André BergheggerCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Plänen zum Solidaritätszuschlag
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Als letzter Redner in dieser Debatte wird es von mir nicht viele neue Aspekte geben – das wird Sie nicht verwundern –; aber ich habe vielleicht die Möglichkeit, die Diskussion an der einen oder anderen Stelle zusammenzufassen, vielleicht auch zusammenzuführen oder aber auch den einen oder anderen Punkt einzusammeln.
Vor nicht ganz vier Wochen standen wir hier in Berlin und konnten Tausende von leuchtenden Ballons bewundern, die den ehemaligen Grenzverlauf markiert hatten. Mit dem Aufsteigen dieser Ballons – ich denke, eine beeindruckende Kunstaktion – haben wir an die friedliche Revolution erinnert und die Überwindung der Teilung Deutschlands.
Natürlich habe ich persönlich nach fast 25 Jahren der Wiedervereinigung großes Verständnis dafür, dass auch die Frage gestellt wird: Brauchen wir denn den Soli noch, oder können wir ihn nicht abschaffen? Voraussetzung für seine Abschaffung ist aber sicherlich, dass wir überprüfen müssen: Hat der wirtschaftliche Aufholprozess in den neuen Ländern Erfolg gehabt? Wie weit sind die Infrastrukturlücken geschlossen? Wie steht es dort um die Finanzausstattung der Kommunen?
Ich glaube, erfreulicherweise sind wir dort auf sehr gutem Wege. Wir haben Leuchttürme in Technologie, Wissenschaft und Forschung an international anerkannten Standorten. Die Lebensqualität ist gut. Natürlich gibt es Licht und Schatten – das gibt es aber überall –, und natürlich könnte man fragen: Könnte es noch ein bisschen mehr sein? Im Laufe der Zeit haben sich die Herausforderungen wesentlich verändert; vielleicht sind noch nicht alle bewältigt. Vorhin ist schon deutlich geworden: Wir müssen demnächst nicht mehr nach Himmelsrichtungen denken, sondern eher nach Bedarfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen uns um strukturschwache Gebiete – da denke ich natürlich an das Ruhrgebiet, aber auch an ländliche Regionen in meinem Heimatbundesland, in Niedersachsen – kümmern. Wir müssen an die Infrastruktur denken: Straßen, Schienen, Wasserwege, Brücken. Wir haben heute Morgen im Haushaltsausschuss eine Anhörung zur LuFV II gehabt; da wurde das sicherlich noch einmal deutlich.
Eine solidarische Gesellschaft sollte das Ziel „Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ haben.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Grundgesetz!)
Deswegen ist die isolierte Frage nach der zukünftigen Gestaltung des Soli zu kurz gegriffen. Wir müssen sie in ein Gesamtbild einbetten und schauen, welche Lösungen wir finden.
Unser Fraktionsvorsitzender sagt immer: Politik beginnt mit dem Erkennen der Realität. – Zur Realität gehört sicherlich, dass wir 2020 große finanzielle Fragen zu stemmen haben. Der Finanzausgleich ist neu zu regeln. Die Schuldenbremse tritt in allen Ländern in Kraft. Der Solidarpakt II läuft aus. Wir müssen uns um das Thema Altschulden kümmern, um Zinslasten usw. Ein Stichwort hierbei ist der Solidaritätszuschlag.
Das Ziel muss es sein, die Handlungsfähigkeit aller staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden – zu gewährleisten,
(Zustimmung des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])
und zwar durch ordnungsgemäße Aufgabenzuweisung, Finanzverantwortung und Finanzausstattung.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und Eigenverantwortung!)
Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns für die umfassende Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Zeit nehmen. Die Beratungen laufen, und sie werden in Ruhe weitergeführt. Viele Interessen sind gegeneinander und untereinander abzuwägen, und es ist eine gute Lösung zu finden.
Fest steht: Das gesamtstaatliche Steueraufkommen beträgt derzeit 640 Milliarden Euro und 2019 760 Milliarden Euro.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag werden sich auf 18 Milliarden Euro erhöhen. Fest steht auch, dass dies eine bedeutende Summe für den Bund ist.
Zur Äußerung der rot-grünen Ministerpräsidenten – jetzt müsste Johannes Kahrs hier sein –, egal wie auch immer entstanden: Die Integration des Solidaritätszuschlags in den Einkommensteuertarif ist aus deren Sicht verständlich, weil so die Einnahmen natürlich zum Großteil auf Länder und Kommunen umverteilt werden.
(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Aber Schäuble wollte das auch!)
Aber wir müssen doch auch beachten, dass die Finanzsituation der Gesamtheit der Länder und der Gesamtheit der Kommunen besser ist als die des Bundes.
(Beifall bei der CDU/CSU)
All das gilt es gegeneinander abzuwägen.
Eine Frage ist vonseiten der Länder immer noch nicht ausdrücklich beantwortet. Bei Abschluss des Solidarpakts II wurden 7 Umsatzsteuerpunkte beim Bund abgeschmolzen und den Ländern zugeschrieben mit der Begründung, dass die ostdeutschen Länder vollkommen in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden. Jetzt zu sagen: „Wir behalten die Umsatzsteuerpunkte, und wir verteilen die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in der Summe um, sodass die Kommunen und Länder deutlich davon profitieren“, das ist aus meiner Sicht, höflich ausgedrückt, zu einfach. Lassen Sie uns die Verhandlungen in der Gesamtheit weiterführen und versuchen, ein vernünftiges Ergebnis für alle Ebenen zu erreichen, um eine föderale Struktur auf Augenhöhe zu erreichen, bei der alle staatlichen Ebenen handlungsfähig sind.
Wenn Johannes Kahrs jetzt hier wäre, dann würde ich sagen: Wir arbeiten gut zusammen. – An dieser Stelle aber zumindest eine Anmerkung persönlicher Art: Wenn wir eine interne Arbeitsgruppe haben, um solche komplexen Fragestellungen zu besprechen, dann ist das für mein persönliches Verständnis wirklich eine interne Arbeitsgruppe.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich hoffe – ich werde es ihm gleich im Haushaltsausschuss noch persönlich sagen –, dass er das auch so sieht. Er hat sich bestimmt nur einmal versprochen.
Ich hoffe, dass wir weiter gedeihliche Verhandlungen führen – im Sinne einer guten Lösung für die Bund-Länder-Finanzbeziehungen.
Ich bedanke mich für das freundliche Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4216824 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Plänen zum Solidaritätszuschlag |