Johann WadephulCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Flüchtlingskatastrophe an der türkisch-syrischen Grenze
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich gefreut, als die Linksfraktion das Thema der Flüchtlingssituation an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien und auch an der Grenze zum Irak für die Aktuelle Stunde benannt hat. Das nicht deshalb, weil es schön wäre, darüber zu debattieren, sondern deshalb, weil es wichtig ist, über diese humanitäre Katastrophe zu sprechen und sich Gedanken zu machen, welchen Beitrag Deutschland dazu leisten kann, das Leid der Menschen dort zu reduzieren. Das ist, glaube ich, unseres gedanklichen Einsatzes hier in diesem Haus und letztlich auch des Einsatzes von allen Menschen, die dort in deutscher Verantwortung tätig werden können, wert.
Aber dass Sie das jetzt auf solch eine billige Art und Weise instrumentalisieren, Ihre wohlbekannte Kritik an der Türkei hier zu wiederholen und auch in einer vereinfachenden Art und Weise zu wiederholen und eine Wende in der deutschen Außenpolitik zu fordern,
(Widerspruch der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
wobei Sie der deutschen Außenpolitik – das habe ich ja bisher noch gar nicht gehört – eine imperiale Einflussnahme unterstellen, das stimmt heute noch trauriger als das Flüchtlingsschicksal. Das ist eine wirklich traurige Vorstellung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Die Flüchtlingssituation ist wirklich beklemmend. Ich glaube, Deutschland leistet heute sehr viel. Wir haben darüber bei der Diskussion über Waffenlieferungen miteinander gesprochen. Deutschland braucht sich im europäischen Konzert in keinster Weise zu verstecken. Das heißt aber trotzdem nicht, dass wir Anlass zum Selbstlob hätten. Es ist einfach unser Selbstverständnis, dass wir als eine starke Volkswirtschaft das tun, was wir an Möglichkeiten haben, dort wirtschaftlich zu helfen und insbesondere die humanitäre Katastrophe abzuwenden. Das wird nicht vollends gelingen. Ich glaube auch nicht, dass wir am Ende unserer Möglichkeiten sind, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, wir sollten uns dafür einsetzen, die Mittel zu erhöhen. Bei allem Bekenntnis, zu dem ich stehe und das ja auch Grundlage unserer Koalitionsarbeit ist, dass wir keine neuen Schulden machen wollen, müssen wir hier, glaube ich, neue Schwerpunkte setzen. Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass Menschen in diesem großen Umfang leiden, sterben, dahinsiechen. Da ist Deutschland gefordert. Das glaube ich ganz sicher.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen aber dennoch sehen, dass es hier keine einfachen Rezepte gibt. Ich habe im Auswärtigen Ausschuss von der Linksfraktion gehört, die Waffenlieferungen seien an die „falschen“ Kurden erfolgt.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Na gut. Darin wäre ja die Aussage enthalten, Waffenlieferungen an sich wären schon einmal richtig.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Interessant!)
Wenn das jetzt Ihre Kehrtwende in der Außenpolitik ist, dann würde ich auch noch einmal bitten, die dem Hohen Haus insgesamt zu erläutern, damit wir das Bild auch stimmig kriegen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, sehr gut!)
Aber es gibt doch niemanden im Deutschen Bundestag – darüber haben wir lange diskutiert –, der hier sagen würde: Das ist die einzige Maßnahme, die hilft, die einzige Maßnahme, bei der wir zu 100 Prozent der Meinung sind, dass sie in dieser Situation richtig ist.
Vielmehr müssen wir in unserer Hilflosigkeit einräumen, dass es leider keine andere Möglichkeit gibt, um hier kurzfristig zumindest für eine geringe Entlastung zu sorgen, und daher bedauerlicherweise ein militärischer Einsatz notwendig ist. Alle, die diesen Einsatz unterstützen, tun das nicht, um imperiale Einflussnahme auszuüben, sondern sie tun das, um in dieser ganz schwierigen Situation Menschenleben zu retten.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Alle, die das vor Ort tun, welcher Religion, welcher Nationalität und welchem Stamm auch immer sie angehören, haben unseren Respekt und unsere Unterstützung verdient; denn sie helfen, Menschenleben zu retten.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Eine Aktuelle Stunde mit jeweils fünf Minuten für den einzelnen Redner ist natürlich nicht geeignet, um die Thematik wirklich grundlegend zu erklären. Wir sind bei der Analyse der Probleme mit dieser Organisation, die sich zu Unrecht, wie selbst alle führenden geistigen Führer des Islam sagen, „Islamischer Staat“ nennt – wir sollten vielleicht aufhören, diese Organisation so zu nennen –, noch nicht am Ende. Aber wir müssen sicherlich neben einer militärischen Antwort auch noch viele andere Antworten geben. Darüber werden wir viel diskutieren.
Ich möchte noch einen Aspekt aufwerfen, der sehr aktuell ist und den Sie angesprochen haben. Sie werfen uns vor, wir hätten für eine Destabilisierung des syrischen Staates gesorgt.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aberwitzig!)
Das haben wir nicht. Ich bin auch dagegen, dass man sich jetzt hinstellt und einfach sagt: Weil sich Assad in letzter Zeit so verhält, wie er sich verhält, und diese islamistischen Krieger möglicherweise jetzt auch bekämpft, ist es nur logisch, zu sagen: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. – Das stimmt nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Assad hat Giftwaffen eingesetzt. Sein Handeln dürfen wir nie unterstützen und legitimieren.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Auf der Seite solcher Regimeführer dürfen wir nie stehen. Den Eindruck haben Sie bedauerlicherweise erweckt. Die Diskussion geht aber weiter.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat die Kollegin Claudia Roth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3909647 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 54 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Flüchtlingskatastrophe an der türkisch-syrischen Grenze |