10.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 50 / Einzelplan 09

Joachim PfeifferCDU/CSU - Wirtschaft und Energie

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man hier hört, wie schlecht es uns angeblich geht, muss endlich einmal gesagt werden: Das Gegenteil ist der Fall. Es ist doch deutlich geworden: Deutschland geht es gut, und zwar so gut wie lange nicht, trotz manchem Dämpfer auch konjunktureller Art – 0,2 Prozentpunkte Wachstum geben uns durchaus zu denken –, zahlreichen politischen Krisen in Europa und auch weltweit und der Schuldenkrise in Europa, die sicherlich nicht vorbei ist, aber im Moment pausiert. In einigen Ländern wurden die richtigen Entscheidungen getroffen – dort nimmt die Wettbewerbsfähigkeit zu; auch bei den Exporten legen diese Länder zu –; ich meine Spanien und Portugal. In anderen Ländern wie in Frankreich sind die Weichen noch nicht richtig gestellt.

Deutschland steht dagegen so gut da wie nie zuvor. Die Beschäftigtenzahl hat einen historischen Höchststand erreicht: Fast 43 Millionen Menschen sind in Lohn und Brot. Wir eilen hier von Rekord zu Rekord. In den letzten Jahren haben wir erst von 40 Millionen, dann von 41 Millionen und schließlich von 42 Millionen gesprochen. Jetzt scheint es eine realistische Perspektive zu sein, dass 43 Millionen Menschen in Lohn und Brot sein werden. Sehr viele dieser Menschen zahlen natürlich Sozialversicherungsbeiträge und Steuern und ermöglichen dadurch, dass es Deutschland auch weiterhin gut geht. Ich werde versuchen, darauf einzugehen, was wir hier noch tun müssen. Die Arbeitslosigkeit ist im Gegenzug auf einem Rekordtief angelangt.

Es gibt zwei Säulen, die dieses Wachstum gleichermaßen tragen. Es ist eben nicht so, dass es keine Lohnzuwächse gibt, wie der Kollege Ernst gesagt hat. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben in diesem Jahr Reallohnzuwächse, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben. Die andere Säule des Wachstums sind die Binnennachfrage und der Export. Im Juli haben wir beim Export erstmalig die Marke von 100 Milliarden Euro geknackt. Insofern ist das, was Sie hier gesagt haben, überhaupt nicht nachvollziehbar.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung von Herrn Ernst? – Ja oder Nein?

Ja, immer gerne.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie kommen auch nicht drum herum!)

Gut. – Herr Ernst.

Danke, dass Sie die Frage zulassen. – Herr Pfeiffer, Sie haben gerade gefragt, wie ich auf diese Zahlen komme. Das ist ganz einfach: Die realen Arbeitsentgelte pro Beschäftigtem waren im Jahre 2013 um 3,7 Prozent niedriger als im Jahre 2000. Das heißt, die Einkommen der Beschäftigten sind über einen längeren Zeitraum, nämlich über die genannten 13 Jahre, deutlich gesunken. Es gab also keine Erhöhung und damit auch keine steigende Nachfrage. Übrigens: Auch die Renten der langjährig Versicherten sind von 2000 bis 2012 real gesunken: im Westen um fast 20 Prozent, im Osten um 23 Prozent.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Zahlen sagen über die tatsächliche Einkommensentwicklung doch gar nichts aus!)

Die Masseneinkommen sind also gesunken. Damit geht davon über einen längeren Zeitraum gesehen natürlich kein Wachstumsimpuls aus.

Das war die Feststellung, die ich getroffen habe. Ich denke, dass Sie die Zahlen nun zur Kenntnis genommen haben und in Ihren weiteren Ausführungen wohlwollend berücksichtigen werden.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werden wir noch sehen!)

