12.09.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 52 / Tagesordnungspunkt 1

Doris BarnettSPD - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2015

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu guter Letzt ist er eingebracht, der erste Haushalt ohne Neuverschuldung, zum ersten Mal seit 1969. Dabei hätten wir es ganz bestimmt schon in der letzten Großen Koalition geschafft, wenn uns nicht die Lehman-Pleite dazwischengekommen wäre.

Die daraus erwachsene Finanzkrise, die auch Europa ganz schön erschüttert hat und unter der viele EU-Länder heute noch leiden, hat uns aber gezeigt, dass eine gute Vernetzung auch das Gegenteil von „gut“ sein kann: Weil unsere Volkswirtschaften so gut miteinander verwoben sind, gab es diesen Dominoeffekt. Aber wir haben daraus auch Konsequenzen gezogen, nämlich dass die Banken nicht nur relevant sind, sondern auch mithaften sollen. Die Finanztransaktionsteuer wäre ein probates Mittel, um aus der computergesteuerten Raffgier und Wettleidenschaft etwas Positives zu ziehen. Ich fürchte aber, dass wir darauf leider noch etwas warten müssen.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das trifft die Falschen!)

Zurück zur schwarzen Null im Haushalt 2015. Keine neuen Schulden – darüber sollten wir uns eigentlich freuen, wurde doch in allen Jahren vorher in den Haushaltsdebatten das Schuldenmachen, die Belastung der nächsten Generationen, gegeißelt. Jetzt machen wir einen Haushalt ohne Schulden, und wieder ist es nicht recht. Jetzt heißt es: Dass wir keine Schulden machen, ist schlecht für die nachfolgenden Generationen. – Ja, was soll es denn jetzt, bitte schön, sein: Schuldenmachen oder Kaputtsparen?

Ich weiß sehr wohl, dass man mit viel mehr Geld auch viel mehr machen kann,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Viel mehr Unsinn!)

zum Beispiel ein paar Ortsumgehungen mehr außerhalb Bayerns bauen.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was heißt das denn?)

Aber da unser Finanzminister nicht die Goldmarie ist, sollten wir unsere Wünsche genau prüfen. Schließlich gibt es Begehrlichkeiten und Notwendigkeiten, und um Letztere sollten wir uns kümmern.

Angesichts der Krisen und menschlichen Katastrophen in der Welt ist es notwendig, dass wir uns schon in diesem Jahr um mehr Geld für humanitäre Hilfe bemühen. Erst recht gilt das für den viel zu gering ausgefallenen Haushaltsansatz für 2015, den uns das Finanzministerium vorgegeben hat. Hier kann unser Außenminister sicher sein, dass er die Unterstützung des ganzen Hauses hat. Ich bin der Meinung, dass die Regierung insgesamt weiß, dass hier mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss.

Es ist dringend angezeigt, dass wir mehr Geld in die gesamte Infrastruktur stecken, haben wir doch einen erheblichen Investitionsstau. Nicht nur die Autobahnen und Bundesstraßen gleichen streckenweise eher „Mogelpisten“, sondern auch die kommunalen Straßen haben einen hohen Sanierungsbedarf. In meiner Heimatstadt Ludwigshafen ist die Hochstraße, die an die A 650 anschließt, dringend sanierungsbedürftig. Knapp 300 Millionen Euro kostet das, Stand heute. Baubeginn ist 2018, und es ist eine achtjährige Bauzeit vorgesehen. Die Stadt, die die Baulast tragen muss, kann das gar nicht aus eigener Kraft stemmen. Gott sei Dank hat das Land Rheinland-Pfalz sich verpflichtet, 25 Prozent der Kosten zu tragen, und zwar unabhängig von der Höhe. Jetzt ist es am Bund, sich zu verpflichten. Ich weiß aber auch, dass Ludwigshafen nicht die einzige Stadt am Rhein ist, die Hilfe für ihre Brücken vom Bund braucht.

