26.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt I.9

Claudia Roth - Auswärtiges Amt Epl 05

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich habe einen wunderschönen Beitrag zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vorbereitet und will mich jetzt nicht in die Niederungen der europäischen Asyldebatte begeben. Ich will hier nur einen kleinen Beitrag zur politischen Bildung leisten. Ja, Frau Hänsel, es stimmt – es ist auch bitter –, dass die deutsche Asylpolitik in einer gewissen Weise immer wieder auf Restriktionen ausgerichtet ist. Dies geht auf die Änderung von Artikel 16 in Artikel 16 a des Grundgesetzes zurück. Diese Änderung wurde von unserem Parteifreund Edmund Stoiber gemeinsam mit Ihrem heutigen Parteifreund Oskar Lafontaine ausgearbeitet. Ich nehme beide davor in Schutz, deswegen als Massenmörder bezeichnet zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Magerer Beifall, aber immerhin.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Guter Versuch!)

Wenn Sie mir eine persönliche Anmerkung erlauben – wir kennen uns ja aus vielen heftigen Debatten im Auswärtigen Ausschuss –: Es ist klar, dass es kaum ein Thema gibt, bei dem man heftiger unterschiedlicher Meinung ist; aber ich denke, man muss solche Debatten führen können, ohne dem anderen gleich ein volles Maß an Charakterlosigkeit vorzuwerfen.

Ich bin, ehrlich gesagt, sehr von der Art und Weise überzeugt – auch bei kontroversen Themen, bei denen ich nicht seiner Meinung bin –, wie Herr Steinmeier die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland gestaltet. Ich bin oft – das ist kein Geheimnis – anderer Meinung. Aber als Parlamentarier, als CSUler, als Konservativer, aber auch als einer, der will, dass Deutschland in der Welt gut dasteht, fühle ich mich von diesem Mann eigentlich immer sehr gut vertreten. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit einmal sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zurück zu meiner schönen Rede.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik steht immer in dem Verdacht – der Minister hat darauf hingewiesen –, nur eine Art Sahnehäubchen oder Ähnliches zu sein. Wir unterstützen neben vielen anderen Projekten in der ganzen Welt angesichts des 500. Jahrestags der Reformation die Lutherdekade. So haben wir unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik als Motto einen Spruch des Reformators gegeben: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

Lassen Sie mich das an einem schönen Beispiel verdeutlichen. Während wir hier über den Haushalt diskutieren, ist für einen Förderbetrag von wenigen Tausend Euro das Orchester des bayerischen Staatstheaters am Gärtnerplatz in dem großartigen, aber viel geplagten Land Mexiko unterwegs. Der mexikanischen Presse der letzten Tage ist zu entnehmen, dass in der Zeit vom 20. bis 26. November 2014 die „Tage des Zorns“ stattfanden wegen ganz katastrophaler Verhältnisse in der öffentlichen Ordnung, fürchterlicher Morde und Schandtaten, in die auch die regierenden Kreise verwickelt sind. In allen großen Städten Mexikos haben Protestveranstaltungen stattgefunden. Fast in jedem Bericht der mexikanischen Presse wird erwähnt, dass das bayerische Staatsorchester jene Tage des Zorns, wie es wörtlich in der mexikanischen Presse heißt, veredelt hat, indem es bei Massenveranstaltungen in Mexiko-Stadt, in Guadalajara und Morelia aufgetreten ist und Franz Schubert gespielt hat. Dieser Gegensatz zwischen „Tage des Zorns“ und seiner 5. Symphonie, die – Schubert-Fans wissen das – die „liebliche Symphonie“ genannt wird, hat, so die Stimmen in der mexikanischen Presse weiter, Erschütterung als auch Veredelung in der Debatte kombiniert. Dafür ist man sehr dankbar. Das ist ein solches Apfelbäumchen. Wir alle sind gefragt, diese zu gießen und zu pflegen, wo immer wir können.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Es ist auch ein Erfolg des Außenministeriums – ich darf bei dieser Gelegenheit die Staatsministerin Maria Böhmer dankend erwähnen –, dass jetzt ein Haushaltsplan für den Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vorliegt – wir haben in 17 Sitzungen darauf hingearbeitet –, der sich im Vergleich zu früher sehen lassen kann und der an alte Erfolge anknüpft.