Ich weiß nicht, woher Sie die Zahlen haben und welche Schlussfolgerungen Sie aus Ihren Zahlen ziehen. Tatsache ist: Fast 43 Millionen Menschen sind in Lohn und Brot – darunter sind 30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte –, die Selbstständigenquote hat zugenommen, und der Anteil der Schwarzarbeit ist so niedrig wie nie zuvor. Wenn sie sich anschauen, wie lange die Menschen heute real arbeiten müssen, um beispielsweise Konsumgüter oder Lebensmittel kaufen zu können, dann sehen Sie, dass sie heute deutlich weniger arbeiten müssen, um sich beispielsweise einen Kühlschrank, einen Computer oder ein Auto kaufen zu können. Das heißt, real stehen die Menschen heute viel besser da als 1990. Das werden Sie doch wohl nicht ernsthaft bestreiten wollen, Herr Ernst.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auf die Staatsschulden ist bereits eingegangen worden. Wir sind nun wirklich in der historisch einmaligen, glücklichen Situation, die allerdings auch nicht vom Himmel gefallen ist, dass wir jetzt einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorlegen können. Was bedeutet es, keine Neuverschuldung zu machen? Im letzten Jahr hat Deutschland erstmalig real über 30 Milliarden Euro an Schulden abgebaut. Damit gewinnen wir in der Zukunft Spielräume. Der Anteil der Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt lag in der Spitze bei 82 Prozent. In diesem Jahr schaffen wir vielleicht eine Reduzierung auf 76 Prozent, und in dieser Legislaturperiode wollen wir auf unter 70 Prozent kommen. Dadurch schaffen wir die notwendigen Spielräume, um die notwendigen Mittel für Innovationen und Wachstum an anderer Stelle zur Verfügung zu haben.

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns darauf ausruhen sollten. Wir dürfen jetzt die Agenda 2010, die für diesen Strukturwandel in Deutschland richtig und wichtig war, nicht rückabwickeln, sondern müssen überlegen: Wie sieht die Agenda 2030 aus? Was müssen wir heute tun, damit die Entwicklung nicht wieder nach unten geht, sondern wir 2030 genauso gut dastehen wie heute?

Dafür ist in der Tat ein langfristiger Rahmen für Wachstum und Beschäftigung von zentraler Bedeutung. Das Freihandels- und Investitionsabkommen mit den Vereinigten Staaten kann da ein zentraler Wachstums- treiber sein.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Dieses Freihandelsabkommen schafft den größten Binnenmarkt der Welt, schafft Wachstumsimpulse über Jahrzehnte hinweg. Es trägt dazu bei, Zollschranken abzubauen

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ohne zusätzliche Kosten!)

– ohne zusätzliche Kosten. In der Automobilindustrie zum Beispiel könnten 1 Milliarde Euro pro Jahr – die Kosten für die Zölle auf Autos sind zwar nicht mehr sehr hoch, aber sie summieren sich ganz schön auf – eingespart werden.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Einem mittelständischen Maschinenbauer entstehen heute für Zulassungen und Umrüstungen von Maschinen im Rahmen des Exports in die USA Zusatzkosten von 15, 20 oder sogar 25 Prozent. Mit Inkrafttreten dieses Abkommens würde er wettbewerbsfähiger, würde der Austausch von Waren verbessert. Das ist Wirtschaftsförderung im besten Sinne.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD])

Es geht doch nicht darum, Standards abzusenken. Glauben Sie denn ernsthaft, dass uns dann, wenn wir es zusammen mit den USA nicht schaffen, weltweit gültige Standards zu setzen, zum Beispiel im Arbeitsschutz, im Umweltschutz oder auch in anderen Bereichen, andere ihre Standards vorgeben und wir dann besser dran wären? Das glauben Sie doch selber nicht. Das Beste, was uns passieren kann, ist, dieses Freihandelsabkommen mit einem guten Ergebnis zügig abzuschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Des Weiteren ist für eine Agenda 2030 natürlich von zentraler Bedeutung, dass wir Innovation, Forschung, Entwicklung und Bildung als Nährboden für das Wachstum und die Sicherung des Wohlstandes weiter stärken. Deshalb ist es sicher richtig – offensichtlich sind mittlerweile alle, selbst die Linken, dafür –, dass wir das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand stärken, indem wir die Mittel um 30 Millionen Euro auf 543 Millionen Euro erhöhen und sie auf diesem hohen Niveau halten; Kollege Tiefensee hat das angesprochen. Dadurch können gerade mittelständische Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen und für Innovationen, für Produkte von morgen, sorgen.

Ich halte es für ziemlich daneben – das muss ich einmal deutlich sagen –, wenn man versucht, diese Mittelstandsförderung gegen die Förderung der Luft- und Raumfahrt auszuspielen. Auch die Luft- und Raumfahrt ist für uns und für den Mittelstand eine Schlüsseltechnologie. Ohne Galileo, ohne Kommunikationsmittel und ohne Satelliten, mit denen das Klima beobachtet wird, werden wir keine guten Wettervorhersagen haben, die für Windkraft oder die Photovoltaik wichtig sind. Auch eine Energiewende, wie wir sie uns gemeinsam vorstellen, wird es ohne diese Technologie nicht geben. Insofern ist es zu kurz gesprungen, zu sagen: Wir brauchen keine Luft- und Raumfahrt. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen diese Technologie.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD])

Wollen Sie den Beschäftigten von Airbus ernsthaft sagen, dass all das, was sie machen, Quatsch ist und wir das, was wir in Europa geschaffen haben, nicht brauchen? An dieser Technologie hängen Hunderttausende von direkten und indirekten Arbeitsplätzen und die Technologieführerschaft im Luftfahrtsektor. Das kann also nicht ihr Ernst sein.

