Dieter StierCDU/CSU - Tierschutz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Tierschutz ernst nehmen – Tierleid verhindern“.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr gut!)
Zunächst einmal bin ich den Fraktionsgeschäftsführern sehr dankbar, dass wir heute ein landwirtschaftliches Thema und damit ein Thema, das in großer Breite den ländlichen Raum in unserem Land tangiert, nicht fünf Minuten vor Mitternacht, sondern jetzt debattieren können.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt an uns!)
Ich glaube im Übrigen, Agrarthemen haben es verdient, zur besten Sendezeit im Hohen Haus beraten zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet auch mal so was aufsetzen können!)
Wie ernst die Union das gesellschaftlich bedeutende Thema des Tierwohls nimmt und wie viel Aufmerksamkeit sie diesem Thema schenkt, das konnten wir mit der gerade von Ihnen zitierten Tierwohlinitiative unseres Bundeslandwirtschaftsministers verdeutlichen,
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie die Kollegin schon sagte!)
die in der vorigen Woche einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde und die Sie gestern persönlich mit ihm im Agrarausschuss debattieren konnten. Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, dem Minister noch einmal einen herzlichen Dank auszurichten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Große Koalition wird dem Tierwohl – das haben wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart – künftig noch mehr Bedeutung beimessen als bisher. Meine Damen und Herren, wir leben in einem Land, das bereits heute die höchsten Tierschutzstandards der Welt aufzuweisen hat. Gleichwohl gibt es nichts, das man nicht noch besser machen kann. Sie, liebe Antragsteller, versuchen nun, aufgeschreckt vom positiven Echo auf die Initiative des Ministers, mit Ihrem eingebrachten Antrag den erfolgreich eingeschlagenen Weg zu mehr Tierwohl wieder einmal öffentlich zu beschädigen, anstatt an konstruktiven Lösungen mitzuwirken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Frau Maisch, ich sage es Ihnen gleich zu Beginn: Ihr Kalkül mit dem Bemühen der grünen Angstindustrie wird nicht aufgehen. Eine verantwortungsbewusste Politik, geschätzte Kollegen der Opposition, erkennt man immer daran, dass man Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, die realistisch und auch umsetzbar sind.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die Kollegin gemacht!)
Diesem Ziel fühlen wir uns als Union verpflichtet.
Wie diese Tierschutzvorstellungen in einer Gesellschaft mit modernen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden, aber auch Verbraucher- und Tierschutzverbandsinteressen in Einklang zu bringen sind, wird im Eckpunktepapier von Minister Schmidt umfassend und in zehn Punkten fundiert festgeschrieben.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Produktionsmethoden! Und das von einer katholischen Partei!)
Es ist eine tragfähige, programmatisch dichte Tierschutzkonzeption geworden, die uns über die Legislaturperiode hinaus verpflichtet. Der von uns befürwortete und mitgetragene Maßnahmenkatalog für mehr Tierwohl ist ambitioniert, seine Vorhaben sind aber realistisch.
Sehr geehrte Kollegen der Bündnisgrünen, nun zu einigen Forderungen aus Ihrem Antrag im Detail. Wenn ich einen Blick in diesen Antrag werfe, muss ich mit Enttäuschung feststellen, dass Sie an den tatsächlichen Erfordernissen eines zeitgemäßen Tierschutzes wieder einmal völlig vorbei argumentieren. Ihre willkürliche Zusammenstellung und Auflistung alter Forderungen zeigt, dass Sie nicht willens sind, einen verantwortlichen und gesellschaftlich akzeptierbaren Beitrag zum Tierschutz in Deutschland zu leisten, sondern dass Sie Emotionen schüren wollen. Das ist für mich persönlich enttäuschend.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Drei Strukturelemente liegen Ihrem Antrag zugrunde: Unterstellungen, Fehleinschätzungen und überdies noch fachliche Unkenntnis. Lassen Sie mich hierzu nachfolgend einige Beispiele herausgreifen, die das belegen und Ihren Irrweg aufzeigen werden.
Zuerst möchte ich auf Ihre Unterstellungen eingehen, mit denen Sie uns vorwerfen, nichts zu unternehmen, obwohl wir im Tierschutz erwiesenermaßen sehr aktiv sind. Sie fordern in Ihrem Antrag, man müsse Tieren in der Landwirtschaft ein würdiges Dasein ermöglichen. Sie haben meine volle Zustimmung für diese Aussage. Der Punkt ist, dass dies bereits überwiegend der Fall ist. Mit der erst in der letzten Legislaturperiode erfolgten Novellierung des Tierschutzgesetzes wurden weitere Verbesserungen auf den Weg gebracht.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich sage gleich: Schenkelbrand!)
