13.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 7

Tankred SchipanskiCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden heute ein Gesetz, mit dem wir die föderale Ordnung in unserem Bundesstaat optimieren. Die zweite und dritte Lesung einer Verfassungsänderung steht dabei ganz im Geist der Verfassung, und wir wollen dabei unserem Auftrag gerecht werden, den Verfassungsanwendern Auslegungshilfe zur Verfügung zu stellen. In einer solchen Debatte, Herr Gehring, Frau Hein, verbietet sich daher eigentlich Polemik,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das Ihrer Ministerin!)

vor allem mit dem Wissen, dass in der Sachverständigenanhörung – die Ministerin hat es gesagt – alle Sachverständigen diese Grundgesetzänderung im Grundsatz gelobt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Grundsatz ist das auch in Ordnung! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann stimmt doch im Grundsatz zu!)

Meine Damen und Herren, ich möchte gleich zu Beginn der Rede mit einer Mär, die in dieser Debatte aufgebaut wird, aufräumen. Hier wird ein Junktim zwischen der jetzigen Debatte und der zu dem BAföG-Änderungsgesetz hergestellt. Die Änderung des Artikels 91 b Grundgesetz ist ein lang verabredetes Ziel. Damit greifen wir einen breiten gesellschaftlichen Konsens auf. Das bringen wir heute zu einem krönenden Abschluss.

Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir die Hochschulen in den nächsten vier Jahren auch bei der Grundfinanzierung unterstützen. Das machen wir über die Änderung beim BAföG, indem wir die Länder ab dem 1. Januar nächsten Jahres um jährlich gut 1,2 Milliarden Euro entlasten. Das debattieren wir in Kürze hier in diesem Hohen Hause.

Die zweite Mär, mit der man aufräumen muss, betrifft den Artikel 91 b und den Bildungsbereich. Meine Damen und Herren, für eine weiter gehende Änderung des Artikels 91 b ist in unserem Bundesstaat keine Mehrheit zu erblicken. Wir scheitern damit im Bundesrat. Die Länder wollen es nicht. Sie alle wissen: Schule ist ein klassischer Kernbereich der Länderstaatlichkeit. Es ist mithin müßig, hier über Dinge zu debattieren, die sich in der Verfassungswirklichkeit nicht umsetzen lassen. Ich darf die Worte des Sachverständigen Professor Geis zitieren. Er sagte, wenn man in diese Verfassungsänderung auch den Bildungsbereich einbeziehen wolle, dann würden wir die Beteiligung des Bundes an der institutionellen Hochschulförderung wohl erst am Sankt-Nimmerleins-Tag erleben.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!)

Daher bekräftige ich in dieser Rede abermals das Angebot an die Bundesländer, dass wir als Bund eine stärkere Koordinierung im Kultusbereich vorantreiben. Wir strecken die Hand aus, die Ministerin streckt die Hand aus, aber wir wissen – das hat sich immer wieder aufs Neue erwiesen –, dass sie von der KMK ausgeschlagen wird. Daher kann ich nur sagen: Wir erneuern unseren Aufruf und unseren Hinweis an die Länder, das für den Bildungsbereich in einem Staatsvertrag verfassungskonform untereinander zu regeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine dritte Mär, meine Damen und Herren, die hier immer wieder vorgetragen wird, ist, dass im Jahr 2006 die Kooperationsmöglichkeiten eingeschränkt worden sind. Das ist schlichtweg falsch. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die Kooperationsmöglichkeiten im Hochschulbereich bereits 2006 erweitert wurden. Es wurde nämlich möglich, den Bereich der Lehre an den Hochschulen von Bundesseite zu unterstützen. Mit Blick auf den Hochschulbau darf ich auf Artikel 143 c unseres Grundgesetzes verweisen, gemäß dem wir umfangreiche Kompensationsbeträge im Moment noch zahlen und auch weiter zahlen werden. Im Übrigen wurde mit diesem Verfassungstext die Grundlage für die erfolgreichen Pakte, die wir eingegangen sind, gelegt.

Ergänzend der Hinweis, weil immer erzählt wird, Möglichkeiten im Bildungsbereich seien 2006 eingeschränkt worden: Die Trennung zwischen Bund und Land im Schulbereich besteht seit 1949 und ist nicht erst durch die Föderalismusreform I eingeführt worden.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist richtig!)

Meine Damen und Herren, bezüglich der Gründe und Erwägungen zur vorliegenden Verfassungsänderung darf ich auf unsere erste Lesung verweisen. Die Wortbeiträge der Mitglieder der Unionsfraktion haben eindeutig gezeigt:

Wir wollen Kooperationshemmnisse abbauen, die wir bei der Einrichtung von KIT in Karlsruhe, von BIG in Berlin, von JARA in Aachen erlebt haben. Wir wollen also eine stärkere Kooperation haben.

