18.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 76 / Tagesordnungspunkt 11

Sabine Sütterlin-WaackCDU/CSU - Versorgungsausgleichsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Kollegin Keul hat es eben schon angedeutet: Wir behandeln heute ein Thema, das auch vielen Juristen exotisch anmutet, aber in sehr vielen Scheidungsverfahren praktische Relevanz entwickelt. Es geht um einen Teilbereich des Versorgungsausgleichsgesetzes.

Mit der Strukturreform des Jahres 2009 wurde darin festgelegt, dass der Grundsatz der internen Teilung von Versorgungsanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die in der Ehe erworben wurden, angewendet wird. Frau Keul hat dies eben so schön mit den Äpfeln und Birnen erklärt. Ich will auch einmal versuchen, dies zu erklären: Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs ist es, im Scheidungsfall sämtliche in der Ehezeit erworbenen Versorgungsrechte der Ehegatten gleichmäßig aufzuteilen. Das nennt man Halbteilungsgrundsatz.

In den meisten Fällen wird die sogenannte interne Teilung der Anrechte angewandt. Dabei wird für den Ausgleichsberechtigten ein eigenständiges Anrecht zulasten des Anrechts der Ausgleichsverpflichteten beim gleichen – und das ist wichtig – Versorgungsträger begründet.

Bei der sogenannten externen Teilung wird vom Versorgungsträger des Ausgleichsverpflichteten ein Kapitalbetrag an einen von der Ausgleichsberechtigten ausgewählten anderen Versicherungsträger gezahlt. Dort wird dann ein Anrecht begründet. Diese Möglichkeit wird auch heute noch in einigen Ausnahmefällen durchgeführt. Die Ausnahme, um die es heute geht, ist – wir haben es gehört – der § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes. Dieser soll nach dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen nun ersatzlos gestrichen werden.

§ 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes lässt die externe Teilung der betrieblichen Altersversorgung zu. Zwei Voraussetzungen sind allerdings einzuhalten: Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung muss es sich um eine Direktzusage oder um Leistungen der Unterstützungskasse handeln. Zweitens darf der Ausgleichswert die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen. Diese liegt im Moment bei 72 600 Euro.

Schon bei der Neuregelung des § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes im Jahre 2009 galt es für den damaligen Gesetzgeber, zwischen den Interessen der Ausgleichsberechtigten und denen der Versorgungsträger abzuwägen. Diese Abwägung haben wir auch heute noch zu berücksichtigen.

Für die Ausgleichsberechtigten gilt der aus Artikel 6 des Grundgesetzes hergeleitete Halbteilungsgrundsatz. Kritiker des § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes führen nun an – wir haben es eben gehört –, dass bei der Teilung der Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung keine gleichmäßige Teilung stattfindet, da der ausgleichsberechtigte Ehegatte im Rentenalter deutlich weniger Rente bekommt als der andere. Dies gilt auch, wenn man nur die Anwartschaften, die in der Ehe erworben worden sind, berücksichtigt.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, gelten die Grundrechte auch für die Versorgungsträger. Die Versorgungsträger sind ursprünglich gesehen keine Beteiligten des Ehescheidungsverfahrens. Sie erhalten ihre Beteiligtenstellung aber kraft Gesetzes. Sie erhalten Mitwirkungspflichten und – darauf möchte ich besonders hinweisen – auch Rechte. Insbesondere das Recht am ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb könnte bei der Streichung des § 17 betroffen sein. Würde § 17 wegfallen, gäbe es die Möglichkeit der externen Teilung nur noch in sehr eingeschränkten Grenzen. Die Unternehmen wären dann praktisch gezwungen, immer intern teilen zu müssen. Die Versorgungsträger müssten einen Betriebsfremden aufnehmen, mit dem sie nie ein Beschäftigungsverhältnis hatten, und seine Anrechte verwalten. Dieser erhielte dann die Stellung eines unverfallbar ausgeschiedenen Arbeitnehmers – ein sehr weitreichender Eingriff in die unternehmerische Freiheit.

Darüber hinaus steht zu befürchten, dass die Arbeitgeber aufgrund dieses zusätzlichen, vom Gesetzgeber dann erzwungenen Mehraufwandes davor zurückschrecken, weitere betriebliche Altersvorsorge anzubieten. Damit würde eine wichtige Säule der Altersversorgung als freiwillige Leistung der Betriebe ins Wanken geraten.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das halte ich aber für übertrieben!)

Das kann angesichts des demografischen Wandels nicht unser Bestreben sein.

Genau diese Gesichtspunkte haben auch den Gesetzgeber vor fünf Jahren dazu bewogen, den § 17 in der geltenden Fassung einzuführen. Da ich 10 Minuten Redezeit habe, zitiere ich aus der Gesetzesbegründung

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

und werde Ihnen den Grund der Entscheidung ganz kurz erläutern:

– ich zitiere nur aus der Begründung, Frau Keul –

Das war das Zitat. Letztlich haben der Reform des Versorgungsausgleichs damals alle Fraktionen zugestimmt, auch Ihre Fraktion, liebe Frau Keul.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann ja dazulernen! – Zuruf von der LINKEN: Sogar die Linken!)

– Sogar die Linken, genau.

Auf der anderen Seite verkenne ich nicht, dass es bei der derzeitigen externen Teilung zu deutlichen Ungleichheiten zwischen Ausgleichspflichtigen und Ausgleichsberechtigten kommen kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das habe ich auch in meiner anwaltlichen Praxis erlebt. Andere Praktiker bestätigen dies ebenfalls. Die Ausgleichsberechtigten erhalten oft nicht die Hälfte der Rentenanwartschaft, die der geschiedene Ehepartner erarbeitet hat.

Der vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich an einer Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins aus dem letzten Jahr. Auch dort wird die Streichung der externen Teilung gefordert. Die Begründung dieser Stellungnahme, die sich der Gesetzentwurf zu eigen macht, ist auf eine Beispielsrechnung gestützt, die wenig realistisch erscheint.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)

Im genannten Beispiel geht der Deutsche Anwaltverein nämlich davon aus, dass die Zinsen in einem Zeitraum von 40 Jahren unverändert bleiben. Diese Annahme ist kritisch zu hinterfragen. Wir alle wissen, dass in den letzten 40 Jahren sowohl eine Hochzinsphase als auch die heutige Niedrigzinsphase zu beobachten waren. Die Ungleichheiten werden damit übertrieben dargestellt. Dadurch ergibt sich eine Berechnung mit extremen Unterschieden, die uns nicht zu vorschnellen gesetzgeberischen Handlungen verleiten sollte.

Meine Damen und Herren, aus Sicht vieler Experten ist die Höhe des Zinssatzes der entscheidende Faktor für den Ausgleichswert. Die für den Ausgleichberechtigten unbefriedigende Situation ergibt sich im Wesentlichen aus den unterschiedlichen Zinssätzen, die die internen und externen Versorgungsträger zugrunde legen.

Im Hinblick auf den Rechnungszins lässt der BGH es zu, dass der abgebende Versorgungsträger den Ausgleichswert unter Verwendung des Zinssatzes des Bilanzierungsmodernisierungsgesetzes in Verbindung mit dem HGB berechnet.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt davon, dass man zehn Minuten Redezeit hat!)

– Ja, genau. –

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzgeber hat die Verwendung dieses Zinssatzes allerdings nicht vorgegeben, ihn aber zur Auswahl gestellt. Dieser liegt regelmäßig bei ungefähr 5 Prozent.

Die Zielversorgungsträger rechnen hingegen mit niedrigeren Rechnungszinsen. Lebensversicherer kalkulieren mit einem Garantiezins von 1,25 Prozent zuzüglich Überschussanteilen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist der bereits erwähnten Niedrigzinsphase geschuldet. Damit haben, wie wir alle wissen, nicht nur die Versicherer zu kämpfen.

Um die Schieflage zu begradigen, liegen mehrere Lösungsalternativen vor. Die Radikallösung „Streichung des § 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes“ ist meiner Ansicht nach keine zufriedenstellende Lösung. Weitaus vielversprechender erscheint mir der Weg, einen geeigneteren Zinssatz zu finden.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre auch schon mal was!)

Ein geringerer Rechnungszins beim Versorgungsträger würde die Unterschiede der Rentenzahlungsergebnisse nach Teilungsart deutlich abmildern.

Derzeit sind mehrere Verfahren vor dem BGH anhängig, in denen es um die Frage des richtigen Rechnungszinses geht. Wir sollten auf jeden Fall abwarten, zu welchen Ergebnissen der BGH in den vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren in Bezug auf die Zinsfindung kommen wird.

Um es auf den Punkt zu bringen: Auch ich erkenne die Schwächen im Versorgungsausgleichsgesetz an. Dass es Schwächen gibt, bestätigt auch die einschlägige familienrechtliche Literatur fast einhellig. Auch in meinen Gesprächen mit Familienrichtern wurde das immer wieder deutlich. Es bedarf meiner Einschätzung nach aber einer näheren Untersuchung, ob eine Senkung der Wertgrenze in § 17 oder die Verwendung eines realistischeren Rechnungszinses unter Umständen geeigneter sind, um zu einer gerechten Ausgleichsform zu kommen.

Ein ersatzloser Wegfall des § 17 dürfte kaum geeignet sein, die Interessen der Eheleute an einer möglichst gerechten Halbteilung ihrer Anrechte und die berechtigten Interessen der Betriebsrententräger in Einklang zu bringen.

Über die aufgezeigten und möglichen anderen Lösungen zur Verringerung der Ungleichheiten sollten wir in den kommenden Wochen diskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Jörn Wunderlich, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4293179
Wahlperiode 18
Sitzung 76
Tagesordnungspunkt Versorgungsausgleichsgesetz
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