03.07.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 46 / Tagesordnungspunkt 6

Jutta KrellmannDIE LINKE - Befristung von Arbeitsverhältnissen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, insbesondere aus Hameln! Wir haben heute Morgen über das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie diskutiert. Ein ganz wichtiger Teil hat aus unserer Sicht dabei gefehlt, und zwar die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Seit dem 1. Mai 1985 haben die Arbeitgeber mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse ohne Angabe von Gründen zu befristen. Die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse hat sich seitdem verdoppelt. Jede zweite Neueinstellung erfolgt sachgrundlos befristet. Von den sachgrundlosen Befristungen hat sich Schwarz-Gelb damals große beschäftigungspolitische Effekte erhofft. Wie zu erwarten war, sind diese nicht eingetreten. Stattdessen sind immer mehr unbefristete Arbeitsverhältnisse durch befristete ersetzt worden. Das ist ein Drehtüreffekt nach unten.

Sachgrundlose Befristungen haben in Deutschland Hochkonjunktur. Die Arbeitgeber begründen ihre Vorliebe für Befristungen mit Sätzen wie diesen: Was denn? Wir machen das doch nur, weil es gesetzlich erlaubt ist. Wir machen das doch nur, weil wir es machen dürfen.

Was wollen eigentlich die Beschäftigten? Knapp 90 Prozent ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wichtig. Das zeigt eine Umfrage der IG Metall aus dem letzten Jahr unter Beschäftigten. Im Grunde fordern alle Gewerkschaften die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen. Wir finden das gut und laden die Gewerkschaften ein, mit uns gemeinsam dafür zu kämpfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich ein paar Sätze zu den Folgen von Befristungen für die Beschäftigten sagen. Hier gibt es zwei große Probleme: Die Arbeitsschutzgesetze werden ausgehöhlt, und die Qualität der Arbeit leidet. Eine Befristung führt praktisch zu einer Ausweitung der gesetzlichen Probezeit. Darüber hinaus können die Unternehmen unliebsame Beschäftigte, beispielsweise kritische Betriebsräte, werdende Mütter und Menschen mit Behinderungen, einfacher loswerden als in anderen Fällen.

Aber auch eine Krankmeldung kann im Zweifel schon zu einem Problem werden. Das zeigt das Beispiel einer befristet Beschäftigten bei der Deutschen Post. Die Kollegin hatte über einen Zeitraum von 17 Jahren – ich wiederhole: 17 Jahre – mehr als 80 Arbeitsverträge, um ihren Job zu behalten. Das allein ist schon ein Unding.

(Beifall bei der LINKEN)

Weil sie Anfang des Jahres krankheitsbedingt ausgefallen ist, wurde ihr Vertrag nicht weiter verlängert. Das zeigt: Wer für den Arbeitgeber unbequem ist oder seine Rechte einfordert, läuft Gefahr, nach Ablauf der Befristung nicht weiterbeschäftigt zu werden. Nur durch massiven Druck ist es gelungen, zu erreichen, dass diese Frau einen unbefristeten Vertrag bekommen hat. Das ist eine unglaubliche Geschichte. So etwas darf es einfach nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn das kein Skandal ist, was denn dann?)

Auch für die Qualität der Arbeit ist es entscheidend, ob ein Arbeitsvertrag befristet ist oder nicht; denn wer befristet beschäftigt ist, hat Angst vor dem Verlust seiner Arbeit und hält deswegen lieber die Klappe. Wer befristet beschäftigt ist, wehrt sich nicht gegen Ungerechtigkeit und beteiligt sich auch nicht an so etwas wie Warnstreiks oder Streiks im Betrieb; das ist der Zusammenhang zum Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie. Nur so kann man auch die Tarifautonomie stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer befristet beschäftigt ist, kann deshalb nie seine Rechte als Beschäftigter in vollem Umfang wahrnehmen. Das darf es aus unserer Sicht in Deutschland nicht länger geben. Besonders schlimm finde ich, dass viele junge Menschen davon betroffen sind. Jeder zweite Berufseinsteiger wird heute nur noch befristet eingestellt. Das erschwert nicht nur die berufliche Lebensperspektive, sondern auch die Lebensplanung für die Zukunft. Dass die Große Koalition dies nicht anerkennt, zeigt, wie unwichtig ihr diese Generation praktisch ist, Fachkräftemangel hin oder her. Dabei war gerade die SPD auf dem richtigen Weg. Wir alle erinnern uns: Noch vor neun Monaten war auch die SPD für die Abschaffung sachgrundloser Befristungen. Das stand in ihrem Wahlprogramm. Jetzt schweigen Sie und hoffen, dass es keinem auffällt. Aber nicht mit uns!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion und ich werden dafür sorgen, dass das Thema Befristung weiterhin präsent bleibt. Ich kämpfe nicht umsonst seit 1985 gegen befristete Arbeitsverhältnisse. Wir werden so lange nicht locker lassen, bis das unbefristete Arbeitsverhältnis in Deutschland wieder zur Regel wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Wilfried Oellers, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3594726
Wahlperiode 18
Sitzung 46
Tagesordnungspunkt Befristung von Arbeitsverhältnissen
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