Noch etwas – das sage ich ohne Schadenfreude, weil das zu unser aller Schaden ist –: Die letzten zwei Galileo-Satelliten, die mit einem russischen Trägersystem transportiert wurden, sind nicht dort ausgesetzt worden, wo sie hätten ausgesetzt werden sollen. Das ist ein Problem. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir in Europa weiterhin ein eigenes Trägersystem haben. Wir müssen die Ariane-Trägerrakete weiterentwickeln. Es ist von zentraler Bedeutung für Deutschland und Europa, dass wir eine wettbewerbsfähige und leistungsfähige Luft- und Raumfahrt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich auch etwas zum Thema „Stärkung der Investitionen“ sagen; viele haben das bereits angesprochen. Die Tatsache, dass wir früher 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Investitionen ausgegeben haben und im Moment bei 17 Prozent liegen – der OECD- Durchschnitt beträgt 20 Prozent –, sollte uns nachdenklich machen. Wir müssen überlegen, was wir hier tun können. Wir brauchen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in Netze, Straßen und Schienen. Ich freue mich, dass sich die neue Lkw- und brückenpolitische Sprecherin der Grünen nachhaltig für den Ausbau von Straßen einsetzt.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für den Erhalt!)

Herzlich willkommen an Bord! Bei diesem Thema können wir gar nicht genug Verbündete haben, liebe Kerstin Andreae. Ich freue mich, dass wir uns zukünftig gemeinsam – gegen den grünen Verkehrsminister in Baden-Württemberg – für die Verbesserung der Infrastruktur des Landes einsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst nicht zuhören und es dann nicht kapieren!)

Wir müssen aber nicht nur für Infrastrukturmaßnahmen im Bereich Straße und Schiene, sondern auch für solche im Breitbandbereich und im kommunalen Bereich private Mittel mobilisieren. Öffentliche Mittel allein werden dafür nicht ausreichen. Und wenn wir die Haushaltskonsolidierung, der heute eigentlich niemand – außer von ganz links – ernsthaft widersprochen hat, weiter vorantreiben wollen, dann werden wir uns Konjunkturpakete oder Investitionen auf Pump nicht leisten können.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen wir Schattenhaushalte, oder wie?)

Wir wollen auch keine Investitionen durch Steuererhöhungen finanzieren. Deshalb brauchen wir die Mobilisierung von privatem Kapitel für öffentliche genauso wie für private Infrastruktur. Ich frage Sie: Was ist Schlechtes daran? Die Grünen sind doch auch für Investitionen von Bürgern in Windparks und Photovoltaikanlagen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum sind Sie dann gegen Investitionen von Bürgern in kommunale Infrastruktur oder Straßeninfrastruktur? Lassen Sie uns doch hier Modelle entwickeln, damit wir diese Investitionen in die richtige Richtung lenken können.

Wir haben das beispielsweise bei den Netzen geschafft: Gas- und Stromnetze werden auch hier in Deutschland von internationalen Investoren finanziert.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werden nicht finanziert, die werden verschlampt!)

Da kommt das Geld hierher. Warum soll das nicht auch in anderen Bereichen gehen? Durch eine intelligente Regulierung werden wir es schaffen, dieses Investitionsdefizit auszugleichen.

Mit dem Blick auf die Uhr möchte ich noch sagen, bevor Sie mich ermahnen, Herr Präsident: Es gibt noch viele Dinge, die man in eine Agenda 2030 aufnehmen könnte – Stichworte sind Digitalisierung, Internet 4.0 und andere Dinge mehr. Das ist eine Chance. Auch am Arbeitsmarkt dürfen wir nicht untätig bleiben. Wir werden daran arbeiten. Wir werden jetzt säen, damit wir in Zukunft ernten können und damit Deutschland in Europa und in der Welt weiterhin an der Spitze bleibt. Dieser Bundeshaushalt legt einen Grundstein dafür, dass es dabei bleiben wird. Und wir werden sicherlich in den parlamentarischen Beratungen und Verhandlungen noch an der einen oder anderen Stellschraube drehen, damit es in die richtige Richtung geht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr gute Rede!)

Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Anja Hajduk.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3852035
Wahlperiode 18
Sitzung 50
Tagesordnungspunkt Wirtschaft und Energie
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