Roland ClausDIE LINKE - Bildung und Forschung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, immer wenn ein Mitglied der Bundesregierung einfach alles am eigenen Etat schön findet und eine Rundumzufriedenheit ausstrahlt, ist das natürlich auch eine Einladung an den Bundesfinanzminister, dort noch das eine oder andere zu kürzen.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Macht er aber nicht!)
Selbstverständlich haben wir nicht übersehen, dass die Mittel hier aufgewachsen sind. Aber Sie werden doch auch nicht vergessen haben, wie der Bundesfinanzminister auf der Zielgeraden beim Haushalt 2014 noch erhebliche Einschnitte vorgenommen hat. Deshalb lautet unsere freundliche Ermahnung: Weniger Kabinettsdisziplin, mehr Ressortverantwortung, Frau Ministerin!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – René Röspel [SPD]: Die Linke muss jetzt von Disziplin reden!)
Wer an diesem Tag, dem 11. September, über Bildung redet, darf, glaube ich, über dieses historische Datum, den 11. September 2001, nicht schweigen. Genau an diesem Pult wurde das Wort von der „uneingeschränkten Solidarität“ ausgesprochen. Damit wurde der Weg für eine deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan frei gemacht. Ich wünschte mir, dass einst in den Schulbüchern steht: Es war falsch, diesen Weg zu gehen. Krieg ist das falsche Mittel im Kampf gegen den Terror.
(Beifall bei der LINKEN)
Mehr als 15 Milliarden Euro für Bildung und Forschung, ein besseres BAföG und Kitaausbau – man kann mit Fug und Recht sagen, dass wir alle das wollen, zumal die Besonderheit dieses Haushaltes, eine gewisse Einzigartigkeit darin besteht, dass im Ministerium relativ wenig verwaltet werden muss, dafür aber mit Programmtiteln sehr viel verteilt werden kann, sehr viel auf den Weg gebracht werden kann.
Dennoch gibt es zwei entscheidende Gründe für Kritik an Ihrer Politik, Frau Ministerin.
Das Erste ist: Sie verwechseln Ausgaben des Bundes mit erzielten Ergebnissen. Sie erwecken hier den Eindruck, als ob, wenn wir Geld ins System geben, die gesellschaftlichen Veränderungen, die wir anstreben, schon erreicht wären.
Der zweite Strickfehler besteht darin, dass die 17 Bildungssysteme einfach nicht zusammenpassen und vieles, das auf den Weg gebracht wird, nicht sein Ziel erreicht.
Deshalb sagen wir Ihnen: Sie können den Erfolg Ihrer Arbeit nicht am Ausgabenvolumen festmachen. Es heißt ja auch: Gemessen wurden die Bienen nicht an ihren Flugkilometern, sondern an dem Honig, den sie heimbrachten.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)
Die Zerklüftung der Bildungssysteme führt dazu, dass erwünschte Impulse einfach nicht übertragen werden. Ich will da einen Vergleich aus der Mechanik bemühen: Ein Motor kann noch so stark sein. Wenn das Getriebe die Impulse nicht gut überträgt, entsteht zwar eine Menge Reibung, aber keine Leistung. Genau das ist hier der Fall.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun kann man OECD-Studien ja interpretieren, wie man möchte. Sie haben Ihre Interpretation hier abgeliefert, Frau Ministerin. Aber wir denken schon, dass wir kritisch reflektieren müssen, was uns die OECD vor zwei Tagen in dem Bericht „Bildung auf einen Blick“ offenbart hat. Das Entscheidende, das wir kritisieren, ist, dass Deutschland seine soziale Spaltung über sein Bildungssystem regelrecht reproduziert. Von fünf Arbeiterkindern werden vier Arbeiter.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gegen Arbeiter? Das gibt es doch wohl nicht!)
Es gibt viel zu wenig Durchlässigkeit zwischen den Qualifikationsgruppen. Alles soll schön beim Alten bleiben.
Da gibt es natürlich einen Zusammenhang: Unter den entwickelten Industrieländern hat Deutschland die ungerechteste Verteilung der Einkommen. Diese ungerechte Verteilung der Einkommen setzt sich in einer ungerechten Verteilung des Zugangs zu Bildungschancen fort. Wir sagen Ihnen: Das ist ein Zustand, den die Linke nie und nimmer hinnehmen wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Zudem verweist die OECD-Studie darauf, dass Deutschland beim Anteil der Bildungsausgaben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gerade einmal auf Platz 19 in Europa liegt. Um den Anteil Dänemarks, den Spitzenwert, zu erreichen, müssten in Deutschland 90 Milliarden Euro bei Bund und Ländern zusätzlich aktiviert werden. Das ist für die Bundesregierung unvorstellbar, für uns aber nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Man müsste dann natürlich über neue Einnahmen des Bundes reden.
Ich will ein Wort zum Deutschlandstipendium sagen, das als kombiniertes Stipendium, bei dem es Geld vom Staat und Geld von Sponsoren gibt, in Ihrem Etat ja einen wichtigen Platz einnimmt. Hier hat Ihnen der Bundesrechnungshof vorgerechnet, dass die Verwaltungsausgaben viel zu hoch sind und Sie Ihre eigenen Ziele nicht erreichen. Deshalb sagen wir: Wir könnten auf dieses Instrument gut verzichten und die Mittel für einen Aufwuchs im BAföG-Bereich einsetzen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will zudem auf die großen Ost-West-Unterschiede beim Zugang zum Deutschlandstipendium verweisen. Wo sollen denn ostdeutsche Hochschulen Sponsoren finden, wenn es im Osten nicht einmal Selbstanzeigen von Steuersündern gibt? Da ist doch nichts zu holen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN – René Röspel [SPD]: Das ist aber nicht das Kriterium für Reichtum, ob man sich selbst anzeigt oder nicht! – Weiterer Zuruf von der SPD: Ist das so, ja?)
– Ja, das wurde klar und deutlich veröffentlicht. – Deshalb ist das nicht wirklich erreichbar.
Wir werden uns heute Nachmittag beim Bauetat auch mit der Frage beschäftigten müssen: Wie schaffen wir besseren, bezahlbaren Wohnraum für Studierende? Das ist ein Thema, zu dem gerade die Linke in Leipzig aktuelle Vorschläge unterbreitet hat. Wir werden vorschlagen, die „Wiederbelebung“, wie es bei der Bundesregierung heißt, des sozialen Wohnungsbaus für diesen Bereich zu nutzen und Studierenden damit Chancen auf bezahlbare Wohnungen zu geben.
Herr Claus, Sie müssen zum Schluss kommen.
Studentinnen und Studenten sollen doch studieren und nicht nur jobben gehen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben hier einen Etat mit viel Geld, aber leider wirklich wenig Zukunftsfähigkeit. Deshalb muss sich da noch eine ganze Menge ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie noch einmal bitten, sich an die Redezeit zu halten. Die beiden letzten Redner haben sie erheblich überschritten. Wenn wir so weitermachen, kommen wir mit unserer Planung nicht hin. Das ist, finde ich, nicht fair gegenüber den anderen Kollegen, die heute auch noch ihre Debatten haben.
Herr Schulz, Sie haben das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3855625 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 51 |
Tagesordnungspunkt | Bildung und Forschung |