Olav GuttingCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Plänen zum Solidaritätszuschlag
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich so an die Zukunft des Solidaritätszuschlags denke, wenn ich sie vor meinem geistigen Auge betrachte, dann sehe ich vor dem Bundestag 16 Geier sitzen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese 16 Geier sind völlig unterschiedlich, aber irgendwie scheinen sie doch gleicher Abstammung zu sein; denn in den 32 Augen dieser Geier blinken unentwegt Dollar- bzw. Euro-Zeichen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für ein Staatsverständnis!)
Gemeinsam ist diesen Geiern auch ein unheimlich guter Geruchssinn.
(Johannes Kahrs [SPD]: Meinen Sie jetzt Herrn Seehofer?)
Sie riechen Geld auf weiteste Entfernungen, und sie riechen auch den Soli.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! Ist das alles peinlich!)
Während sich diese Geier sonst immer schwertun, sich auf ein gemeinsames Ziel zu einigen, scheint es hier auf einmal ganz anders zu sein. Man würde den Soli gerne verschwinden lassen. Natürlich soll er nicht gänzlich verschwinden. Er soll in den Einkommensteuertarif integriert werden. Wenn man das macht, dann verschwindet von den bis 2019 prognostizierten jährlichen Einnahmen von ungefähr 18 Milliarden Euro plötzlich ganz schnell die Hälfte bei den Ländern.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: So ist es!)
Das ist dann natürlich elegant gelöst. Denn die im Zusammenhang mit der Einführung des Soli in den 90er- Jahren zugestandene Erhöhung des Anteils an der Umsatzsteuer in Höhe von 7 Prozent wollen sie natürlich zusätzlich und trotzdem behalten.
Bei der ganzen Diskussion darüber, wie man den Solidaritätszuschlag denn nun ab 2019 am besten neu verteilen könnte, vergessen meines Erachtens einige das Entscheidende: Der Soli war bisher in der Tat eine wichtige und gute Einnahmequelle; das ist unbestritten. Aber wir sprechen hier über das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Und die Selbstverständlichkeit, mit der vor allem die rot-grünen Bundesländer ihren Anteil an der Soli-Beute fordern,
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte?)
muss einem schon zu denken geben.
(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wer hat das eigentlich eingeführt? Welche Partei war das?)
Der Bürger wird hier nur noch zum Zuschauer auf irgendwelchen Nebenplätzen. Er muss sich ja fast schon als störendes Element bei der Verteilung der Beute fühlen. So kann es nicht gehen. Es ist wirklich eine Frage des Respekts vor unseren Bürgerinnen und Bürgern, wie wir mit der Frage des Solidaritätszuschlags ab 2019 umgehen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So bestimmt nicht! Das ist nämlich bestimmt nicht respektvoll! Ei, ei, ei! – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist ja so eine verlogene Debatte!)
Wenn eine befristete Ergänzungsabgabe – und das ist der Solidaritätszuschlag –, wie von einigen gefordert, nun in eine dauerhafte Einnahmequelle des Staates verwandelt werden soll, dann gehört es zur Ehrlichkeit in der politischen Debatte, dies als das zu bezeichnen, was es dann auch tatsächlich ist, nämlich als eine Steuererhöhung.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau so ist es! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss jetzt aber langsam mal das Finanzministerium einha-ken! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Aber Herr Schäuble wollte das doch!)
Wer das will, der soll es auch deutlich sagen
(Johannes Kahrs [SPD]: Ja, Herr Schäuble! – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Herr Schäuble! Das Bundesfinanzministerium!)
und nicht versuchen, durch irgendwelche Winkelzüge das Offensichtliche zu verstecken.
(Manfred Zöllmer [SPD]: Die Kanzlerin wollte das doch beibehalten!)
Dass das Federkleid der 16 Länder so unterschiedlich ist, hat auch seinen Grund. Es gibt zwischen den 16 Ländern nämlich gehörige Effizienzunterschiede. Da gibt es welche, die seit langem unionsregiert sind, und die haben, wie Bayern oder Sachsen, einen ausgeglichenen Haushalt.
(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sachsen hat einen ausgeglichenen Haushalt? – Ingrid Arndt- Brauer [SPD]: Wenn Sachsen keinen Soli hat, hat es nichts mehr!)
Es gibt andere, die überhaupt kein Interesse an einer soliden, nachhaltigen Haushaltspolitik haben. Wozu auch? Es gibt ja den Länderfinanzausgleich.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das ist ja abenteuerlich!)
Da, meine Damen und Herren, gibt es sicherlich auch Gesprächsbedarf.
Ich stelle mir gerade wieder einmal diese 16 Vögel vor, über die ich vorhin schon gesprochen habe.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird ja immer besser!)
Wenn dann die Sprache auf die Neuordnung der Finanzen und vor allem auf den Länderfinanzausgleich kommt, flattern auf einmal 12 dieser 16 Vögel ganz geschwind davon.
Ich meine, die Zukunft des Solis können wir nicht losgelöst und isoliert von der Frage einer grundsätzlichen Neuordnung der Länder- und Bund-Länder-Finanzbeziehungen betrachten. Wir sollten die Chance nutzen, staatliches Handeln ökonomischer, effizienter, produktiver zu organisieren. Gerade im Hinblick auf den Soli und dessen Zukunft stellt sich doch die Frage: Wollen wir gestalten, oder wollen wir einfach nur fantasielos abkassieren?
Lassen Sie uns doch zum Beispiel mal auf die Steuerbescheide draufschreiben, wohin die Gelder fließen. Lassen Sie uns draufschreiben, welche Anteile an die Länder, an den Bund und an die Kommunen fließen. Darauf basierend können wir entsprechende Konzepte entwickeln. Dann – dieser festen Meinung bin ich – sollen die Wählerinnen und Wähler bei der nächsten Wahl entscheiden, wem sie ihr sauer verdientes Geld anvertrauen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Ziemlich peinliche Rede! Das war jenseits der Realität! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: So geht das nicht! Schäuble hat das angesprochen!)
Ich darf feststellen, dass die Redezeit auf die Sekunde präzise ausgeschöpft wurde. Das verdient Lob.
(Johannes Kahrs [SPD]: Nur leider inhaltlich daneben!)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Axel Troost für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4216730 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Plänen zum Solidaritätszuschlag |