Tankred SchipanskiCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist heute eine lebhafte Debatte. Wir würden uns natürlich ein bisschen mehr Sachlichkeit wünschen. Herr Mutlu, das wäre fein. Ich hoffe, Frau Meiritz von Spiegel Online schaut zu. Sie hat neulich kritisiert, die Debatten seien nicht mehr lebhaft und die Geschäftsordnung sei so schwierig. Ich muss sagen: Die Debatte heute ist alles andere als langweilig. Das macht Spaß. Unsere Ministerin hat in ihrer Rede von einem Gesamtpaket gesprochen. Die Grünen dagegen sprechen von einer Junktimsklausel, von Erpressung.
(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, dies ist ein Festtag für die Bundesländer. Das ist eine Festtagswoche für die Bundesländer: Gestern gab es eine Milliardenentlastung beim BAföG, und heute schaffen wir die rechtlichen Grundlagen, damit sich der Bund dauerhaft und nicht nur temporär an den Kosten für die Hochschulen beteiligen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Oliver Kaczmarek [SPD] – Zuruf von der CDU/CSU: Halleluja!)
Das ist wie Ostern und Weihnachten zusammen. Da kann man überhaupt nicht von Erpressung sprechen. Das, was Sie hier machen, ist ganz schlechter politischer Stil.
Wenn ich nach links, auf die Bundesratsbank, blicke, bin ich aber bitter enttäuscht. Ich möchte unseren Bundesländern bei der zweiten und dritten Lesung eine zweite Chance geben. Ich möchte aber sagen: Ein Wort des Dankes ist bei so viel Engagement des Bundes für unsere Bildungsrepublik Deutschland mehr als angebracht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Kollege Schipanski, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rossmann zu?
Eine Zwischenfrage? – Aber gerne.
Herr Kollege Schipanski, ich möchte es so in eine Frage kleiden: Haben Sie Verständnis dafür, dass die Kultusministerkonferenz langfristig zu planen ist, sodass sie sich mit den manchmal kurzfristig festgelegten Tagesordnungen des Bundestages nicht so leicht vereinbaren lässt? Aktuell findet eine Kultusministerkonferenz statt, an der CDU-Minister, SPD-Minister und andere Minister teilnehmen.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Es gibt auch Mitarbeiter!)
Wir sollten deshalb die Erwartung bzw. den Wunsch ausdrücken, dass, wenn Weihnachten ist, wenn wir diesen Gesetzentwurf verabschieden, die Bundesratsbank besetzt ist.
Lieber Kollege Rossmann, Sie haben es schon gehört: Den Landesregierungen gehören nicht nur Kultusminister an. Es gibt auch Bevollmächtigte beim Bund, die regelmäßig an den Sitzungen teilnehmen, wenn wir über innere Sicherheit und Ähnliches sprechen. Von daher hätte ich die Anwesenheit von Ländervertretern als angemessen empfunden. Ich habe gesagt: In der zweiten und dritten Lesung wird es sicherlich die Möglichkeit geben, das Engagement des Bundes seitens des Bundesrates zu würdigen.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist eigentlich die Kanzlerin? Wie steht die Kanzlerin eigentlich zum Kooperationsverbot?)
Das klare Bekenntnis von Politik und Wissenschaft lautet: Die Hochschulen sind das Herzstück unseres Wissenschaftssystems. Dieses Herzstück lag bis dato in der alleinigen Verantwortung der Bundesländer. Diese nehmen aus gesamtstaatlicher Sicht ihre Verantwortung nicht vollumfänglich wahr. Daher hilft der Bund seit vielen Jahren mit ganz besonderen Konstruktionen. Die Pakte, die durch die Grundgesetzänderung von 2006 ermöglicht wurden, sind bereits angesprochen worden. Aber auch diese Pakte haben ihre rechtlichen Grenzen erreicht. Wir wollen – das wurde mehrfach angesprochen – die Auseinanderentwicklung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen aufhalten. Daher liegt heute dieser Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung vor. Es ist ein historischer Gesetzentwurf, über den wir seit 2010 diskutieren, den wir 2011 auf dem Bundesparteitag der CDU faktisch ein Stückchen vorangebracht haben, den alle Wissenschaftsorganisationen seit langem gefordert haben und der einen breiten gesellschaftlichen Konsens aufgreift.
Es hat etwas lange gedauert; da hat Herr Gehring durchaus recht. Man kann aber ohne Goethe sagen: Gut Ding will Weile haben. Wir haben nun einen Formulierungsvorschlag gefunden, der auch den Bundesrat zufriedenstellt. Erinnern wir uns an die letzte Legislaturperiode: Da haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der im Bundesrat aufgehalten, blockiert wurde. Wir brauchen für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit bei Bundesrat und Bundestag. Von daher freue ich mich, dass der Bundesrat jetzt zustimmt.
