Rüdiger VeitSPD - Bundesministerium des Innern Epl 06
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich jetzt nicht auf den Beitrag des Kollegen Hahn beziehen, weil ich mich in meiner Rede zu diesem Bundeshaushalt nach unserer Aufgabenverteilung mit Überlegungen zu Flüchtlingen und Integrationsaufgaben auseinanderzusetzen habe, was ich gerne tue.
Um den Überraschungseffekt am Anfang auszunutzen: Frau Hajduk, Sie haben in einem recht: Man kann sich bei ganz vielen Dingen, die gut gemeint sind und hoffentlich auch gut gemacht werden, vorstellen, dass noch mehr getan wird und dass man noch mehr Geld dafür ausgibt.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um eine andere Qualität!)
Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Wenn man aber eben nicht so viel Geld hat, wie das vielleicht Ihren und vielleicht auch meinen Wunschvorstellungen entspräche, kann man nicht den Umkehrschluss daraus ziehen und sagen: Wenn ich nicht 100 Prozent bekomme, dann bin ich auch dagegen, dass es mindestens 50, 60 oder 70 Prozent sind.
Deswegen will ich Ihnen im Einzelnen noch einmal aufzählen, warum sich der Einzelplan 06 durchaus sehen lassen kann. Natürlich wird man einwenden, dass man das schon einmal gehört hat. Erinnern Sie sich aber bitte – wer von Ihnen Lehrer ist, der hat das einmal so gelernt –: Die Wiederholung ist in der Pädagogik ein ganz wesentliches Element der Vertiefung. Deswegen will ich das gerne noch einmal tun.
Erstens. Im Bundeshaushalt sind wiederum – auch im letzten Jahr war das so – 9 Millionen Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen enthalten. Das ist gut so.
Zweitens. Es gibt – darauf ist hingewiesen worden – eine durchaus beachtliche Steigerung im Bereich der Migrationsberatung für Erwachsene in Höhe von immerhin 8 Millionen Euro. Wenn ich mir die Zahlen richtig notiert und gemerkt habe, dann wurden die Mittel von 26 auf jetzt 34 Millionen Euro erhöht.
Drittens – und das ist eigentlich noch wichtiger – haben wir in einer Zeit, in der es eine große Anzahl zusätzlicher Zuwanderer und Flüchtlinge gibt, eine erhebliche Steigerung des Stellenbestandes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erreicht. 300 Stellen mehr waren es im letzten Jahr – soweit ich weiß, sind mittlerweile alle besetzt –, und mit diesem Haushalt schaffen wir für 2015 weitere 350 Stellen.
Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als dieses Amt in Nürnberg, diese nachgeordnete Bundesbehörde, noch den Namen „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ hatte. Alle, die damals schon im Bereich der Flüchtlingsbewegung tätig waren, werden mir zustimmen: Wir, die wir guten Wollens und guten Willens im Sinne der Belange der Flüchtlinge tätig waren, haben die Abkürzung BAFl eher so ausgeschrieben: Bundesamt für die Ablehnung von Flüchtlingen. Man kann das so sagen. Das war sozusagen unser nicht immer emotionsfrei besetzter Angstgegner. Das hat sich seit dem Jahre 2001 aber gründlich geändert.
Ich will diese Gelegenheit nutzen, um dem vormaligen Präsidenten, Herrn Dr. Albert Schmid, und dem jetzigen Präsidenten, Herrn Dr. Manfred Schmidt, ganz herzlich dafür zu danken, dass sie diese Behörde ganz erheblich und nachhaltig zu einer Dienstleistungsbehörde umgebaut haben, mit der wir häufig und intensiv Kontakt haben – auch und gerade im Sinne der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dort wird überwiegend eine hervorragende Arbeit geleistet. Denken Sie einmal daran, wie hoch die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Jahren war. Heute müssen wir davon ausgehen, dass sich diese Zahl praktisch verzehnfacht hat. Umso größer ist die Notwendigkeit, hier eine entsprechende Arbeit zu leisten. Dabei ist uns aus Sicht der SPD nicht nur eine zügige, sondern auch eine sorgfältige und rechtsstaatlich fundierte Bearbeitung von Asylanträgen wichtig. Auch deswegen haben wir diesem Personalaufwuchs in der Koalitionsvereinbarung zugestimmt und sehen wir das jetzt mit Freude auch in diesem Haushalt.
