Cansel KızıltepeSPD - Bundesministerium der Finanzen Epl 08; Bundesrechnungshof Epl 20
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Minister Schäuble! Die heutige finanzpolitische Debatte ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: Einerseits sieht man, wenn man in die Geschichte des Bundeshaushalts schaut, die erste schwarze Null seit 1969. Dabei ist, wie Bundesfinanzminister Schäuble in der ersten Haushaltslesung sagte, die schwarze Null keineswegs Selbstzweck. Deshalb wollen wir auch in die Zukunft blicken: auf die künftigen Herausforderungen.
Mit einem ausgeglichenen Haushalt sind nicht alle Probleme verschwunden. Nein, es stellen sich auch weiterhin die Fragen: Wie fördern wir das Wirtschaftswachstum? Wie verteilen wir unseren Wohlstand gerechter?
Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch Auswirkungen auf Deutschland. Wir sind nun einmal keine Insel der Glückseligen. Deshalb haben wir immer wieder mit schwachen Konjunkturdaten und auch mit einem sich eintrübenden Wirtschaftswachstum zu kämpfen.
Will man in solch einer Situation die Finanzkraft des Staates und den Sozialstaat sichern sowie die Wirtschaft am Laufen halten, dann muss der Staat seine Investitionstätigkeit ausweiten. Das sagt die SPD schon seit langem, und endlich haben wir dafür gesorgt, dass genau das in diesem Haushalt und auch in den kommenden Haushalten berücksichtigt wird.
(Beifall bei der SPD)
Die 10 Milliarden Euro, die innerhalb des Investitionspakets für die Jahre 2016 bis 2018 kommen, werden einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den anhaltenden Substanzverzehr, den wir in Deutschland schon seit Jahren erleben, aufzufangen. Das Geld wird auch für Wachstumsimpulse sorgen, und in den nächsten Jahren wird es vor allen Dingen darauf ankommen, diese Investitionsleistung zu verstetigen und auszubauen.
(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Sache! – Gegenruf des Abg. Sven- Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tropfen auf den heißen Stein!)
Verschiedene Studien rechnen uns immer wieder vor, welchen Investitionsrückstand wir haben. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau geht allein im kommunalen Bereich von einem Investitionsstau von 118 Milliarden Euro aus. Andere Institute sagen, dass die Investitionslücke beim Bestand jährlich um 10 Milliarden Euro steigt. Was zeigt uns das? Das zeigt uns, was zu tun ist.
Die Finanzpolitik auf Bundesebene ermöglicht uns Mehrausgaben für Investitionen – das ist auch gut so – bei gleichzeitig ausgeglichenem Haushalt. Von dieser Situation können viele Kommunen nur träumen; sie schaffen das nicht. Deshalb ist es richtig, die Städte und Gemeinden zu entlasten, wie es dieser Haushaltsentwurf auch tut. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes werden die Kommunen jährlich um rund 1 Milliarde Euro entlastet. Weitere Entlastungen – auch für die Länder – sind ebenfalls vereinbart worden, zum Beispiel – das wurde hier auch genannt – durch die Übernahme des BAföG durch den Bund,
(Johannes Kahrs [SPD]: Richtig und gut!)
durch ein stärkeres Engagement beim Kitaausbau und, und, und.
(Beifall bei der SPD)
Die gesamte Haushaltswoche steht unter dem Oberbegriff „schwarze Null“. Auch wenn ich keine schwäbische Hausfrau bin, finde ich es schon beachtlich,
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das kann ja noch kommen! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Keine Drohungen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
die Neuverschuldung von 44 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf nun 0 Euro zu senken. Damit das aber so bleibt, dürfen wir nicht nachlassen; denn der Staat ist strukturell unterfinanziert.
Wir müssen die Einnahmen stabil halten. Wenn wir die richtigen Lehren aus dem hohen Investitionsbedarf ziehen, dann werden wir nicht einfach darauf hoffen, dass die Steuereinnahmen weiterhin wachsen. Die aktuelle Steuerschätzung hat auch schon gezeigt, dass diese leicht rückläufig sind.
In der steuerpolitischen Debatte hören wir immer wieder den Begriff der kalten Progression. Natürlich gibt es sie bei Inflation, und wir müssen uns überlegen, wie das an anderer Stelle kompensiert werden kann.
Keiner in diesem Haus wird mir widersprechen, wenn ich sage, dass wir untere und mittlere Einkommen entlasten müssen. Wenn wir dies tun wollen, dann dürfen wir aber auch über die Besteuerung großer Einkommen und Vermögen nicht schweigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wer Wohlstand gerechter verteilen will, der darf über die Vermögensbesteuerung nicht schweigen,
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)
sonst wird die schwarze Null ganz schnell wieder verschwinden.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)
Wenn wir uns die Besteuerung großer Einkommen und Vermögen anschauen, also den Spitzensteuersatz, die Erbschaftsteuer und auch die Vermögensteuer, dann müssen wir auch da hinschauen, wo es diesen enormen Reichtum gibt.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Eine aktuelle Studie der UBS, Union de Banques Suisses, zeigt, dass in Deutschland fast 20 000 Multimillionäre, also Menschen mit einem Vermögen von 24 Millionen Euro und mehr, leben. Die Zahl an sich ist noch nicht aussagekräftig. Aber wenn man sie ins Verhältnis setzt, erkennt man: Es sind 0,02 Promille der Bevölkerung, die 22,6 Prozent des Vermögens in Deutschland besitzen. Das ist schon bemerkenswert. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie diese Vermögen zustande kommen, nämlich 28 Prozent ausschließlich durch Erbschaften und 31 Prozent zum Teil aus Erbschaften. Diese superreichen Deutschen geben jährlich mehr als 3 Milliarden Euro alleine für Schmuck und Jachten aus. Die Ausgaben für Kaviar und Champagner sind da noch nicht eingerechnet.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Investitionen sind das! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ist denn Konsum schlecht?)
Alleine der Konsum dieser beiden Luxusgüter beträgt ein Drittel der Höhe des jährlichen Investitionsstaus in Deutschland.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Genau! – Max Straubinger [CDU/CSU]: In welcher Welt leben Sie?)
Dieser Vergleich soll zeigen, dass mehr Investitionen – da sind wir uns ja mit Bundesminister Schäuble einig – und das gleichzeitige Festhalten an der schwarzen Null nur mit einer gerechteren Besteuerung gelingen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Rede!)
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 – Bundesministerium der Finanzen – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe auf die Abstimmung über den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof –, ebenfalls in der Ausschussfassung. Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Auch niemand. Dann ist das einvernehmlich so beschlossen.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt I.5:
Berichterstatter sind die Abgeordneten Petra Hinz, Helmut Heiderich, Gesine Lötzsch und Ekin Deligöz.
Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Entschließungsantrag werden wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen.
Auch für diese Aussprache sind interfraktionell 96 Minuten vorgesehen. – Das ist offensichtlich unstreitig. Dann können wir so verfahren.
Inzwischen haben offenkundig alle, die an dieser Debatte teilnehmen wollen, einen der wenigen freien Plätze gefunden. Dann erteile ich der Kollegin Gesine Lötzsch das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4173089 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 68 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium der Finanzen Epl 08; Bundesrechnungshof Epl 20 |