Das Goethe-Institut erhält rund 16 Millionen Euro mehr. Ich weiß, dass das für Euro-Retter ein Betrag ist, für den sie nicht einmal einen Aktendeckel in die Hand nehmen würden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber für uns ist das ein gewaltiger Fortschritt. Alois Karl, ich möchte dir als CSU-Berichterstatter herzlich dafür danken. Wir könnten am Goethe-Institut eine CSU-Gedenktafel anbringen; womit früher sicherlich niemand gerechnet hätte.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir setzen ein Programm fort, mit dem wir 12 Millionen Schüler, die an 110 000 Schulen weltweit Deutsch lernen – das ist doch nicht irgendetwas! – erreichen. Das Goethe-Institut wird in die Lage versetzt, mit fast 95 Prozent der Bildungsstätten, also fast allen, Kontakt aufzunehmen.

Herr Kollege Gauweiler, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Manuel Sarrazin?

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Er braucht sowieso noch Redezeit!)

Bitte.

Danke, Frau Präsidentin! – Verehrter Herr Kollege Gauweiler, ich habe immer versucht, meine Bemerkungen in Fragen zu verstecken. Ich bin über das neue Verfahren etwas verwundert; aber ich werde das auch jetzt versuchen.

Herr Gauweiler, niemand bestreitet die Risiken, die Deutschland im Zuge der Euro-Rettung eingegangen ist. Wir haben das offen beschlossen; das ist Recht und Gesetz. Wir haben darüber unterschiedliche Auffassungen. Das habe ich nie geleugnet. Dennoch möchte ich Sie vor dem Hintergrund des netten Verweises darauf hinweisen, dass im Gegensatz zu Ihrem sehr lobenswerten Projekt der Europäische Stabilisierungsmechanismus im letzten Jahr immerhin einen beträchtlichen Millionengewinn ausgewiesen hat. Das unterscheidet ihn insofern von Ihrem Projekt. Der ESM macht Gewinne; das kann anhand von Drucksachen belegt werden. Darum meine Frage, ob Sie diese Gewinne zur Kenntnis nehmen.

Danke.

Ich nehme in diesem Bereich sehr viel zur Kenntnis und bin gern bereit, Ihnen ein Collegium privatissime et gratis zu der ganzen Problematik zu geben.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das würde jetzt die ganze Redezeit sprengen. Seien wir uns einig, dass wir uns – mit allem Respekt – uneinig sind. Der Europäische Gerichtshof wird am 14. Januar 2015 eine Erklärung des Generalanwalts, eine besondere Einrichtung des EuGH, erwarten, und danach unterhalten wir uns wieder, Herr Sarrazin.

(Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])

– Vielen Dank.

Wir können mit dieser Etaterweiterung nun auch in einen besonderen Bereich gehen, der natürlich auch belächelt werden kann – ich habe mich am Anfang geniert, darüber zu sprechen –: eine kulturelle, volkspädagogische Betreuung von Flüchtlingslagern. Man wagt es ja kaum auszusprechen, aber das Goethe-Institut und viele andere Bildungsträger deutscher Sprache veranstalten jetzt in den zehn größten Flüchtlingslagern, die es hier gibt, Kurse für Kinder – Unterrichtsveranstaltungen und Malkurse –, eine Form der Freizeitgestaltung.

Wir haben uns mit Leuten unterhalten. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts hat von den Erfahrungen seiner eigenen Frau erzählt, die selber in einem Flüchtlingslager lebte, wie die Eltern dort mit tage-, wochen- und monatelangem Warten zermürbt werden, bis irgendetwas Kulturelles für ihre Kinder angeboten wird. Und ich finde es sehr, sehr gut, dass sich das Goethe-Institut aufgrund der Initiativen des Bundestages – auch von Ihnen, Frau Präsidentin Roth – ein Herz gefasst hat, in dieser Sache etwas zu tun.

Heute Abend wird der Beirat Tarabya eingesetzt. Erfahrene Kulturpolitiker im Bundestag werden sich erinnern.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Haushälter auch! – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Never-ending Story!)

– A Never-ending Story, aber die Sache steht, und sie ist mittlerweile vorweisbar. Sie steht. Neben der Villa Aurora in Los Angeles und der Villa Massimo in Rom ist eine Kulturstätte für den ganzen orientalischen Raum geschaffen worden, die großartig ist und von der Istanbuler Beobachter sagen, das seien die schönsten Parkanlagen der ganzen Türkei; und ich bin stolz darauf, dass hier der Bundesadler steht und wir dort einen Träger deutscher Kulturpolitik haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei den Auslandsschulen sind wir im Moment dabei, den Bereich duale Bildung auf unsere Auslandsschulen, auf die deutschen Gymnasien im Ausland draufzusatteln bzw. Berufsschulzweige auch dort durchzusetzen. Ich bin verzweifelt, wenn ich die Hindernisse sehe, gegen die wir uns im Moment in Thessaloniki durchsetzen müssen, teils bei der griechischen Regierung und übrigens manchmal auch bei der Bundesregierung – nicht im Auswärtigen Amt, ist jemand vom Bildungsministerium da? –, um die einfachsten Abstimmungsvorgänge durchzuziehen, damit sie nicht monatelang dauern.

Ich habe mir erlaubt, der Regierung einen Brief zu schreiben und die Vorgänge darzustellen. Wir wollen in jedem der Länder am Mittelmeer mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, in denen es deutsche Schulen gibt, die duale Ausbildung mit Berufsschulen einrichten. Ich halte es für einen großen Erfolg, dass wir das jetzt können. An der deutschen Schule in Ecuador in Lateinamerika – mit 1 600 Schülern eine der größten deutschen Schulen der Welt – funktioniert diese Systematik übrigens bereits hervorragend. Der Deutsche Akademische Austauschdienst kann jetzt die Zahl seiner Stipendiaten eindrucksvoll erhöhen. 2013 hat er über 110 000 Personen – die Mehrheit übrigens Deutsche, über 69 000, die ins Ausland gegangen sind – gefördert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich sind wir in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik im Bereich der Konfliktbeseitigung völlig waffenlos und damit in den Augen mancher eigentlich ungeeignet. Auf der anderen Seite sind wir der Auffassung, dass wir möglicherweise mehr bewirken können. Und ich bin stolz darauf, dass es im Gegensatz zum französischen Parlament im Deutschen Bundestag keine Stimmen gab, die im Zusammenhang mit der Ukraine/Russland-Krise die Forderung erhoben haben, dass wir die kulturellen Auslandsbeziehungen – zum Beispiel zu Russland – abbrechen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Wir brauchen die Beziehungen zu Russland und zur Ukraine nicht weniger, sondern mehr, und wir intensivieren sie.

Ich bin froh, Herr Außenminister, dass Sie mit durchgesetzt haben, dass das sogenannte Kreuzjahr, das Jahr der deutschen Sprache in Russland und das Jahr der russischen Sprache hier bei uns, das die Bundeskanzlerin mit dem russischen Präsidenten Putin vereinbart hatte, nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt wurde. Bei der Eröffnungsveranstaltung mit dem Goethe-Institut vor wenigen Wochen, an der ich selbst teilgenommen habe, im Eremitage-Garten in Moskau waren nach Zahlen des Goethe-Instituts 17 000 Menschen versammelt. Haben Sie schon einmal Versammlungen mit 17 000 Leuten gemacht? Ich nicht. Es ist in der vergangenen Woche in Moskau die Vereinigung der Deutschlehrer in Russland gegründet worden. Der Unterausschuss ist übernächste Woche in der Ukraine, um dort ein trilaterales Projekt der Universitäten Lemberg und Moskau mit der Universität Würzburg zu gründen. Dabei sollen die Studenten, deren Austauschprojekte anderswo nicht durchgeführt werden können, von Würzburg mit übernommen werden. Ich halte das für eine ermutigende und großartige Entwicklung.

Ich wollte zum Schluss noch etwas sagen – das tue ich jetzt nicht, Frau Präsidentin – zu dem bevorstehenden und notwendigen Kulturabkommen mit Kuba. Dazu beim nächsten Mal mehr.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ist aber so schön! Mach weiter!)

Einen Satz dürfen Sie noch, Herr Kollege Gauweiler.

Vielleicht haben wir es bis zum nächsten Mal abgeschlossen.

Vielen herzlichen Dank! Und zu Ihnen, Herr Sarrazin, komme ich und sage Ihnen das Nötige.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Thomas Dörflinger, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4178962
Wahlperiode 18
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt Epl 05
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