10.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 04

Hiltrud LotzeSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste auf den Tribünen! Wir haben heute Morgen in einer Gedenkstunde des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren gedacht. Der polnische Staatspräsident Komorowski hat dazu eine beeindruckende europäische Rede gehalten. Sie hat mich an die Worte von Alfred Grosser erinnert, der im Juli auch hier zu uns gesprochen hat, als wir des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren gedacht haben. Das sind zwei historische Ereignisse, die uns eines mehr als deutlich machen, nämlich die Bedeutung Europas als Friedensprojekt. Beide Festredner haben das deutlich betont. Die Europäische Union ist aus den Ruinen zweier Weltkriege entstanden, aus der Sehnsucht der Menschen nach Frieden und Freiheit. Auch Präsident Komorowski hat noch einmal deutlich hervorgehoben, dass wir in Europa die Zukunft nur gemeinsam gestalten können.

Die Erinnerung an die schmerzliche Vergangenheit des 20. Jahrhunderts läuft aber auch Gefahr, eher trennend als identitätsstiftend für die Europäische Union zu wirken. Gerade in diesen Tagen sehen wir, dass sich jede Nation primär an das je eigene Schicksal erinnert. Die Gedenkveranstaltungen und die Inhalte unterscheiden sich doch sehr. Ein gemeinsames europäisches Geschichtsbewusstsein, ein Wir-Gefühl ist da noch nicht wirklich zu erkennen. Dabei geht es nicht darum, eine Gleichmacherei in der Gedenk- oder Geschichtspolitik zu erreichen, ganz im Gegenteil: Die Verantwortung und Schuld Deutschlands sind unbestritten und dürfen auch nicht vergessen werden.

Es bietet sich hier jedoch die Gelegenheit, eine historische Chance zu ergreifen, nämlich uns mit den europäischen Nachbarn über unsere Vergangenheit auszutauschen, das Trennende nicht zu verschweigen, aber eben auch das Gemeinsame unserer europäischen Geschichte zu betonen, und zwar mit dem einen Ziel, uns besser zu verstehen.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem gegenseitigen Verstehen kann dann eine gemeinsame europäische Identität erwachsen, die wir doch dringender brauchen als je zuvor. Auch ich darf Richard von Weizsäcker zitieren:

Gemeinsames Gedenken und Erinnern in Europa machen uns gemeinsam stark für die Zukunft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier sind wir Kulturpolitiker gefragt.

Natürlich muss sich dieses Ansinnen – Gedenken und Erinnern – auch im Haushalt, den wir hier debattieren, wiederfinden. Das ist natürlich eine ziemlich große Aufgabe, die wir damit für den doch recht übersichtlichen Etat der Beauftragten der Bundesregierung formulieren, der für das nächste Jahr 1 237 231 000 Euro umfasst. Verglichen mit dem Regierungsentwurf für 2014 steigt das Budget für Kulturpolitik aber immerhin um 2,2 Prozent. Damit, denke ich, sind wir doch recht gut aufgestellt und können die Kulturpolitik auf hohem Niveau fortführen, zumal es uns bislang in den Haushaltsberatungen eigentlich immer gelungen ist, bestimmte Schwerpunkte noch einmal zu verstärken, auch wenn es die Kulturstaatsministerin nicht geschafft hat, die Erhöhungen an allen Stellen fortzuschreiben. Aber gerade wir Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker wissen ja: Wir müssen immer ein bisschen mehr kämpfen als die anderen. Dabei haben uns die Haushaltspolitiker – ich sehe da den Kollegen Kruse – bisher immer unterstützt. Gemeinsam haben wir auch viel für die Kultur erreicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Schauen wir uns den Etat einmal genauer an – ich erlaube mir, auch da symbolisch die erinnerungs- und gedenkpolitische Brille aufzusetzen; zu weiteren Aspekten des Etats wird mein Kollege Burkhard Blienert gleich noch etwas sagen, weil wir ja über den Etat für Kultur und Medien sprechen –: Mit Blick auf die historischen Ereignisse, derer wir 2014 gedenken, wurde im Haushalt 2014 für die historischen Jahrestage eine Summe von 550 000 Euro zur Verfügung gestellt. Im Regierungsentwurf für 2015 ist diese Position leider auf null gesetzt. Das ist ein Punkt, über den wir angesichts der anstehenden Jubiläen in 2015 – ich erinnere an die Wiedervereinigung – noch einmal reden müssen. Die friedliche Revolution war ja nicht am 31. Dezember 1989 beendet, sondern sie setzte sich im darauffolgenden Jahr fort. Wie wichtig dieses Ereignis für Deutschland und für Europa war und wie sehr es unsere Welt verändert hat, hat Herr Komorowski auch heute Morgen betont. Ich denke, hier sollten wir uns doch sehr um ein europäisches Gedenken bemühen.

Ein wichtiger Akteur, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die europäische Erinnerungskultur zu fördern und ein gemeinsames Geschichtswissen über die Grenzen hinweg zu entwickeln, ist das Europäische Netzwerk Erinnerung und Solidarität. Deutschland beteiligt sich daran mit 300 000 Euro. Diese Mittel werden auch 2015 wieder zur Verfügung stehen, was ich sehr begrüße. Wir haben übrigens im Koalitionsvertrag die Bedeutung dieses Netzwerkes festgeschrieben. Dem muss natürlich auch der Haushalt der Kulturstaatsministerin Rechnung tragen.

Ebenfalls im Koalitionsvertrag besonders erwähnt ist das Gedenkstättenkonzept des Bundes. Dieses wollen wir weiterentwickeln, auch um der positiven Momente unserer Geschichte – ich nannte eben schon die Wiedervereinigung – zu gedenken. Der Titel erfährt mit 7 670 000 Euro in 2015 eine Steigerung um fast 2 Millionen Euro.

Gedenkstätten – wir haben eben in der Debatte schon etwas darüber gehört – haben ja eine wichtige Funktion. Sie können und sollen das Gedenken lebendig halten und gerade auch jungen Menschen ein authentisches Bild unserer Geschichte vermitteln. Wir leben in einer Zeit, in der es immer weniger Zeitzeugen, die an die Zeit des Nationalsozialismus oder an Flucht und Vertreibung erinnern könnten, gibt. Deswegen ist es so wichtig, die Gedenkstätten weiterhin in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe wahrzunehmen. Sie dürfen sich nicht einfach zu Denkmälern entwickeln, die ich mir angucke, aber von denen keine Impulse und keine Bildung ausgehen.

Gerade das Interesse von Jugendlichen zum Beispiel an Orten der Nazivergangenheit ist groß. Dieses Interesse, das vorhanden ist, dürfen wir nicht verspielen. Aber gerade diese NS-Gedenkstätten – das ist eben schon gesagt worden – klagen über einen Investitionsstau. Schon im Haushalt 2014 wurde ein Sonderinvestitionsprogramm eingestellt, weil die Bundesländer nicht in der Lage waren, mitzufinanzieren. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir hier über andere Möglichkeiten und Wege nachdenken, um den Bundesländern bei dieser wichtigen Aufgabe zu helfen.

Ich sprach bereits darüber, dass wir aus Geschichte lernen wollen. Dazu will ich noch ganz kurz das zentrale Projekt der nächsten Jahre ansprechen, den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, vor allen Dingen aber das darin enthaltene Humboldt-Forum. Jeder, der daran vorbeigeht oder vorbeifährt, merkt, dass da schon ziemlich was zu sehen ist. Soweit wir wissen, läuft da auch alles nach Plan. Was aber unsere höchste Aufmerksamkeit als Kulturpolitiker verdient, ist die inhaltliche Ausgestaltung und das Konzept des Humboldt-Forums. Hier soll sich ja – so ist die Idee – die Welt treffen und über kulturelle Grenzen hinweg die wichtigen Themen der Zeit verhandeln. Insofern ist das eine einmalige und historische Chance.

Ebenfalls wollen wir die Planungen und Bauvorhaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unterstützen, die ein einzigartiges kulturelles Erbe bewahrt. Dafür sind 25 Millionen Euro zusätzlich für Bauinvestitionen in den Haushaltsentwurf der BKM eingestellt. Das ist eine beträchtliche Summe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zum Schluss noch einmal betonen, dass wir mit dem Entwurf der Bundesregierung für den Etat der Beauftragten für Kultur und Medien in 2015 eine erfreuliche Arbeitsgrundlage haben. Gemeinsam mit unseren Haushältern, die ebenso wie wir ein großes Herz für die Kultur haben, werden wir uns bemühen, noch einige Akzente zu setzen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lotze. – Nächster Redner in der Debatte: Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3851717
Wahlperiode 18
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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