Claudia Lücking-MichelCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte heute Morgen macht deutlich: Unsere Vorstellungen von einem Sterben in Würde sind bestimmt von unseren Vorstellungen von einem Leben in Würde. Das Gleiche gilt auch umgekehrt. Beides hängt untrennbar miteinander zusammen.
Als Christin bin ich überzeugt, dass unser aller Leben ein Geschenk Gottes ist. Ich bin überzeugt, dass wir als Abbild Gottes geschaffen sind und deshalb mit einer unveräußerlichen Würde ausgestattet sind. Besonderer Ausdruck dieser Würde und damit wichtiges Gut für jeden von uns ist das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. Das Motto „Mein Ende gehört mir“ bezeichnet trotzdem eine vollkommen verkürzte Position. Wir sind nämlich nur begrenzt autonom. Wir können nicht selbst bestimmen ohne Beachtung der Einflüsse und der Rahmenbedingungen, die uns prägen. Wir leben in Beziehungen. Vom Anfang bis zum Ende ist unser Leben verflochten mit dem Leben anderer.
Freiheit und Selbstbestimmung – gerade weil das so ein hohes Gut ist, will ich festhalten: Schon heute entscheidet jeder bei uns über Ende oder Fortsetzung seiner Behandlung. Niemand muss lebensverlängernde Maßnahmen akzeptieren. Ja, man ist im Äußersten selbst frei, sich selbst zu töten. Suizid ist nicht strafbar. Ein zunächst rein logischer Schluss lautet dann, dass auch Beihilfe zum Suizid nicht strafbar ist. Hier sehe ich auch keinen Änderungsbedarf.
Aber in einer Hinsicht gibt es aus meiner Sicht trotzdem Regelungsbedarf, den ich zusammen mit meinen Kollegen Brand und Frieser in unserem Papier deutlich benannt habe. Wir wollen jegliche Art von organisierter Sterbehilfe unter Strafe stellen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Anbietende mit der Absicht handelt, Gewinne zu erzielen oder nicht. Das Motiv, warum ich so votiere, liegt weniger in meinen religiösen Überzeugungen begründet als in meinem Verständnis von Gesellschaft. Ich sehe nämlich die Verpflichtung für unsere Gesellschaft, sich ganz besonders für diejenigen einzusetzen, die besonders wehrlos und schwach sind.
Wenn Beihilfe zum Suizid zuerst ein legales und dann bald ein scheinbar normales Angebot werden würde, sehe ich die Gefahr, dass sich ältere oder lebensbedrohlich erkrankte Menschen unter ökonomischen und psychosozialen Druck gesetzt fühlen. Dann kommen sie jedenfalls nicht mehr darum herum, sich zu dieser möglichen Option verhalten zu müssen, sich zu entscheiden. Die Tür für organisierte Sterbehilfe zu öffnen, bedeutet, die Schutzbedürftigsten womöglich über eine Schwelle zu drängen, die sie selbst ursprünglich gar nicht überschreiten wollten. Wir sollten stattdessen keinerlei Zweifel daran lassen, dass das Leben eines jeden Menschen für uns als Gesellschaft unter jeder Bedingung schützenswert ist. Wie wir mit Alter, Krankheit und Sterben umgehen, entscheidet darüber, ob unsere Gesellschaft menschlich bleibt oder nicht.
Was heißt das nun für ärztliche Assistenz zum Suizid? Nach meinem Verständnis muss für Ärzte wie für alle anderen auch gelten, dass nicht organisierte Beihilfe keine strafrechtlichen Konsequenzen hat. Ärztliche Beihilfe zum Suizid lässt sich aus meiner Sicht andererseits nicht mit dem hippokratischen Eid und dem ärztlichen Berufsethos vereinbaren. Die Bundesärztekammer formuliert das sehr zutreffend. Der Präsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe sagte noch gestern:
Meine Damen und Herren, eines macht die Debatte heute Morgen ganz deutlich: Wir alle sind der Meinung, dass sich viele Menschen den schnellen Tod wünschen, weil sie Angst vor großen Schmerzen, Einsamkeit und Leid haben. Wenn die Debatte eines bringen muss, dann das: die gemeinsame Anstrengung, alles zu tun, um die palliativmedizinische und pflegerische Versorgung flächendeckend und grundsätzlich besser auszubauen sowie die Hospizversorgung zu unterstützen. Ich danke unserem Bundesgesundheitsminister daher ausdrücklich für seine Initiativen in diesem Bereich. Wir alle werden in diesem Zusammenhang noch viel mehr tun müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sterben ist Teil unseres Lebens, letztgültig, unumkehrbar und im wahrsten Sinne des Wortes einmalig. Jeder stirbt am Ende für sich selbst; aber es bleibt eine Frage an uns als Gesellschaft, was wir tun, um Begleitung und Schutz der Würde am Ende des Lebens für jeden von uns möglich zu machen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin Lücking-Michel. – Nächste Rednerin: Bärbel Bas.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4104654 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 66 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung |