Carsten SielingSPD - Aktuelle Stunde zu Plänen zum Solidaritätszuschlag
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde heute bekommt für mich einen völlig neuen Anstrich. Sie scheint ein Ort des herrschaftsfreien Gesprächs zu sein. Es scheint so zu sein, dass man die Debatten, die hier sonst geführt werden, nicht weiter aufnehmen muss, sondern quasi frei von Erinnerung redet. Ich sage das in Richtung aller drei meiner Vorrednerinnen und Vorredner.
Kollege Bartsch, es geht nicht, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, man wolle eine FöKo III, wenn man als Linkspartei selber – zumindest über die Regierung in Brandenburg – an den Gesprächen, die es gegeben hat, beteiligt war. Man kann jetzt nicht einfach behaupten: Hier muss man sich breiter aufstellen.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die sind doch auch nicht dagegen! Die sind dafür! – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich kann man das sagen!)
Liebe Lisa Paus, sicherlich ist es ausgesprochen schwierig, den Soli in die Einkommensteuer zu integrieren. Aber das wurde meines Wissens auch von grünen Ministerpräsidenten unterstützt.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist das!)
Ich bin insbesondere – Herr Kollege Brinkhaus – von dem, was Sie, Herr Kollege Michelbach, hier vorgetragen haben, erschüttert; das will ich ganz offen sagen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben das nicht verstanden!)
Wir müssen gerade in der Koalition noch einmal festhalten – das ist ein wichtiger Punkt –: Der Soli war in den letzten Jahren ein guter und wichtiger Beitrag für die Stabilisierung und das Zusammenwachsen unseres Landes.
(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das habe ich doch nicht abgestritten!)
Lassen Sie uns nun den Blick nach vorne richten. Vor der Bundestagswahl wurde eine Debatte von einer Partei geführt, die heute – meines Erachtens glücklicherweise – nicht mehr in diesem Parlament sitzt. Die FDP hat sich damals hingestellt und gesagt: Der Soli muss weg. Im Juli 2013 hat die Kanzlerin höchstpersönlich gesagt: Wir brauchen für die zukünftigen Gestaltungen diesen Solidaritätszuschlag weiterhin. Dazu muss man als Union stehen, auch in schwierigen Zeiten, wenn die Populisten wieder einmal den Soli streichen wollen.
(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ab 2019! Schrittweise!)
Ich sage das vor allem deshalb, weil – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – wir es uns gar nicht erlauben können, auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag – 2020 werden das an die 20 Milliarden Euro sein – zu verzichten, jedenfalls wenn man die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Ordnung bringen will.
(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])
– Na ja, Kollege Michelbach, man kann die ganzen Ziele in Sachen Investitionen und Schulden nicht erreichen, und man kann auch den Wunsch Bayerns, Hessens und anderer Länder nach einer Reduzierung der Einzahlungen in den Länderfinanzausgleich nicht erfüllen, wenn man Geld aus dem System nimmt. Man wird dieses Geld brauchen.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schon mal was von Eigenverantwortung gehört?)
Es gibt also gute Argumente, den Soli fortzuführen.
(Beifall bei der SPD)
Ich möchte auf ein Thema eingehen, das die Kollegin Paus vorhin angesprochen hat. In der Tat wird es schwierig – das ist unzweifelhaft –, den Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer zu integrieren. Ich will aber darauf hinweisen, dass der Bundesfinanzminister dies vorgeschlagen hat. Diesem Vorschlag ist der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz, beigetreten. Das war aber auch Thema in den Gesprächen zwischen allen Länderfinanzministern mit dem Bund. Das ist doch keine Angelegenheit von Herrn Schäuble persönlich oder von Herrn Scholz persönlich.
(Zurufe der Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE] und Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Das hat in allen Gesprächen eine Rolle gespielt. Deshalb kann man das hier nicht so salopp vom Tisch wischen. Ich finde das unsolide. Das ist kein ernsthafter Umgang mit dem Problem.
(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])
Zum Schluss möchte ich deutlich machen, dass die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums in der Tat zeigen, dass die Eingliederung ganz schwierig wird. Deshalb will ich darauf hinweisen, dass es natürlich auch die Alternative gibt, den Soli so fortzuführen, wenn man es vernünftig begründet und sagt, welches besondere Ziel man damit verfolgt. Ich bin der festen Überzeugung, dass es dieses Ziel gibt. Wir wissen, dass wir Investitionsbedarf haben, und wir wissen, dass wir die Schuldenbelastung in vielen Bereichen reduzieren müssen. Ich glaube, dass sich daraus mit Blick auf die Zukunft unseres Landes eine gute Begründung herleiten lässt.
Es ist mir ein wichtiges Anliegen – darauf möchte ich in den letzten 15 Sekunden meiner Redezeit an dieser Stelle hinweisen –, dass wir uns in diesem Haus gemeinsam gegen die interessengeleitete Argumentation stellen – ich muss es schon fast Propaganda nennen –, dass der Soli die Leute überfordert. Der Soli ist als Ergänzungsabgabe so konstruiert, dass immerhin – ich nehme Zahlen des Bundesfinanzministeriums – 11 Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler den Soli gar nicht zahlen müssen. Der Soli ist eigentlich die gerechteste Form der Abgabe, weil es sich um einen Aufschlag auf die Steuer handelt. Er betrifft somit vor allem Gutverdienende und höhere Einkommen. Ich finde, höhere Einkommen und Gutverdienende können in diesem Land einen Beitrag dazu leisten, dass wir ein solides und stabiles Gemeinwesen bekommen.
Deshalb sind wir als Sozialdemokraten dafür, jetzt nicht einfach alles über den Haufen zu werfen, sondern nüchtern und sachlich an die Problemlagen heranzugehen. Wir sollten keine populistischen Reden halten, sondern die Probleme lösen, und dazu werden wir das Aufkommen aus dem Soli brauchen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Olav Gutting.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Plänen zum Solidaritätszuschlag |