Viertens. Nun komme ich zum Komplex Integrationskurse, wofür 40 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Das ist aufgrund der gestiegenen Fallzahlen der gleiche Zuwachs wie im letzten Jahr.
Ich will nicht verhehlen, dass in diesem Bereich noch einige Wünsche offen bleiben. Die Mindestvergütung ist noch heute nur so hoch, dass die Lehrkräfte selbst bei Vollzeit mit lediglich knapp 1 000 Euro netto über die Runden kommen müssen. Es wäre wünschenswert, dass sie ein vernünftiges Einkommen haben, um wenigstens der jetzigen Armut, der notwendigen Aufstockung durch staatliche Zusatzleistungen und auch der Armut im Alter zu entgehen.
Das muss auch unser Interesse sein; denn ein hoher Erfolg von Integrationskursen setzt guten Unterricht voraus, und guter Unterricht setzt gute Lehrkräfte voraus. Voraussetzung für gute Lehrkräfte ist wiederum, dass man sie halbwegs anständig bezahlt, sodass sie von dieser Arbeit leben können und nicht, was man verstehen kann, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen neuen Job annehmen, weil das der Kontinuität der Arbeit nicht guttut.
Wir werden uns daher weiterhin dafür einsetzen, dass durch einen entsprechenden Mittelaufwuchs in Zukunft auch eine angemessene Vergütung der Lehrkräfte und bei dem einen oder anderen Träger hoffentlich auch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sogar, wie ich hoffe, auch eine dauerhafte Anstellung ermöglicht werden. Das jedenfalls wäre auch weiterhin unser Ziel. Im Rahmen des Möglichen sind wir jedoch durchaus zufrieden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zum letzten Punkt: Perspektiven für die Zukunft. Es ist schon die Rede davon gewesen, Herr Minister – das müssen wir laut und deutlich sagen und dann die notwendigen Schlüsse ziehen –, dass es nicht sein kann, dass wir heute zwar eine weit verbreitete, begrüßenswerte Akzeptanz und Sensibilität in unserer Bevölkerung dafür haben, dass schutzsuchende Menschen aus vielen Teilen dieser Welt zu uns kommen und hier Zuflucht finden, dass wir aber diejenigen, die vor Ort Integrationsarbeit zu leisten haben, nämlich die Kommunen, mit dieser Aufgabe, jedenfalls in weiten Teilen dieser Republik, finanziell alleine lassen; denn Flüchtlingsangelegenheiten und deren Versorgung muss zwar vor Ort in den Kommunen geleistet werden, aber der Staat, also Bund oder Länder, muss es bezahlen. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten.
(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin, und bitte um Nachsicht. Einen Punkt will ich uns allen mit auf den Weg geben. Wenn wir über die Frage reden: „Wie können wir den Kommunen nachhaltig helfen?“, dann will ich Sie darüber informieren, dass der Parteivorstand der SPD gestern in einem Papier beschlossen hat: Wir sollten dafür sorgen, dass die Kosten für die Gesundheitsfürsorge der Asylbewerber und Flüchtlinge nicht mehr von den Kommunen oder teilweise den Ländern getragen werden, sondern wir sollten dafür sorgen, dass die Flüchtlinge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gesundheitsfürsorge erhalten und der Bund dafür die Kosten übernimmt;
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
übrigens ein Element aus Ihrem Antrag, das ich in der Sache für richtig halte.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Einseitiges Vorpreschen!)
Ich möchte mich, offen gestanden, am liebsten auf dieses Instrument konzentrieren. In dem Augenblick, in dem wir die Kommunen bei den Kosten für die Gesundheitsfürsorge entlasten, tun wir auch unmittelbar etwas für die Kommunen. Bei jedem anderen Finanzierungsweg könnte es sein, dass Finanzierungsmittel des Bundes möglicherweise in Länderhaushalten – ich sage es einmal so – verschwinden.
Herr Kollege.
Daher möchte ich uns herzlich bitten, zu überlegen, ob das nicht die schnellste, wichtigste und richtigste Maßnahme wäre, um aktuell die Kommunen zu entlasten und bei den Flüchtlingen für eine angemessene Gesundheitsfürsorge zu sorgen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Danke, Kollege Rüdiger Veit. – Nächster Redner in der Debatte ist Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4173944 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 68 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium des Innern Epl 06 |