Sabine ZimmermannDIE LINKE - Einführung eines Mindestlohnes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Mast, die Agenda 2010 haben Sie nicht für die Gewerkschaften gemacht. Damit haben Sie garantiert, dass sich die Lohnspirale in Deutschland in den letzten zehn Jahren immer weiter nach unten gedreht hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewerkschaften, Verbände, Vereine und viele andere haben seit Jahren für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn geworben. Sie haben dafür gekämpft, sie haben dafür gestritten, und sie haben dafür demonstriert. Alle dürfen heute einen Teilerfolg einfahren.
Wenn ich den Reden der CDU/CSU und der SPD hier zuhöre, dann muss ich feststellen: Sie wollen sich den Erfolg einfach am liebsten allein an die Brust heften.
(Widerspruch bei der SPD)
– Nein, hören Sie mir zu! – Ich kann Ihnen nur sagen: Ohne uns hätten Sie das alles nicht geschafft.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)
Es gehört auch zur Wahrheit, dass die Linke die erste Partei war, die diese Frage hier im Deutschen Bundestag gestellt hat. Da Sie, Kolleginnen und Kollegen der SPD, hier so herumschreien, will ich Ihnen sagen: Wir haben zehnmal einen entsprechenden Antrag gestellt, sogar wortgleich mit Ihrem eigenen Aufruf. Sie haben immer dagegen gestimmt. Wir hätten den Mindestlohn schon früher haben können.
(Beifall bei der LINKEN)
Was Sie heute hier abliefern, ist nun wirklich kein echter flächendeckender Mindestlohn, wie ihn viele Menschen erwarten und den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, im Wahlprogramm ausdrücklich versprochen haben. Unter den Ausnahmen Ihres Flickenteppichs ist die wohl skandalöseste die geplante Ausnahmeregelung für 1 Million Menschen, die langzeitarbeitslos sind.
(Widerspruch bei der SPD)
Ich frage die Kolleginnen und Kollegen der Union und der SPD: Finden Sie Stundenlöhne von 1,60 Euro vertretbar? So viel hat nämlich ein Brandenburger Rechtsanwalt mit arbeitsgerichtlicher Genehmigung zwei langzeitarbeitslosen Kollegen für Aushilfstätigkeiten gezahlt. Das ist ungerecht. So etwas darf es in diesem Land doch nicht geben!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ist es das, was Sie mit Ihrer Ausnahmeregelung auch weiterhin möglich machen wollen? Müssen dafür Langzeitarbeitslose zu Beschäftigten zweiter Klasse degradiert werden? Wollen Sie diesen Menschen dafür ihre Würde und ihre Wertschätzung absprechen? Und Sie frage ich: Glauben Sie ernsthaft, dass Arbeitgeber Menschen, die zehn oder elf Monate erwerbslos gewesen sind, zum Mindestlohn einstellen? Nein, das werden sie nicht, weil sie dank Ihrer Regelung nur etwas zu warten brauchen, und dann können sie diese Kolleginnen und Kollegen einstellen und unterhalb des Mindestlohns bezahlen.
Sie behaupten, Sie wollten Langzeitarbeitslosen eine Chance eröffnen. Meine Damen und Herren, das ist einfach nur Unsinn. Sie diskriminieren die Kolleginnen und Kollegen, die langzeitarbeitslos sind, und das können wir nicht zulassen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, es sind vor allen Dingen Frauen, die Sie hier diskriminieren; denn diese sind häufiger langzeitarbeitslos als Männer. Unter den betroffenen Frauen sind übrigens auch besonders viele Alleinerziehende. Ich frage Sie: Entspricht ein Lohn unterhalb des Mindestlohnes, der insbesondere Frauen trifft, Ihrer Vorstellung von Geschlechtergerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!)
Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass wir so etwas in diesem Haus zulassen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was für Frauen gilt, gilt leider auch für Menschen mit Behinderung. Auch sie sind von Langzeitarbeitslosigkeit leider überproportional betroffen. Deutschland hat den zweitgrößten Niedriglohnsektor Europas. Damit sich das nicht so schnell ändert, öffnen Sie großzügig die Türen zur Umgehung des Mindestlohnes. Hire and fire, anstellen und entlassen, wird so ein attraktives Modell für Arbeitgeber werden, und das geht nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit sich die Betroffenen dagegen auch gar nicht wehren können, halten sie zudem stur an den Sanktionen bei Hartz IV fest.
(Zuruf von der LINKEN: Genau!)
Das ist nicht nur ein sozialer Skandal, es ist auch arbeitsmarktpolitisch völlig unsinnig.
(Beifall bei der LINKEN)
Es droht ein Drehtüreffekt bei den Langzeitarbeitslosen, ein Hin- und Herpendeln zwischen kurzfristigen Dumpingjobs und Arbeitslosigkeit. Damit wird ihnen die dauerhafte Beschäftigung verwehrt.
Ich komme zum Schluss.
(Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)
Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was diese Ausnahmeregelung rechtfertigt.
Ein Mindestlohn ohne Ausnahmen ist nur dann ein Mindestlohn ohne Ausnahmen, wenn der Mindestlohn keine Ausnahmen hat. – Wer hat das wohl gesagt? Das war der DGB. Und er hat recht! Wo bleiben denn da Ihre sozialdemokratischen Wurzeln, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD?
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja, ich komme zum Schluss.
Ich sage Ihnen: Die Linke wird weiter für einen Mindestlohn streiten, der seinen Namen auch verdient.
(Beifall bei der LINKEN)
Danke schön, Frau Kollegin. – Wie ich aus gutunterrichteten Kreisen höre, bittet der Bundesfinanzminister um einen differenzierten Umgang mit der Spieltaktik unserer Nationalmannschaft. Ich übermittle diese Bitte gerne.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich verstehe kein Wort!)
Ich erteile das Wort Stephan Stracke für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3594432 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 46 |
Tagesordnungspunkt | Einführung eines Mindestlohnes |