17.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 61 / Tagesordnungspunkt 21

Heike BaehrensSPD - Pflegeversicherung

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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Pflegekräfte brauchen eine gute Bezahlung. Denn in der Zukunft werden wir engagiertes und gut qualifiziertes Personal nur dann bekommen, wenn in diesem Beruf ordentlich verdient werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Darum stellen wir heute klar, dass das Zahlen von Tarifgehältern in der Pflege nicht mehr von Pflegekassen und Sozialhilfeträgern als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf.

(Beifall bei der SPD – Thomas Oppermann [SPD]: Das ist ein Riesenfortschritt!)

Es hatte gravierende Auswirkungen, dass tarifliche Bezahlung bei der Aushandlung von Pflegesätzen weitgehend nicht anerkannt wurde. Denn das, was Pflegekräfte heute an Druck im Arbeitsalltag erleben, hängt einerseits mit der überbordenden Bürokratie zusammen – daran werden wir jetzt etwas verändern –, andererseits aber ganz wesentlich damit, dass der wirtschaftliche Druck bei den Pflegeanbietern dazu geführt hat, weniger Personal anzustellen und vom Einzelnen immer mehr zu fordern.

In den Verhandlungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern, die ich in den letzten 15 Jahren an verantwortlicher Stelle hautnah erlebt habe, kamen wir uns oft vor wie auf einem Teppichbasar. Unter Verweis auf den sogenannten externen Vergleich wurden Pflegesätze fast völlig ohne Berücksichtigung der nachgewiesenen tarifbedingten Personalkostensteigerungen festgesetzt. Langwierige Verhandlungen, aufwendige Schiedsverfahren und gar jahrelang im Raum schwebende Sozialgerichtsverfahren haben alle Verhandlungsbeteiligten zermürbt, haben unendlich viel Arbeitszeit bei den Pflegeanbietern und ihren Verbänden und ebenso bei den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern gebunden. Nicht einmal Tarife wie die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien, die sich nachweislich am Tarif des öffentlichen Dienstes orientieren, wurden bei Pflegesatzverhandlungen anerkannt. So entstand über die Jahre ein wirtschaftlicher Druck, der direkt beim Personal und damit auch bei den pflegebedürftigen Menschen angekommen ist.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

In der ambulanten Pflege mussten immer mehr Pflegebedürftige von immer weniger Pflegekräften versorgt werden. In der stationären Pflege, in der es vereinbarte Personalschlüssel gibt und damit kein Absenken des Personals möglich ist, gliederten immer mehr Pflegeunternehmen einzelne Leistungsbereiche in sogenannte Serviceunternehmen aus, um beispielsweise Reinigungskräfte oder hauswirtschaftliches Personal untertariflich zu bezahlen. Gute Stimmung in der Pflege macht so etwas nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wettbewerb war in der Pflegeversicherung zwar von Anfang an gewollt, es war aber nicht gewollt, dass die Pflegedienste, die ihrem Personal Tarifgehälter zahlen, dies letztlich damit bezahlen müssen, dass sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege und damit auch die Qualität der Pflegeleistungen verschlechtern.

So war es ein Befreiungsschlag, aber ein längst überfälliger, dass sich das Bundessozialgericht im Jahr 2013 nach mehreren Musterverfahren endlich dazu durchgerungen hat, höchstrichterlich zu entscheiden, dass die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter grundsätzlich als wirtschaftlich angemessen zu werten sind und den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist folgerichtig, dass wir heute diese wichtige Erkenntnis in das SGB XI aufnehmen und damit den Rahmenvertragspartnern in den Bundesländern eine klare Richtschnur geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist mitnichten nur eine handwerkliche Klarstellung. Es ist zuallererst ein fundamentaler Beitrag zur Stärkung der Pflege.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit erkennen wir gute Bezahlung an, damit stärken wir jenen Pflegediensten den Rücken, die mit verlässlichen Arbeitsbedingungen und ordentlicher Bezahlung ihrer Mitarbeiter eine qualitativ gute Pflege leisten; denn sie sind diejenigen, die in unserer Gesellschaft das Ansehen des Pflegeberufes hochhalten. Wir geben heute ein klares Signal an die Verhandlungspartner auf Länderebene, solche geordneten Verhältnisse anzuerkennen und bei der Preisgestaltung einzukalkulieren. Wir senden eine klare Botschaft an die Pflegeanbieter, ihr Personal weiterhin nach Tarif oder kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien zu bezahlen, sich in der Pflege für Tarifbindung in der Fläche einzusetzen und die praktizierten Fluchtbewegungen wieder einzustellen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir rufen jenen Anbietern, die derzeit ihr Personal noch nicht angemessen bezahlen – dafür gibt es leider jede Menge schlechter Beispiele aus den Medien –, zu: Zahlen Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege endlich das, was ihnen für ihre wertvolle Arbeit zusteht, nämlich ein anständiges Gehalt, auf das sie sich verlassen können!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die heutige gesetzliche Klarstellung – noch dazu, wenn sie, wie sich im Ausschuss abgezeichnet hat, einstimmig beschlossen werden sollte – ist ein starkes Signal der Politik an alle, denen eine würdevolle Pflege bei Krankheit und im Alter am Herzen liegt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Maria Klein- Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Kollege Erwin Rüddel spricht als Nächster für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3996251
Wahlperiode 18
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Pflegeversicherung
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