Matthias BartkeSPD - Rehabilitierung politisch Verfolgter der DDR
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Zuwendung für Opfer des SED-Unrechts zu erhöhen. Ich finde, es gibt keinen besseren Zeitpunkt hierfür als den Monat, in dem sich der Mauerfall zum 25. Mal jährt.
Jeder Betroffene reagiert unterschiedlich auf Repressionen eines Unrechtssystems. Manche stecken dies weg und leben danach unbeschwert weiter und auch beruflich erfolgreich weiter. Andere allerdings erholen sich nie wieder wirklich von dieser Erfahrung und kommen nicht mehr auf die Beine. Die beiden Opferrenten, die wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aufstocken werden, sind gerade für diese Opfer gedacht. Sie sind für diejenigen, die die traumatischen Erfahrungen der Haft und der Repression nicht verwunden haben und wirtschaftlich nicht mehr auf die Beine gekommen sind.
Das klingt abstrakt. Ich habe vor einigen Wochen mit einer meiner Besuchergruppen das Stasigefängnis Hohenschönhausen besucht. Ich kann das nur jedem empfehlen. Ich war von diesem Besuch tief erschüttert. Das war nämlich überhaupt nicht mehr abstrakt, sondern beklemmend konkret. Das Stasiuntersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen war nur eines von 17 Stasiuntersuchungsgefängnissen in der DDR. Das Prinzip dieser Gefängnisse bestand darin, die Häftlinge zu erniedrigen und zu brechen. Mit staatlichen Repressionen mussten nicht nur Republikflüchtlinge rechnen. Das galt beispielsweise auch für Teilnehmer des Aufstands vom 17. Juni 1953, für die Zeugen Jehovas und auch für in Ungnade gefallene Politiker wie etwa Walter Janka und Wolfgang Harich.
Seit Gründung der DDR kamen aus politischen Gründen zwischen 200 000 und 250 000 Menschen ins Gefängnis. Aber natürlich waren die Gefängnisse nur die Spitze des Eisbergs, des Repressionssystems der DDR. Noch wichtiger als die Verhaftung und Verurteilung von Fluchtwilligen und Andersdenkenden war die abschreckende Wirkung, die davon ausging. Den meisten Menschen in der DDR war eben immer bewusst, dass man sie, wenn sie sich auflehnten, jederzeit verhaften konnte. Sie wussten, dass sie der Stasi dann schutzlos ausgeliefert waren, dass sie ihre Arbeitsstelle und jede berufliche Perspektive verlieren konnten.
Der Kontroll- und Überwachungsapparat des MfS wurde im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut. Am Ende verfügte die Stasi über 91 000 hauptamtliche und über 180 000 inoffizielle Mitarbeiter, die sogenannten IMs. Zum Vergleich: Das ist mehr als die Bundeswehr heute an Soldaten hat.
Ganz besonders tragisch sind in meinen Augen die Fälle, bei denen die Stasi die psychische Bedrängnis der Opfer in ihren Gefängnissen ausgenutzt hat, um sie zu einer Zusammenarbeit zu drängen. Das lief dann häufig nach dem Motto „Wir könnten Ihre Haft natürlich verkürzen; Sie müssten sich nur etwas kooperationswilliger zeigen“. In solchen Situationen, Herr Heck, sind dann doch viele Menschen schwach geworden und haben die IM-Erklärung unterzeichnet. Ich finde, man sollte vorsichtig sein mit Vorwürfen und Verurteilungen denen gegenüber, die in einer solchen Situation schwach geworden sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erhöhen wir die Opferrenten nach dem Strafrechtlichen und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz. Das ist nicht nur eine monetäre Maßnahme. Es ist vor allem auch von Staats wegen eine moralische Anerkennung des erlittenen Unrechts. Für viele ist das noch viel wichtiger als die Geldleistung: die Anerkennung, dass man selbst keine Schuld hatte und dass es der Staat DDR war, der verbrecherisch gehandelt hat. Gerade für die vielen Opfer des SED-Regimes war es daher wichtig, dass Rot-Rot-Grün in Thüringen klargestellt hat, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Ich finde, Frau Wawzyniak, dass Sie hier noch einmal sehr beeindruckend klargestellt haben, dass dies der Fall gewesen ist.
(Dr. Stefan Heck [CDU/CSU]: Habe ich nicht gehört!)
Für eine zukunftsorientierte Politik ist es von eminenter Bedeutung, dass das historische Fundament stimmt. Hierzu gehört in erster Linie eine gemeinsame Bewertung der jüngeren Vergangenheit unseres Landes. Zu einer zukunftsorientierten Politik gehört auch, dass man sich zu seiner Vergangenheit bekennt und daraus die Lehren zieht. Weiter gehört dazu, dass die Opfer des DDR-Unrechts für ihre erduldeten Leiden wertgeschätzt werden und eine Entschädigung erhalten. Die geplanten Opferrentenerhöhungen sind daher ein wichtiges und richtiges Signal zu einem symbolträchtigen Zeitpunkt.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4112614 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Rehabilitierung politisch Verfolgter der DDR |