Das KIT in Karlsruhe wurde angesprochen. Wir haben dort mittlerweile Erfahrungen gesammelt, wie Kooperationen zwischen Unis und außeruniversitären Einrichtungen laufen können. Ich finde sehr spannend, was die Fraunhofer-Gesellschaft gegenwärtig vorschlägt: regionale Leistungszentren, wo sich um die Universitäten herum ein Konzept zur Zusammenarbeit entwickelt. Ich denke, das ist mit Blick auf Artikel 91 b Grundgesetz ein interessanter Vorschlag. Für uns ist wichtig, dass Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe verhandeln.
(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])
Dieser Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes macht es erstmals möglich, dass sich der Bund institutionell engagiert. Für uns ist klar, dass wir das Geld nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern dass wir dies – genau so, wie es im Gesetzentwurf steht – an gewissen Kriterien festmachen. Die überregionale Bedeutung wurde angesprochen. Es geht um Ausstrahlungskraft. Dies muss nicht international sein, sondern kann auch national sein. Wir wollen – auch das steht in der Gesetzesbegründung – mit dieser Verfassungsänderung Exzellenz in Breite und in Spitze verbessern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Breite und Spitze!)
– So ist es, Breite und Spitze.
Die vorgeschlagene Verfassungsänderung löst keinesfalls nur die Hälfte des Problems, wie es von den Grünen formuliert wird.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Drittel oder ein Viertel!)
Es ist auch nicht nur der kleine Finger einer Hand, sondern wir strecken den Bundesländern die ganze Hand entgegen,
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wir haben zwei Hände!)
um unsere Kooperationskultur zu vertiefen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben aber nur Sie! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man braucht beide Hände!)
Wir modernisieren den Föderalismus, der in sich selbst bereits ein Kooperationsgebot enthält. Daher ist die oft verwendete Vokabel Kooperationsverbot hier falsch.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Der war gut!)
Wenn man den Populismus hinsichtlich des Schulbereichs in dieser Debatte hört, muss man sagen, dass jedes Bundesland bereits jetzt die Möglichkeit hat, einheitliche Schulbücher und einheitliche Lehrpläne einzuführen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie sind gegen Einheitsschulen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Einheitlichkeit!)
Jedes Bundesland hat die Möglichkeit, Sozialpädagogen einzustellen, digitale Bildungsangebote zu etablieren, Ganztagsschulen und Horte einzuführen sowie Inklusion zu betreiben. Dafür bedarf es keiner Grundgesetzänderung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: In welchem Land leben Sie denn?)
Leider machen die Bundesländer das nicht; aber das ist nicht unsere Aufgabe.
Die Länder haben darüber hinaus die Möglichkeit, sich über ihre Landesgrenzen hinweg zu verständigen, welche Standards, welche Prüfungen gelten und welche Bücher in Gesamtdeutschland verwendet werden sollen. Auch dazu bedarf es keiner Grundgesetzänderung. Ich verweise auf die Homepage der Kultusministerkonferenz, die ja gerade tagt: Es gibt knapp 150 Vereinbarungen zu gemeinsamen Bildungsstandards, Aufgabenpools, Zentralprüfungen und der Anerkennung von Abschlüssen. Das sind 150 Vereinbarungen für mehr Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit im deutschen Schulwesen. Ich appelliere, diese Vereinbarungen nunmehr in einen verbindlichen Staatsvertrag zwischen den Ländern aufzunehmen. Somit hätten wir mehr Transparenz, mehr Verbindlichkeit, und wir könnten dem Eindruck eines Wirrwarrs, der hier entsteht, ein ganzes Stück entgegentreten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Klar ist: Die Defizite in der Zusammenarbeit der Bundesländer untereinander können nicht mit einer Verfassungsänderung behoben werden. Das muss unser Koalitionspartner anerkennen. Liebe Frau Gohlke, das hat auch nichts mit Ideologie zu tun.
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Nein!)
Eine Grundgesetzänderung im Bereich der Schule wird nicht dazu führen, dass es in den Schulen plötzlich iPads regnet oder Schulen renoviert werden.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es regnet rein in die Schulen, das ist das Problem! Weil der Bund kein Geld geben darf!)
Wir haben eine klare, ausgewogene und funktionale Aufgabenverteilung in unserem Bundesstaat. Damit verbunden sind föderale Finanzbeziehungen. Wir haben, lieber Herr Röspel, auch einen Länderfinanzausgleich, der für genau diese Chancengleichheit in den einzelnen Bundesländern sorgen soll.
(Zuruf des Abg. René Röspel [SPD])
Die Bundesländer müssen lernen, dass der Bund keine zu melkende Kuh ist, die ausgleicht, wenn man in den Landeshaushalten falsche Schwerpunkte setzt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin – aber es gab ja die Zwischenfrage, ohne dass die Uhr gestoppt wurde –:
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die melkende Kuh!)
Dem Bund liegt das Gesamtwohl sehr am Herzen. Daher freuen wir uns auf diese Beratungen. Wir geben den Hochschulen mehr Planungssicherheit. Es geht um Innovationskraft, um die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems. Von daher: Stimmen Sie, liebe Damen und Herren der Opposition, diesem Gesetzentwurf zu.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Redner hat der Kollege Oliver Kaczmarek das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3969996 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 58 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) |