Wir wollen – der Wissenschaftsrat hat es formuliert – die Unwucht zwischen außeruniversitärer und universitärer Forschung beheben.

Und wir wollen als Bund die Hochschulen als das Herz unseres Wissenschaftssystems stärken, indem wir als Bund zukünftig auch institutionelle Hochschulförderung betreiben dürfen. Wir räumen dem Bund heute eine Finanzierungsbefugnis ein, ohne dass das automatisch Ansprüche von irgendjemandem nach sich zieht.

Dabei ist uns wohl bewusst – das hat der Sachverständige Professor Löwer in der Anhörung auch klar beschrieben –, dass die Stärke des deutschen Wissenschaftssystems in seiner Gesamtheit in dem breiten Fundament der Hochschulen liegt. Nur auf diesem breiten Fundament kann man die Beletage der Spitzenforschung überhaupt aufsetzen. Logisch ist aber, dass der Bund nicht das gesamte breite Fundament fördern kann; denn wir wollen mit dieser Verfassungsänderung ja auch die föderale Kompetenzordnung nicht auf den Kopf stellen, sondern sie bewahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Hochschulförderung des Bundes kann also nur Sinn machen, wenn wir zusätzliches Geld hineingeben. Um die Länder zu entlasten, haben wir andere Mechanismen in unserem Bundesstaat. Es geht vielmehr darum, zusätzliche Impulse zu setzen und den Innovationsstandort Deutschland strategisch zu stärken. Dabei haben wir ganz bewusst Tatbestandsmerkmale eingefügt.

Das Merkmal der überregionalen Bedeutung wurde schon angesprochen. Der Bund will also nur da investieren, wo wir eine Ausstrahlungskraft über das einzelne Bundesland hinaus haben, wo es einen internationalen oder nationalen Kontext gibt. Das heißt, der Bund wird nur dort mehr Geld geben bzw. mehr Geld investieren, wo wir einen systematischen Mehrwert für das Wissenschaftssystem erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Exzellente Wissenschaftsstrukturen definieren sich durch eine Ausnahmestellung. Definieren wir alles als exzellent, ist niemand mehr exzellent. Die Gesetzesbegründung formuliert ganz klar: „Exzellenz in Breite und Spitze“ – eine spannende Formulierung. Das bedeutet aber, dass bei der Förderung wissenschaftlicher Exzellenz stets auch sorgfältig geprüft werden muss, inwieweit das Wissenschaftssystem als Ganzes davon profitiert.

Wir werden das Geld nicht nach dem Königsteiner Schlüssel verteilen. Dieser ist ja regionalpolitisch ausgerichtet; das bringt aber im internationalen Wettbewerb unsere Hochschulen nicht voran.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kollege Schipanski, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf. – Kolleginnen und Kollegen, im Moment hat überwiegend der Kollege Schipanski das Wort. Wer nebenbei reden möchte, der kann das gerne außerhalb des Saales tun. Ich bitte jetzt aber, auch ein bisschen Respekt vor dem Redner zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Überregionale Bedeutung – die Ministerin hat es gesagt – betrifft auch die Lehre. Es ist uns wichtig, dass wir formuliert haben, dass es bei der Grundgesetzänderung um Wissenschaft, Forschung und Lehre geht. In bester Humboldt’scher Tradition wollen wir auch hier Lehre und Forschung nicht künstlich trennen. Somit werden wir auch unseren Qualitätspakt Lehre weiter aufleben lassen, von dem ja derzeit 186 Hochschulen bundesweit profitieren. Sie sehen, wir sind auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Lassen Sie uns gemeinsam – der Kollege Rossmann hat es gesagt – Visionen für die Kooperationskultur entwickeln, die wir jetzt neu durch diese Grundgesetzänderung erhalten. Der Wissenschaftsrat hat Vorschläge gemacht. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat regionale Leistungszentren in die Diskussion gebracht. Wir denken gemeinsam mit der GWK über die Neugestaltung der Exzellenzinitiative nach. Wissenschaftlicher Nachwuchs ist angesprochen worden. Ich denke, wir sollten in diesem Hause gemeinsam für unser Wissenschaftssystem nach vorne denken.

Lieber Kai Gehring, es wird Sie überraschen, aber ich ende mit einem Zitat der grünen Wissenschaftsministerin aus Baden-Württemberg,

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist ja auch super!)

die nämlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf dieses Gesetz feststellte – das ist die gute Frau Theresia Bauer –:

In diesem Sinne: Stimmen Sie diesem Gesetz zu.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schipanski. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Swen Schulz, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4105768
Wahlperiode 18
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b)
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