– Dazu komme ich gleich noch.
Mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes wurde der Antibiotikaeinsatz bereits wirksam gesenkt. Ich bin auch überzeugt, dass die Initiative der Branche weitere Verbesserungen bringen wird. Man kann nicht oft genug öffentlich feststellen, dass wir bereits über höchste Standards, auch im europäischen und internationalen Maßstab, verfügen.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum muss der Minister dann eine Initiative machen, wenn alles so gut ist?)
Selbstverständlich gibt es auch schwarze Schafe. Die vorhandenen Sanktionsmechanismen unserer Tierschutzgesetzgebung geben jedoch heute schon die Möglichkeit, die Verantwortlichen ohne Ansehen der Person zur Rechenschaft zu ziehen. Ich glaube, auch der Vollzug in den Bundesländern muss hierzu einen Beitrag leisten.
Ich habe übrigens Vertrauen in unsere Behörden. Kontrollen und Sanktionen geschehen aber oft auch ohne mediale Begleitung und reißerische Berichterstattung, sodass es von den ewigen Kritikern nicht wahrgenommen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie unterstellen weiter, wir würden einer ungeregelten Intensivtierhaltung freien Lauf lassen. Das ist eines Ihrer absoluten Lieblingsargumente. Erstens haben Sie uns bis heute keine Definition geliefert, was Sie unter den von Ihnen häufig gebrauchten Begriffen verstehen. Zweitens sage ich Ihnen: Jeder Stallneubau in diesem Land bringt Verbesserungen für das Tierwohl. Es wäre deshalb hilfreich, diese Maßnahmen vor Ort nicht ständig zu verhindern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann müsste mehr Geld in den tierschutzgerechten Umbau von Ställen!)
Wir treten zielbewusst mit zahlreichen Maßnahmen an, um die Haltungsbedingungen weiter zu verbessern. Es gilt, sie den Bedürfnissen der Tiere weiter anzupassen.
Die Tierwohlinitiative des Landwirtschaftsministers sieht dabei auch vor, einige nicht kurative Eingriffe bei Nutztieren zu beenden. Dabei dürfen nach unserer Auffassung aber keine neuen Tierschutzprobleme entstehen. Wir setzen hier auf einen konsensstiftenden Dialog der beteiligten Akteure. Sie wollen ausschließlich mit Verboten und Regulierungsinstrumenten gegen landwirtschaftliche Betriebe zu Felde ziehen. Das unterscheidet uns.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und bis wann soll das passieren?)
Forderungen zu stellen, die kein landwirtschaftlicher Betrieb in der Praxis umsetzen kann, ohne seine ökonomische Existenz und damit seine landwirtschaftliche Produktion selbst aufs Spiel zu setzen, sind mit uns nicht zu machen.
Meine Damen und Herren, wir schauen nicht weg, sondern stellen uns auch den hochkontroversen Tierschutzthemen. Es ist uns klar, dass zum Beispiel die Tötung männlicher Küken in der jetzigen Form von der Mehrheit der Gesellschaft keine Akzeptanz mehr erfährt.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts anderes sagen wir!)
Auch hier handeln wir entschlossen. Ergebnisse der Forschung zur Geschlechtsbestimmung an Hühnereiern werden bereits Anfang 2015 vorliegen. Dank der Tierwohlinitiative wird das BMEL die Umsetzung eines geeigneten Verfahrens zur Geschlechtsbestimmung am Ei in der Praxis begleiten und damit eine neue Lösung auf den Weg bringen. Das ist ein Beispiel, an dem deutlich wird, dass wir die aus der Gesellschaft an uns herangetragenen Tierschutzvorstellungen sehr ernst nehmen.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist es gut, dass wir darauf gedrängt haben!)
Ich begrüße es, dass es in diesem Zusammenhang einen Kompetenzkreis Tierwohl geben wird: Praktiker, Wissenschaftler und Vertreter von Tierschutzverbänden und berufsständischen Organisationen werden die Umsetzung politischer Maßnahmen kenntnisreich begleiten und sich mit eigenen Vorstellungen einbringen. Darüber hinaus haben wir, schon bevor die Tierwohlinitiative vorgestellt wurde, in beträchtlichem Maße neue Forschungsmittel in den Agrarhaushalt eingestellt, um die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, das Tierwohl zu stärken. Ihr Vorwurf, wir würden die Augen verschließen und den Nutztieren in der Landwirtschaft ein würdiges Dasein verwehren, entbehrt jeder seriösen Grundlage.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweitens. Im Folgenden möchte ich auf den nächsten großen Schwachpunkt Ihres Antrages, nämlich Ihre wiederkehrende Neigung zu Fehleinschätzungen, eingehen. Richten wir hierfür unseren Blick einmal exemplarisch auf die Tiere, die in deutschen Tierheimen untergebracht sind. Sie verlangen in Ihrem Antrag, die Situation der Tierheime zu verbessern.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verlangt der Koalitionsvertrag auch!)
Gut, dieser Forderung kann ich vorbehaltlos zustimmen. Das ist richtig, muss unterstützt werden und ist im Koalitionsvertrag vereinbart; wir haben uns dazu bekannt. Doch dann wird es abenteuerlich: Sie fordern nämlich, die „Versorgung von abgegebenen oder entlaufenen Haustieren auch in Fällen überdurchschnittlicher Belastungen“ der Tierheime zu ermöglichen. Das klingt zunächst harmlos und tierlieb. Doch wissen Sie eigentlich, was das konkret heißt? Das ist das Gegenteil von Tierschutz. Schlimmer noch: Es ist falsch verstandener Tierschutz. Sie leisten damit einer unverantwortlichen Überfüllung von Tierheimen rücksichtslos Vorschub, und zwar auf Kosten von Tieren und Gesellschaft. Sie fordern hier praktisch die Überbelegung.
Wohin die fatalen, unsinnigen Forderungen führen, die Sie hier aufstellen, kann ich Ihnen heute aus meiner Heimatstadt Weißenfels brandaktuell – in der Mitteldeutschen Zeitung vom Dienstag dieser Woche nachzulesen – berichten. Dort leitet eine nach Ihrem Verständnis begeisterte Tierschützerin ein Tierheim, dem Ende des Jahres die Schließung droht, und zwar weil die Leiterin die Forderung aus Ihrem Antrag wortwörtlich umgesetzt hat. Die Mängelliste ist erschreckend: kein Buch über den Bestand an Katzen, Heim- und Quarantänezimmer überbelegt, weder Büro noch Behandlungsraum vorhanden, Leiterin ohne Befähigungsnachweis, und die Katzen fristen ihr Dasein im Dunkeln, bei hygienischen Problemen und baulichen Mängeln. Die Tierheimleiterin – so kommuniziert es die Facebook-Community – sammle regelrecht Katzen, ohne dass sie auch nur eine herausrücke. Das, liebe Kollegen, ist nicht das, was wir wollen.
Drittens. Zuletzt will ich auf den Aspekt der fachlichen Unkenntnis eingehen. Selbstverständlich werde ich das auch heute am Beispiel Ihrer erneuten Forderung nach dem Verbot des Schenkelbrandes, einer langjährig bewährten Methode der Kennzeichnung von Pferden, tun.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein heißes Eisen, Herr Kollege!)
Hier fühle ich mich nicht nur als Landwirt, sondern auch als ausgebildeter Pferdewirtschaftsmeister berufen, Ihnen einiges in Erinnerung zu rufen, was Sie offenbar schon vergessen haben.
(Ute Vogt [SPD]: Das kann man doch wohl nicht gutheißen!)
Dass Sie dieses Thema wieder hervorholen, obwohl wir es bereits in der letzten Legislaturperiode erschöpfend parlamentarisch beraten und abgeschlossen haben,
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil! Gerade deshalb, Herr Kollege!)
zeigt nur, dass Ihnen offenbar die Themen ausgehen. Es gab eine Anhörung im Agrarausschuss, die alle wesentlichen Aspekte fachlich beleuchtete.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Ergebnisse haben Sie nicht interessiert!)
Das Parlament hat mit großer Mehrheit und nach klarer, reiflicher Überlegung und Abwägung der Argumente entschieden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende noch einmal grundsätzlich festhalten: Die wachsende Bedeutung der Tierschutzbelange in der Gesellschaft verlangt nach der richtigen Antwort, also nach unserer Tierwohlinitiative. Als Abgeordnete dieses Hauses unterstützen wir den Tierschutz mit ergänzenden Mitteln. Wir werden das Thema kritisch begleiten, wo es uns geboten erscheint.
Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil wir den Tierschutz bereits sehr ernst nehmen, weil wir bereits Tierleid verhindern und – ich ergänze Ihre Überschrift – weil wir uns bereits heute für mehr Tierwohl einsetzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Linke spricht jetzt der Kollege Hubertus Zdebel.
(Beifall bei der LINKEN)
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Electoral Period | 18 |
Session | 54 |
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