Da fragt sich der kühle Rechner – nicht nur die schwäbische Hausfrau –, woher das Geld kommen soll. Klar, die Maut könnte Löcher stopfen helfen. Bevor wir aber das Pkw-Maut-Kind, das gerade geboren wurde, gleich mit dem Bade wieder ausschütten, sollten wir es wenigstens einmal richtig das Licht der Welt erblicken lassen. Entweder es geht an seinen Kinderkrankheiten ein, was ja auch sein kann, oder es entwickelt sich doch vernünftig und gerecht. Der große Bruder, die Lkw- Maut, bringt da schon mehr mit auf die Waage. Das sollten wir nutzen.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem – das hat mein Fraktionsvorsitzender schon vorgetragen – sollten wir in Sachen Verkehrsinfrastruktur wenigstens mal überlegen, die alten Trampelpfade zu verlassen. Wir könnten ja einmal neue, kreative Wege finden, wie das reichlich vorhandene Geld in unserem Land statt höchst riskant höchst relevant angelegt werden kann.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das haben wir doch schon gemacht!)

Zur Beruhigung der Gemüter will ich das wiederholen, was Thomas Oppermann bereits gesagt hat: Autobahn und Schiene bleiben in öffentlicher Hand, und ÖPP kommt nur dann infrage, wenn dieser Weg eindeutig der wirtschaftlich bessere ist.

(Beifall bei der SPD)

Damit meine ich nicht die privaten Billigheimer, die ihre Arbeitnehmer so schlecht bezahlen, dass sie zum Sozialamt gehen müssen.

Deshalb wäre es praktisch, wenn auch der Bund auf Tariftreue achten könnte, statt weiterhin als zweites Lohnbüro zu agieren. Klar, wir haben den Mindestlohn, aber Tariflöhne sind besser, und sie sind auch ein Signal. Schließlich sollen die jungen Menschen in der Schule wissen, dass sich Anstrengung lohnt, dass das eine gute Investition in sie selbst, in ihre eigene Zukunft ist. Deshalb ist es gut, wenn es mehr Tarifverträge gibt, und es ist richtig, dass wir dafür sorgen wollen, dass jeder mit einem Abschluss die Schule verlässt und nicht, wie bisher, jedes Jahr 50 000 junge Menschen ohne Abschluss und somit ohne Perspektive von der Schule gehen. Wir werden alle brauchen, Männer und Frauen ohne und mit Migrationshintergrund. Fachkräfte wachsen nun einmal nicht auf den Bäumen, und auch Arbeitsministerin Nahles hat sie nicht auf Abruf im Schrank. Deshalb ist es notwendig und richtig, den Ländern mehr Mittel für Bildung an die Hand zu geben. Deshalb trägt der Bund nächstes Jahr alleine die Kosten für das BAföG, das wir darüber hinaus auch noch erhöhen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist auch wichtig, dass die Kommunen entlastet werden. Das machen wir bei den Kosten der Grundsicherung, den Kosten der Unterkunft und mit 1 Milliarde Euro im Vorgriff auf das Bundesteilhabegesetz; denn die Menschen wohnen nicht im Bund, sondern in Städten und Gemeinden. Dort wird für den Zusammenhalt gesorgt, für die Gemeinschaft, für das menschliche Miteinander.

In den Kommunen wird auch ehrenamtliches Engagement gelebt. Ich nenne hier ganz bewusst THW, Freiwillige Feuerwehren und Rettungsdienste.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind Teil des unverzichtbaren Zivil- und Katastrophenschutzes, und das, wie gesagt, im Ehrenamt. Darum sollten wir alles tun, damit dieses Ehrenamt trotz Abschaffung oder Einstellung – wie auch immer man es sagen möchte – der Wehrpflicht nicht versiegt und der Dienst attraktiv bleibt. Die Ausstattung, also der Fuhrpark, sollte keine Oldtimersammlung sein; denn die Mannschaften sollen ja Leben retten.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb gebe ich den Hinweis an das Finanz- und an das Innenministerium, die zugesagten, vom Parlament beschlossenen Mittel endlich freizugeben.

(Beifall bei der SPD)

Preiswerter als durch diese Organisationen können wir Menschen und ihr Hab und Gut kaum schützen.

All das und mehr wollen wir stemmen, ganz ohne neue Schulden. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wer sich kein Ziel setzt, der strengt sich auch nicht an. Wir müssen uns aber anstrengen; denn es geht schließlich um die Menschen in unserem Land. Sie erwarten zu Recht, dass wir Politiker dafür sorgen, dass sie und auch ihre Kinder sicher und gut leben können und ihre Kinder in ihrer Zukunft auch noch etwas zum Gestalten haben. Das ist jetzt jede Mühe wert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Doris Barnett. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Hans Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3859697
Wahlperiode 18
Sitzung 52
Tagesordnungspunkt Schlussrunde Haushaltsgesetz 2015
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