Zusammenhang besser vernetzen, wie wir nicht nur miteinander arbeiten, sondern auch voneinander lernen können. Das heißt, auch selbstkritisch zu schauen, wie weit wir bei unseren eigenen Zielen sind und was wir als Beitrag dazu leisten können.
Es gibt einen interessanten Beitrag, finde ich, der bisher unterschätzt wird. Wenn ich auf Claudia Roth gucke oder auf meinen Freund Frithjof Schmidt, dann komme ich dazu, zu sagen: Wir müssen es fördern, dass Mitglieder des Europäischen Parlaments auch einmal Mitglieder des Deutschen Bundestages werden. Das ist in den beiden Fällen so geschehen. Das ist bei der Linkspartei bei Sahra Wagenknecht der Fall. Das ist auch bei der Union der Fall.
(Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Der Minister auch!)
– Es ist auch gut, dass das bei Gerd Müller der Fall ist,
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat gutgetan!)
der genau dann in den Bundestag wechselte, als ich ins Europäische Parlament gewählt wurde. So gesehen gibt es da ganz wichtige Verbindungslinien.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Gerade bei einem solchen Thema, bei dem es Gott sei Dank nicht darum geht, zu ideologisieren, sondern darum, eine gemeinsame Verantwortung wahrzunehmen, können wir so, auch durch Diskussionen in den Fraktionen, zu gemeinsamen Ergebnissen kommen.
Willy Brandt hat vor langer Zeit einmal gesagt: „Die Entwicklungspolitik von heute ist die Friedenspolitik von morgen.“ Ich bin als stellvertretender Fraktionsvorsitzender neben meiner Zuständigkeit für Europa jetzt auch im Entwicklungsbereich dabei. Für mich als ehemaligen Referenten von Willy Brandt, wenn ich das einmal persönlich sagen darf, ist das ein bisschen die Rückkehr zur Basis und zu dem, was es vor 30 Jahren an Dritte-Welt-Projekten gegeben hat. Ich lerne noch ein bisschen dazu und freue mich auf unsere Diskussionen und die weitere Zusammenarbeit im Ausschuss.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Uwe Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3565492 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 42 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |