17.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 61 / Tagesordnungspunkt 22

Christian KühnDIE GRÜNEN - Wohnungsnot in Hochschulstädten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Studenten im Land! Der Staat hat in einer Wissensgesellschaft die Aufgabe, nicht nur ein auskömmliches BAföG zur Verfügung zu stellen – Ihr BAföG, das 2016 reformiert werden soll, wird weniger wert sein als das BAföG 2010, und es dauert auch noch zwei Jahre, bis es so weit ist –, sondern auch exzellente Universitäten, attraktive Studierendenplätze und ausreichend Wohnheimplätze. Denn ich finde, Studenten haben ein Recht darauf, ein Dach über dem Kopf zu haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Problemdruck in den Universitätsstädten ist enorm. Vergleicht man die Zahlen, was die Kluft zwischen Bestandsmieten und Neuvertragsmieten angeht, stellt man fest, dass drei Städte, die allesamt Universitätsstädte sind, an der Spitze stehen: Regensburg, Freiburg und Heidelberg. Dort liegen die Neuvertragsmieten zum Teil über 9 Euro pro Quadratmeter, und die Abstände zwischen den Mieten betragen über 30 Prozent.

Das zeigt ganz klar: Es gibt einen riesigen Problemdruck. Auf diesen Wohnungsmärkten, die ohnehin schon unter Stress stehen, konkurrieren nun Studenten mit anderen einkommensschwachen Haushalten. Deswegen brauchen wir deutlich mehr Wohnheimplätze in Deutschland. Die Belegungsquote liegt derzeit unter 10 Prozent. Ich finde, das ist ein Riesenskandal. Eigentlich müssten bei den Ländern, aber auch beim Bund alle Alarmglocken läuten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Alle Jahre wieder haben wir das gleiche Problem. Im Herbst, wenn das Semester beginnt, kommt dieses Thema hoch. Wir sind uns dann auch immer ganz schnell einig in der Analyse, dass wir ein Problem haben und etwas tun müssen. 2012 hat Herr Ramsauer dann einen Runden Tisch einberufen, bei dem nichts herausgekommen ist.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Typisch Ramsauer!)

Vonseiten der Großen Koalition führen Sie nun das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen an. Das wird bei allen wohnungs- und baupolitischen Themen als Standardargument benutzt.

(Sören Bartol [SPD]: Das ist gut!)

Mir reicht ein Verweis auf eine Plauderrunde nicht aus. Ich will Maßnahmen, und ich will von Ihnen konkret wissen, welche Instrumente Sie ergreifen, um die Wohnungsmärkte in Deutschland zu beruhigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich finde, der Antrag beschreibt das Problem gut. Aber Sie lassen mich mit diesem Antrag trotz der gemeinsamen Opposition ein bisschen ratlos zurück. Denn Sie haben aus meiner Sicht diesen Antrag wohnungs- und baupolitisch nicht durchdacht. Ich finde, für eine kluge Oppositionspolitik machen Sie es der Regierung mit Ihrem Antrag leider viel zu leicht, ausweichen zu können.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Dann machen Sie doch einen Vorschlag!)

Mir fehlt Ihre Bauexpertin Heidrun Bluhm heute in der Debatte. Sie hätte in wohnungspolitischer Hinsicht dieser Debatte gutgetan.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir brauchen eine kluge Subjekt- und Objektförderung und mietrechtliche Änderungen. Das sehe ich leider weder bei der Großen Koalition noch bei der Linken.

Die Mietpreisbremse wurde monatelang angekündigt, dann verzögert, und am Ende wird die Ausnahme zur Regel. Dass Sie den Neubau von der Mietpreisbremse ausgenommen haben, ist falsch. Ihr Argument, dass der Neubau das einzige Instrument ist, mit dem man sozialen Wohnraum sichern kann, ist falsch. Man kann zum Beispiel auch Belegungsrechte kaufen.

Es kommt aber nicht nur darauf an, dass gebaut wird, sondern auch darauf, dass jemand baut, der am Ende auch bezahlbaren Wohnraum bereitstellt. Darüber machen Sie sich viel zu wenig Gedanken. Ich finde, hier muss man mehr in genossenschaftlichen Strukturen denken und kommunale Akteure, die bezahlbaren Wohnraum bereitstellen, sowie Studentenwerke, die für die Wohnheime zuständig sind, mit einbeziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beim Wohngeld gilt das Gleiche. Davon profitieren auch Studierende, die kein BAföG beziehen. Beim Wohngeld kürzen Sie erst. Dann erhöhen Sie es wieder und wollen sich dafür feiern lassen. Aber die strukturellen Probleme beim Wohngeld gehen Sie nicht an. Ich finde, Sie halten Sonntagsreden über Ihre Instrumente. Das sind reine Lippenbekenntnisse. Sie müssen in der Großen Koalition deutlich mehr liefern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass der eine oder andere in diesem Hause wieder mit einem Konjunkturprogramm liebäugelt. Falls Sie in dieser Großen Koalition wie in der letzten auf die Idee kommen sollten, Konjunkturprogramme durchzuführen, kann ich Sie nur auffordern: Stecken Sie das Geld in den sozialen Wohnungsbau, und bauen Sie Studentenwohnheime, statt Autos abzuwracken!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Situation ist dramatisch. In vielen Universitätsstädten beginnen Studierende, selbst Verantwortung für den Wohnraum zu übernehmen. In meiner Heimatstadt Tübingen gibt es eine ganze Reihe von Projekten genossenschaftlichen Wohnens, die sehr erfolgreich sind. Ich finde es schade, dass es einen linken Antrag zum studentischen Wohnen gibt, in dem nicht einmal das Wort „Genossenschaften“ vorkommt. Dabei leisten Genossenschaften einen großen Beitrag. Hier muss Politik mehr tun und bessere Rahmenbedingungen für Genossinnen und Genossen vor Ort organisieren, damit Studierende Wohnraum in Selbstverwaltung übernehmen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wir die Fragen des sozialen Wohnungsbaus und die Beziehungen zu den Ländern unter verfassungsrechtlichen Aspekten in den Blick nehmen, will ich anmerken, dass wir gemeinsam hier in diesem Haus nach 2019 ein Problem bekommen werden. Wenn die Entflechtungsmittel auslaufen, dann weiß ich nicht, wie die Länder ihrer Verpflichtung nachkommen wollen, gleichzeitig die Vorgaben der Schuldenbremse und die Aufgaben des sozialen Wohnungsbaus sowie des Wohnungsbaus für Studierende zu stemmen. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll ist, gemeinsam mit den Ländern eine Vereinbarung zu treffen, die es dem Bund ermöglicht, bei den Wohnheimen, aber auch im sozialen Wohnungsbau unterstützend tätig zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Semester hat begonnen. In Göttingen sind Zeltlager aufgestellt. In Heidelberg gibt es Notunterkünfte. Woanders schlafen Studierende auf Couchen oder in Wohnwägen. Wer heute ein Studium aufnimmt, hat das Recht auf angemessenen Wohnraum; denn wenn man ein Studium startet, dann ist das eine schwierige Phase der Neuorientierung. Es ist ein Start in einen neuen Lebensabschnitt. Hier hat jeder Studierende ein Recht auf einen Wohnheimplatz. Ich finde, wenn der Bund Eliteuniversitäten fördert, kann er auch für bezahlbaren Wohnraum sorgen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Yvonne Magwas das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3996771
Wahlperiode 18
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Wohnungsnot in Hochschulstädten
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